Newcomer mischen immer wieder die Musikszene auf. Eine, die im Alleingang ihr erstes Mini-Album produziert hat, ist die 21-jährige Ava Adonia aus Neunkirchen. Seit Mai ist „Sweet Sixteen Forever" auf allen bekannten Streamingdiensten zu hören.
Ihre Songs pendeln zwischen den Polen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Mal zieht sich durch die Stücke von Ava Adonia eine wehmütig-melancholische Atmosphäre, mal wecken sie die Lust aufs pure Abfeiern des Lebens. Die 21-jährige Newcomerin hat dieses Jahr im Alleingang die Debüt-EP „Sweet Sixteen Forever" produziert. Und zwar zu Hause auf einem Laptop, daneben griff sie auf einen Analog-Digital-Wandler und Mikrofon zurück. Acht Songs enthält das Erstlingswerk, die Musik bewegt sich irgendwo zwischen Pop, Elektronikeinsprengseln und Indiepop. Hören kann man die EP auf allen möglichen Streamingplattformen, vier Videos ihrer Songs hat sie bei Youtube hochgeladen – und vor allem live kann man Ava Adonia erleben. Zuletzt mit ihrem Vater Uwe Rosar in Cafés und auf Bühnen von Stadtfesten.
Allein der Umstand, dass eine junge Künstlerin aus Neunkirchen es aus eigener Anstrengung geschafft hat ins Musikbusiness einzusteigen, in Eigenregie eine EP zu produzieren und die Selbstvermarktung über Instagram, Tiktok und Facebook zu übernehmen, ist recht ungewöhnlich. Dabei verlief ihr Weg dorthin nicht von Anfang an schnurgerade. Nach dem Abitur studierte sie zunächst ein Semester BWL, um ziemlich schnell an den Punkt zu kommen, dass sie sich fragte, was sie da eigentlich mache. Im Januar 2021 begann sie den ersten Song der EP zu schreiben. Ein knappes halbes Jahr später dachte sie, dass sie die bisherigen Song-Entwürfe zu einer EP zusammenfassen könnte – und Ava Adonia stürzte sich voller Hingabe in die Produktion, zudem musste sie sich in ein digitales Audio-Sequenzer-Programm einarbeiten. Mit einem professionellen Fotograf machte sie im April auf einem Steg am Noswendeler See im Nordsaarland die Fotos für das EP-Cover. Dazwischen drehte sie sogar noch mit Mediendesignern, mit denen sie befreundet ist, ein Musikvideo in Köln – eines drehte sie sogar selbst zu Hause in der Badewanne mit einem von einer Plastiktüte umhüllten Handy. Vollständig produziert war schließlich „Sweet Sixteen Forever" im Mai.
Drehte Musikvideos in Köln
Und obwohl eineinhalb Jahre bis zur Vollendung des Debüts vergingen, findet sie, dass das Produzieren „richtig Spaß macht und mittlerweile ein Teil von ihrer Songwriting-Routine geworden" ist. Den Gedanken Demos zu erstellen und die an geeignete Produzenten zu schicken, verwarf sie allerdings rasch. „Heutzutage ist es so, dass viele Labels und Managements nur noch Leute unter Vertrag nehmen, die schon selbst etwas veröffentlicht und sich eine Fanbase aufgebaut haben", sagt sie. Ohne die nötigen Beziehungen im Musikgeschäft und scharenweise Followern auf Social-Media-Kanälen gehe heute fast gar nichts. „Also dachte ich, okay, dann musst Du halt selber ran", resümiert Ava Adonia, die neben ihrer Kunst als zweites Standbein in der Städtischen Galerie Neunkirchen jobbt und Veranstaltungen in der Reithalle der Kreisstadt vorbereiten hilft.
