Peter Maffay möchte auf dem neuen Album „Tabaluga – Die Welt ist wunderbar" für den menschengemachten Klimawandel sensibilisieren. Im Interview erklärt er sein Engagement für die Umwelt und wie er jungen Menschen Themen wie erneuerbare Energien und atomarer Auseinandersetzung kindgerecht nahebringt.
Herr Maffay, in dem neuen Album „Tabaluga – Die Welt ist wunderbar" erklären Sie kindgerecht, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wurde. Wenn man wie Sie Kinder hat, setzt man sich dann unweigerlich für Naturerhalt und Nachhaltigkeit ein?
Wir betreiben unsere Stiftung jetzt seit 20 Jahren. In dieser Zeit haben wir uns mit Themen dieser Art auseinandergesetzt, weil es uns um die Zukunft von Kindern geht. Vor Corona kamen jährlich immer 1.200 bis 1.400 von ihnen zu uns. Da bleibt es nicht aus, dass man sich immer wieder mit Zukunftsfragen auseinandersetzt. Augenblicklich haben wir es mit einer geballten Ladung an Anforderungen zu tun. Das Zeitfenster hinsichtlich des Klimawandels schließt sich langsam. Sollten wir eines Tages den „Point of no Return" überschreiten, werden wir die Entwicklung nicht mehr umkehren können.
Die Herausforderungen, vor denen unsere Welt in diesen Zeiten steht, sind groß und komplex. Glauben Sie, dass wir die Dinge noch so verändern können, dass es allen dienlich ist?
In unserer kleinen Familie gibt es zwei Kinder. Da sehe ich keine Alternative zu einer zuversichtlichen Sichtweise. Würde ich gegenüber meinem 19-jährigen Sohn resignieren, würde er mir sagen, dass ich gefälligst etwas tun soll. Die kommenden Jahrgänge haben ein hohes Anrecht darauf, dass die jetzige Generation alle Register zieht, um zumindest den Klimawandel zu verlangsamen. Und das ist nur ein Thema von vielen. Wir haben die Pandemie, den Ukraine-Krieg, eine Spaltung in der Gesellschaft, eine Radikalisierung. Alles Dinge, die kommende Generationen ausbaden müssen.
Sie singen: „Komm, wir bauen ein Königreich mit Liebe auf dem Thron." Wie schaffen Sie es, dieser Welt positiv zu begegnen, ohne naiv zu sein?
Jedem ist klar, dass das ein Kampf gegen Windmühlen ist. Im Augenblick investieren wir so viel Energie in eine falsche Richtung! Allein die Klimafrage rückt angesichts des Krieges in der Ukraine wieder in den Hintergrund. Um über die Runden zu kommen, müssen wir wieder auf fossile Energien zurückgreifen, auf die wir eigentlich verzichten wollten. Das ist widersinnig!
Das Glühwürmchen Lucy gibt gemeinsam mit dem kleinen Drachen Tabaluga Kindern Nachhaltigkeitstipps. Es wurde von Mitarbeitenden des Volkswagen-Konzerns maßgeblich mitentwickelt. Volkswagen unterstützt unsere Stiftungsaktiviäten seit 2006, das ist die längste Kooperation mit Künstlern, die der Konzern jemals eingegangen ist. Da wir eng zusammenarbeiten, fanden wir es schön, einmal eine Geschichte in der Richtung gemeinsam zu gestalten. Teile der VW-Belegschaft hatten dann die Idee zu einem Glühwürmchen. Die Tierchen erzeugen ja Energie durch das Enzym Luciferin. Wir fanden das charmant und entwickelten daraus die Figur Lucy. Sie kommt aus der Zukunft, wo alle gerade anstehenden Fragen bereits geklärt sind und vermittelt uns Lösungsansätze. Ein bisschen utopisch, aber nahe an der Realität. Das ist der einzige Ansatz mit Tabaluga, der im Augenblick Gültigkeit besitzt.
Sie erklären Kindern saubere Elektrizität. Mit der freiwerdenden Energie der tanzenden Zuschauer wollen Geothermie-Experte David Townsend und Clubbetreiber Andrew Fleming-Brown vom schottischen Glasgow aus die Clubszene revolutionieren.
