Mit wiederverwertbarem Kunststoff, sogenannten Rezyklaten, kann man vieles herstellen. Doch noch lange nicht alle Plastikprodukte sind recyclingfähig, oder es fehlen technische Verfahren, um die Rezyklatquote zu steigern. Einblicke in die Recyclingbranche.
Wenn man es zu Granulat schreddert, ist ein Rezyklat gerade mal so groß wie ein Bonbon. Doch die unscheinbare Größe sagt nichts über den Nutzen aus: Der wiederverwertbare Kunststoff ist als sekundärer Rohstoff ein Allroundtalent, in dem viel Potenzial steckt. Obendrein schont der Einsatz von Rezyklaten die Ressourcen und vermeidet nachweislich CO₂-Emissionen. In vielen Verpackungen ist heute schon das Recyclingprodukt verarbeitet – so etwa in der Duschgelflasche, der PET-Sprudelflasche oder im Blumentopf für die Terrasse. Aber es gibt ein Problem, wie das Forum Rezyklat, ein Bündnis mit über 60 Mitgliedern, darunter Händler, Produkt- und Verpackungshersteller, duale Systeme, Entsorgungs- und Recyclingunternehmen wie Vertreter von Wissenschaft und Politik, auf seiner Webseite schreibt. Ein Großteil der handelsüblichen Shampooflaschen, Zahncremetuben und anderer Produkte ist noch nicht recyclingfähig – und das trotz stetig steigendem Kunststoffabfall. Hinzu kommt: Je nach Branche ist der Einsatz von Rezyklaten völlig unterschiedlich. „Im Medizinbereich werden ganz andere Anforderungen an ein Neuteil gestellt als beispielsweise an einen Pflanzentopf für den Balkon", erklärt Prof. Dr. Elmar Moritzer, der Kunststofftechnik an der Universität Paderborn lehrt. Das Gleiche gilt für Verpackungen mit Rezyklatanteil. „Wir sollten es zu schätzen wissen, dass beispielsweise an Lebensmittelverpackungen andere, spezifische Anforderungen gestellt werden als für Verpackungen, in denen Möbelstücke eingeschweißt werden", erklärt Moritzer.
Wie aus Plastikverpackungen eine neue Verpackung entsteht, verdeutlicht der Wertstoffkreislauf einer PET-Flasche: Nachdem die recyclingfähigen Flaschen aus Rezyklat im Pfandautomaten von einem sogenannten Kompaktor zerdrückt wurden, werden sie zu Ballen verpresst und abtransportiert. In einer Recyclinganlage werden die Ballen dann nach Farbe sortiert und gewaschen. Vor der weiteren Verarbeitung müssen die Plastikflaschen zunächst gespült werden. Als Nächstes wird das Material in einer Aufbereitungsanlage extrudiert, das heißt mit einer speziellen Maschine wird es eingeschmolzen und aus der Schmelze wiederum wird Granulat hergestellt. „Sie können aber nicht PET mit HDPE mischen. Die Verarbeitung zu Rezyklat muss immer sortenrein sein", stellt der Kunststofftechnik-Experte klar.
Verarbeitung muss sortenrein sein
Mit innovativen Ansätzen kann die Sortierung und Verwertung gebrauchter Leichtverpackungen weiter verbessert werden. Das Forum Rezyklat hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Rezyklateinsatz sowohl aus dem Gelben Sack als auch aus der gewerblichen Sammlung voranzutreiben. Zu den nach Ansicht des Bündnisses relevantesten Verfahren mit direktem Bezug zu Verpackungsmaterialien zählen die Nahinfrarotspektroskopie, die Schwimm-Sink-Sortierung und die Objektdetektion. Unter den Verfahren mit einem indirekten Bezug zu Verpackungsmaterialien sind vor allem Fluoreszenzmarkierungen und digitale Wasserzeichen als führende Ansätze vertreten. Das Forum Rezyklat hat eine Vergleichsstudie in Auftrag gegeben, um diese fünf technologischen Verfahren bewerten zu lassen. Ein Forschungskonsortium aus der Technischen Universität Hamburg, der Hochschule Pforzheim und der Montanuniversität Leoben soll erste Ergebnisse zum Jahresende liefern.
Mit der Nahinfrarotspektroskopie (NIR) können organische Molekülverbindungen, zum Beispiel auf der Oberfläche der Verpackung, anhand ihrer Schwingungen nach Lichtanregung im nicht sichtbaren Bereich bestimmt werden. Diese Technologie wird heutzutage bereits flächendeckend bei der Sortierung von Leichtverpackungen eingesetzt, um die unterschiedlichen Kunststoffarten oder auch faserbasierte Verpackungen wie etwa Flüssigkeitskartons zu identifizieren und durch Druckluftdrüsen in die korrekte Sortierfraktion hineinzusteuern. Dem Forum Rezyklat zufolge wird die NIR-Technologie stetig weiterentwickelt.
Mithilfe der Schwimm-Sink-Sortierung können Kunststoffe anhand ihrer Dichte getrennt werden. Der Ansatz beruht auf einem flüssigen Trennmedium – zum Beispiel Wasser –, dessen Dichte zwischen den Dichten der zu trennenden Kunststoffe liegt. In der Praxis läuft das so ab: Die schweren Kunststoffarten sinken hinab und die leichteren Kunststoffarten schwimmen obenauf. Auch die Dichtetrennung kommt in Verwertungsanlagen bereits häufig zur Anwendung und ermöglicht, die Reinheit von Kunststofffraktionen signifikant zu erhöhen.