Musiktechnisch geprägt hat sie in den Nuller Jahren die Disney-Fernserie „Hannah Montana" mit Miley Cyrus in der Hauptrolle, später die Popsängerin Avril Lavigne und ferner die Beatles und Michael Jackson. Da sie in einer musikaffinen Familie aufwuchs, konnte sie sich der Unterstützung ihrer Eltern sicher sein. Während ihr Vater Uwe Rosar fast drei Jahrzehnte Berufsmusiker in einer Band war und ihr die Leidenschaft für handgemachte Musik vorlebte, spielt ihre Mutter bis heute hobbymäßig Gitarre. Und bei dem Aufnahmeprozess ihrer eigenen Songs kam – was hätte naheliegender sein können? – wiederum ihr Vater ins Spiel: Er setzte sämtliche Gitarren- und Bassparts auf der EP um. „Ich habe mir die Riffs und Rhythmik der Gitarre überlegt, vorher auf dem Keyboard eingespielt und dann meinem Vater vorgestellt", erzählt Ava Adonia. Das ursprünglich eine Oktave höhere Riff auf „Electric Blue" war unmöglich eins zu eins auf der Gitarre nachzuspielen. Bevor der Song „95" zu Ende produziert war, experimentierte sie sehr viel herum. So steuerte ihr Vater für den Song beispielsweise ein Gitarrensolo bei. „Ich liebe es mit Sounds zu experimentieren, kreativ zu sein und etwas Neues zu entdecken", betont Ava Adonia, die einräumt einen Hang zum Perfektionismus zu haben.
Tatsächlich ist nur ihre eigene Stimme in den acht Songs des Mini-Albums zu hören – nicht einmal ein Chor mit Backgroundsängerinnen oder -sängern oder externe Gastmusiker haben mitgewirkt. Sich mit der eigenen Stimme ausdrücken zu können, „Gedanken, Gefühle und all das, was mich inspiriert in eine Drei-Minuten-Form zu bringen und in die Welt rauszugeben" bedeutet Ava Adonia sehr viel, wie sie sagt. „Ich finde es cool, dass ich so viele Probleme und schöne Erfahrungen, wie Momente der Freude, festhalten kann." Nur selten kommt es vor, dass am Anfang eines ihrer Songs ein Text steht. Die meisten entstehen am Keyboard, wo Ava Adonia eine Strophe, ein Chorus oder ein anderer Teil einfällt. So kommt es, dass sie einige ihrer Songs wie der titelgebende komplett am Keyboard schreibt, ehe die finale Aufnahme ansteht. Ein ganz anderer Entstehungsprozess durchlief zum Beispiel „Electric Blue" – zuallererst stand die Drumspur, danach folgte das Gitarrenriff, die Strophe und zum Schluss der Refrain. Wenn ihr unterwegs Ideen in den Sinn kommen, sei es eine Melodie oder ein Rhythmus, zückt sie ihr Handy und schaltet die Recorder-App ein. Später hört sie sich diese akustischen Entwürfe an und überlegt, was sie daraus machen kann. „Ich habe mir letztens die ganzen Aufnahmen für die EP angehört. Das ist wirklich verrückt, was dabei entstanden ist", erzählt sie und lächelt. Vor allem eine frühe Aufnahme von „Electric Blue", aufgenommen im Proberaum, wo sie über einem Schlagzeugbeat die Strophe improvisierte, hörte sich völlig anders an als die Schlussversion. Soll heißen: Bis ein Song von Ava Adonia reif für die Produktion ist, durchläuft er Phasen der Überarbeitung, hin und wieder erhalten Songtexte den letzten Schliff, indem einzelne Wörter gegen andere austauscht werden.
Erfrischend andere Popsongs
Erfrischend anders als viele Popsongs, die zurzeit in den Charts sind, drehen sich ihre englischen Texte nicht klischeehaft um Trennungsschmerz oder den Zustand des Frischverliebtseins. Ava Adonia singt vielmehr über subtile Umbrüche in ihrer Lebenswelt, das melancholische Betrauern einer vergangenen Zeit, die nicht mehr zurückkehrt oder über ihr engeres Umfeld, das ihr sagt, was sie besser hätte tun und lassen sollen. „Inspirationen für meine Songs kommen eigentlich von überall her", sagt die junge Saarländerin. In anderen Songs wiederum erzählt sie Geschichten, beispielsweise über einen abgefahrenen Traum – manchmal vermischen sich autobiografische und fiktive Anteile in ihren Texten.
Dass sich die Künstlerin weiterentwickeln will, liegt auf der Hand. Ava Adonia möchte Bandmitglieder rekrutieren – verknüpft mit dem Ziel, dass sie mit ihnen vor allem ihre eigenen Songs spielen kann. „Die Leute mit denen ich dieses Bandprojekt starten möchte, sollten genauso wie ich jung sein, gern und viel herumreisen und für vieles offen sein." Wenn die Formation zusammengestellt ist, will sie natürlich auch Locations jenseits der saarländischen Landesgrenze bespielen – sowohl Kneipen als auch größere Hallen.