Kinetische Energie, umgesetzt in Strom! Wir haben Energie ohne Ende, aber in diese Technologien nicht genügend hineininvestiert. Es gibt unendlich viele Wellen oder Sonnenstrahlen, die nichts kosten. Irgendwann werden wir auf diese Quellen in einem noch größeren Umfang zurückgreifen müssen. Natürlich ist der Strom gar nicht so sauber, wie in meinem Lied verkündet wird.
Sie sprechen auf dem Album auch über Wasser, Feuer, fossile Brennstoffe, Sonnen- und Windenergie. Sehen Sie dieses Projekt als Material zur Förderung der politischen Grundbildung?
Es hat noch nie ein Tabaluga-Album gegeben, das sich so explizit mit solchen Themen auseinandergesetzt hat. Wir kommen da einfach nicht mehr dran vorbei. Als Künstler haben wir die Möglichkeit, uns dazu zu artikulieren. Die Haltung der Mitwirkenden muss kompatibel mit meiner sein, sonst würde das nicht funktionieren. Es gibt eine große Gemeinschaft von Menschen, die ähnlich denken und urteilen. Und den Kindern muss man das jetzt schon mit auf den Weg geben. Wir können als Teil der Menschheit einen Beitrag leisten zu einer Veränderung. Zum Beispiel zu ‚atomarer Auseinandersetzung‘ („Eiszeit") oder wie mit Hartmut Engler neulich zu Rechtsradikalismus und Judenfeindlichkeit („Neue Brücken"). Diese Themen scheinen leider nie aufzuhören zu existieren. Aber man darf nicht in Panik verfallen, sondern muss die Ursachen solcher Entwicklungen nüchtern analysieren und schauen, wie man sie umwandeln kann. Ein gesellschaftlicher Konsens ist der Schlüssel zu den Lösungen.
Selbst wer Elektroautos fährt, Biofleisch isst und regionales Gemüse kauft, trägt immer noch zum Klimawandel bei. Wie haben Sie Ihre
eigene Lebensweise geändert?
Ich glaube, man kann es nur so machen wie mit der Schokolade: Zu viel davon geht auf die Hüfte oder verschlechtert dein Blutbild. Wenn die ganze Gesellschaft zum Beispiel weniger Fleisch isst – wir verhungern dabei ja nicht –, wäre das ein wertvoller Beitrag. Ich habe immer noch eine Leidenschaft für Motorräder, aber ich steige jetzt viel öfter auf mein E-Bike als auf meine Harley. Die verrottet schön langsam in der Garage. Diesen Sommer bin ich genau zweimal eine kurze Strecke gefahren. Ansonsten sitze ich auf meinem Mountainbike – und das bekommt meiner Muskulatur viel besser.
Wie sprechen Sie mit Ihrer kleinen Tochter Anouk über Themen wie Klimawandel und Krieg?
Über den Klimawandel zum Beispiel sprechen wir mit ihr noch nicht wirklich ausführlich, sie ist ja erst drei Jahre alt. Aber gestern sagte Anouk zu mir: „Mach das Licht aus! Wir haben genügend Lampen an." Ich schwöre, das hatte sie nicht von mir. Vor ein paar Tagen hatten Hendrikje und ich eine Lesung in einem Kindergarten, die Kinder dort aber werden durch die Umsicht ihrer Betreuerinnen auf solche Themen gelenkt. Ihr Wissen ist viel größer als man vermutet.
Kann man einem Kind auch Krieg erklären?
Meine Tochter und ich haben über das Thema Krieg noch nicht gesprochen, aber das wird sicher bald passieren, weil von den Nachrichten garantiert irgendetwas bei ihr hängen bleibt. Kinder haben einen angeborenen Sinn für Gerechtigkeit, das habe ich an meinem Sohn gesehen, und ich sehe es jetzt wieder an der Kleinen. Irgendwann werden wir ihr erklären müssen, dass da Menschen sich gegenseitig wehtun und Familien zerrissen werden.
Sie haben Flüchtlinge aus der Ukraine auf Ihrem Gut Dietlhofen in Bayern aufgenommen.