Anhand von Software und Künstlicher Intelligenz können gebrauchte Verpackungen zum Beispiel in Verbindung mit ihrer Form, Farbe oder Bedruckung erkannt und dann der korrekten Sortierfraktion zugeordnet werden. Farbkameras liefern dabei Computern den Input für die Bilderkennung, um Algorithmen für Objekterkennungsmodelle, wie zum Beispiel neuronale Netzwerke, zu generieren und letztlich Verpackungen anhand ihrer visuellen Eigenschaften den Sortierfraktionen zuordnen zu können. Durch permanente Wiederholungen kann so ein künstliches Netzwerk trainiert werden. Aufgrund der steigenden Verpackungsvielfalt eignet sich diese Technologie bisher vorwiegend für das Ausschleusen von Störstoffen in den Stoffströmen, zum Beispiel bei Silikonkartuschen.
Für Landwirtschaft, Bau und Verpackungen
Bei den Fluoreszenzmarkierungen werden fluoreszierende Substanzen dem Kunststoff als Additiv zugesetzt. Die Markierungen werden somit Bestandteil des Kunststoffs. Alternativ können die Marker auch in die Etikette eingebaut werden. Für die Erkennung der Marker in der Sortieranlage werden die gebrauchten Verpackungen einer elektromagnetischen Strahlung wie etwa UV-Licht ausgesetzt – so wird die entsprechend markierte Verpackung erkannt. Diese Technologie befindet sich nach Angaben des Forums Rezyklat in der letzten Entwicklungsphase.
Hinter dem Begriff Wasserzeichen-Technologie, die gerade die letzte Entwicklungsphase durchläuft, verbirgt sich eine technische Markierung an der Oberfläche einer Verpackung, die vorab definierte Informationen enthält. Dafür sorgen Mikrostrukturen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Die Informationen können sensorgestützt abgerufen und als weitere Sortierkriterien zu den entsprechenden Verpackungseigenschaften verwendet werden. Selbst Verbraucher können mit Smartphones weitere Informationen etwa zum Produkt mithilfe dieser Technologie erhalten.
Je nach Branche ist allerdings der Einsatz von Rezyklaten völlig unterschiedlich. Laut der Studie „Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2021" der Conversio GmbH werden die größten Rezyklatmengen in den Bereichen Landwirtschaft, Bau und Verpackungen eingesetzt. Von insgesamt 5,67 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen – Endverbraucherabfälle und Müll aus Produktion und Verarbeitung – sind 2,62 Millionen Tonnen, also rund 46 Prozent, einer werkstofflichen Verwertung, bei der das Material Kunststoff erhalten bleibt, zugeführt worden. 1,96 Millionen Tonnen wurden letztlich werkstofflich recycelt – nach Abzug der zuvor entstandenen Aufbereitungsverluste. Der Einsatz von Kunststoffrezyklaten in der Verarbeitung von Kunststoffen lag 2021 bei 1,65 Millionen Tonnen, wobei 1,27 Millionen Tonnen Rezyklat aus Endverbraucherabfällen und 0,38 Millionen Tonnen Rezyklat aus Post-Industrial-Abfällen stammte. Das entspricht einem Anteil an der verarbeiteten Kunststoffmenge von 11,7 Prozent.
Wie kann nun die Rezyklatquote gesteigert werden? Nach den Vorschlägen von Prof. Elmar Moritzer führen zwei Lösungsansätze zum Ziel: Die installierte Maschinenkapazität kann zum einen erhöht werden, um so die Recyclingbranche insgesamt zu stärken. Und zum anderen können neue Methoden entwickelt werden, um das Anfallen von technischen Bauteilen zu steigern. „Die Frage ist dabei, wie völlig neue Ansätze entwickelt werden können, um zum Beispiel für technische Kunststoffe eine höhere Recyclingquote zu erzielen", präzisiert Moritzer. Von 8,5 Millionen Tonnen recycelter Kunststoffe in Europa entfallen nur 4,5 Prozent auf die technischen Kunststoffe. Verstärkt zum Einsatz kommen diese in der Automobilproduktion in Form von faserverstärkten Kunststoffen und Polyamidhauben. Aber: Um ein solches neues Feld hochzuziehen, muss erst ein neues technologisches Verfahren entwickelt werden. „In Europa könnte man den einen oder anderen fragen, ob sie sich daran beteiligen wollen", regt der Universitätsprofessor an.
Das Umweltbundesamt räumt auf Nachfrage diese Schwierigkeit ein: Gerade in Anwendungsbereichen, in denen noch sicherheitsrelevante oder hygienische Aspekte zu beachten sind, ist ein Rezyklateinsatz meist schwierig umzusetzen. „Die Medizintechnik gehört hier ganz sicher dazu und auch die Automobilbranche unterliegt hier einigen Hemmnissen beim Einsatz von Rezyklaten", schreibt die oberste Umweltbehörde.
Darüber hinaus können Vorgaben zum Mindestrezyklatgehalt und Selbstverpflichtungen der Industrie wirksame und gute Instrumente sein, um den Rezyklateinsatz zu steigern. Auch ökonomische Instrumente könnten geeignet sein, Anreize für einen gesteigerten Einsatz von Rezyklaten zu setzen, so das Umweltbundesamt. Durch die öffentliche Beschaffung – in diesem Fall durch den Bund – kann zudem eine stärkere Nachfrage nach rezyklathaltigen Produkten ein wirksamer Hebel sein.