Seit dem 4. März haben wir über 30 Mütter und Kinder in unserer Stiftung aufgenommen, die wir immer wieder mal sehen. Neulich waren sie fast alle in unserem Konzert in München. Also nimmt auch Anouk an deren Leben teil. Wir haben ihr erklärt, dass diese Familien von zu Hause geflohen sind.
Finden Sie es richtig, dass Deutschland Waffen an die Ukraine liefert?
Nein, nein, nein! Ich finde es unsäglich, wie aus Pazifisten Militaristen geworden sind. In etlichen Medien heißt es, dass Waffenlieferungen endlich den erhofften Effekt erzielen und sich dadurch eine gewisse Form von Normalisierung einstellt. Ich halte das für hochgradig trügerisch! Es hätte längst ein Dialog über die schreckliche Aggression der Russen gegenüber den Ukrainern stattgefunden haben müssen.
Die Diplomatie ist total in den Hintergrund getreten zugunsten des Militarismus. Wir haben uns in eine Spirale hineinbegeben. Wer glaubt wirklich, dass Putin gewaltsam in die Knie gezwungen werden kann? Brauchen wir noch mehr Radikalisierung? Soll dieser Krieg sämtliche demokratischen Systeme der Welt destabilisieren? Unsere Gesellschaft verliert mehr und mehr an Halt, und die Spaltung in der Gesellschaft wird immer größer. Gesunde Unternehmen brechen zusammen, und Menschen bangen um ihre Existenz. Wo soll das enden? Und dann zwängen sich irgendwelche Herren in Maßanzügen in Panzer, um Loyalität zu zeigen. Entsetzlich!
Sind Sanktionen das geeignete Mittel, um einen Krieg zu beenden?
Neulich sagte jemand sarkastisch zu mir: „Es gibt Menschen, die wissen immer alles – das sind die Politiker!" Das kann und darf man natürlich nicht verallgemeinern, aber die Inkompetenz und Selbstüberschätzung mancher ist erschreckend. Ich glaube, Sanktionen sind ein Teil der Maßnahmen, die man ergreifen kann, soll und muss, aber nicht die einzigen. Man sollte dabei aber wissen, welche Effekte sie erzeugen können. Ich glaube, darüber hat sich die „freie Welt" nicht genügend Gedanken gemacht, denn Russland ist nicht in die Knie gegangen und die, die maßgeblich von den Maßnahmen betroffen werden, sind wir.
Sollte man den zivilen Widerstand in Russland von Deutschland aus stärker unterstützen?
Die Wahrung der Menschenrechte, egal in welchem Land, muss absolute Priorität haben für alle Gesellschaften der Welt. Angesichts der Entwicklung dieses Krieges ist es schwer, eine gültige Formel auf den Weg zu bringen, um ihn zu beenden. Wir dürfen auf keinen Fall die Diplomatie aufgeben zugunsten von schweren Panzern!
Haben Sie denn noch Hoffnung auf eine friedliche Beilegung?
Es ist wie mit dem Klimawandel: Es ist schwer vorstellbar, dass eine schnelle Beendigung erfolgen wird. Trotzdem darf man nicht aufgeben. Seit Monaten befürchten wir, dass dieser Konflikt auf andere Staaten – vielleicht auf die ganze Welt – überschwappt. Im Augenblick wird schon wieder mit Atomwaffen gedroht. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass die Vision meines Liedes „Eiszeit" wahr wird. Und deshalb glaube ich daran, dass es irgendwo noch vernünftige Menschen gibt, die die Beteiligten zurück an den Tisch holen. Es muss einen Kompromiss geben.
Themenwechsel: 2023 wird der kleine grüne Drache Tabaluga 40 Jahre alt. Wie feiern Sie das Jubiläum?
Eine Tour mit zwei Shows pro Abend in einer Arena, die wir normalerweise mit solch einem Album verbinden, ist im Augenblick undenkbar. Corona hängt nach wie vor als Damoklesschwert über allem. Nur ein Infektionsfall im Team würde die ganze Maschinerie blockieren. Vielleicht finden wir ja eine Alternative im Fernsehen in Form einer Gala, aber das ist noch nicht konkret.