Illegale Müllentsorgung ist ein großes Problem – dem sich private Initiativen mit ehrenamtlichen Aufräumaktionen bundesweit immer wieder entgegenstellen.
Da raschelt was im Gebüsch – eine Leitplanke. Das etwa zwei Meter lange Stück einer Straßenbegrenzung ist mit Abstand das größte Müllteil, das die muntere Truppe an jenem Samstagmittag findet. Offensichtlich liegt die Leitplanke schon länger am Straßenrand der L 127 an der Gemeinde im Sulzbach-/Fischbachtal, worauf der ziemlich starke Rostbefall schließen lässt. Zufällig fährt ein Schrotthändler vorbei, und so packen zwei der rund 20 Teilnehmer der Aktion „Sauberes Quierschied" kurzerhand an und laden das Teil in den Sprinter.
„Den haben wir aber nicht bestellt", sagt Stefan Kees lachend. Er ist nicht nur der Naturschutzbeauftragte des namengebenden Gemeindebezirks des etwa 14.000 Einwohner starken Ortes im Saarland, sondern auch treibende Kraft der Initiative. Dabei handelt es sich um eine der zahlreichen Cleanup-Initiativen bundesweit, die dankenswerterweise ihre Freizeit opfern, um den Müll zu entsorgen, den ihre Mitbürger und Mitbürgerinnen unachtsam fallen lassen oder – noch schlimmer – absichtlich und somit illegal entsorgen.
Sechs prall gefüllte Müllsäcke kommen an jenem Mittag im späten Oktober bei dem herrlichen Wetter zusammen. Dafür wurde eine gern genutzte Spazierstrecke am Ortseingang der Gemeinde gewählt. So sorgt man nicht nur für einen sauberen Ort, sondern auch für Aufmerksamkeit bei den Passanten. „Wir gehen mal kontrollieren, ob alles sauber ist", sagt eine Frau scherzhaft, die es schlimm findet, dass so viel wilder Müll zusammengekommen ist. „Genießen Sie den sauberen Weg", ruft Stefan Kees gutgelaunt hinterher.
Ein Bewusstsein für Sauberkeit schaffen
Der Naturschutzbeauftragte war insgesamt fast 20 Jahre für die CDU im Gemeinderat aktiv und bewarb sich 2018 um das Ehrenamt. Seitdem geht er mit offenen Augen durch die (Um-)Welt. Wobei er vor einigen Jahren bereits bei der Jungen Union bei solchen Müllsammelaktionen mithalf. Vor einigen Monaten hob er Sauberes Quierschied aus der Taufe und freut sich, dass er damit auf so viel Resonanz trifft. „Es wächst zwar langsam – aber es wächst", erklärt er. Die Leitplanke gehört mit zu den größten Teilen, die er bislang gefunden hat. „Klassiker" dagegen sind Zigaretten oder Verpackungen von Süßigkeiten.
Was Leute dazu bringt, Müll einfach in die Natur zu schmeißen – wo er teilweise Jahrhunderte braucht, um sich abzubauen –, ist schwer herauszufinden. Im besten Fall ist es Unachtsamkeit, im schlimmsten eine Ignoranz, die der Menschheit insgesamt schadet. Was Menschen antreibt, sich in ihrer Freizeit mit Klemmzangen und Müllsäcken zu bewaffnen, ist einfacher. „Ich will einen sauberen Heimatort", sagt beispielsweise Hans Jürgen Blum. Er hat Stefan Kees vor rund drei Jahren bei der saarlandweiten Sammelaktion „Picobello" kennengelernt und springt seitdem helfend ein.
Im Idealfall helfen solche Cleanups dabei, ein Umdenken anzustoßen. Gutes Beispiel dafür ist Celine Theres. Die gerade erwachsene Helferin gibt unumwunden zu: „Ich habe früher gar nicht so weit gedacht." Da habe auch sie im Bürgerpark oder sonst wo einfach mal Zigarettenstummel hingeworfen. Doch nun sagt sie: „Man wird älter, man macht sich mehr Gedanken."
Nachdem die Aktion nach gut zwei Stunden beendet ist und der muntere Haufen sich auflöst, bedankt sich Stefan Kees herzlich bei allen und sagt, er werde den nächsten Termin früh genug mitteilen. Neben Leitplanken und den üblichen Verpackungen habe er im Laufe der Jahre bereits alles Mögliche aufgesammelt, sagt er. Lkw-Batterien, benutzte Kondome, Autoreifen mit Felgen, Bauschutt … Heute waren auch noch verpackte Essensreste dabei. „Das war ekelerregend", bringt er seine Abscheu auf den Punkt. Die Müllsäcke stellt er an den Straßenrand und versieht sie mit einem „Cleanup"-Zettel, damit der Gemeinde-Bauhof weiß, dass dies das Werk der Freiwilligen ist. Denn es ist sogar schon vorgekommen, dass Bürgerinnen und Bürger ihren Hausmüll einfach dazu gestellt haben.
Respektlosigkeit und Ahnungslosigkeit – ein Problem, dass auch Thomas Venugopal kennt. Der Webseiten-Entwickler und Experte für Online-Marketing ist treibende Kraft der Initiative „Cleanup Stuttgart" und Gründer des Vereins „Cleanup Network", ebenfalls mit Sitz in der Hauptstadt Baden-Württembergs. Auf einer der Müllsammel-Aktionen wurden er und seine Mitstreiter beispielsweise gefragt, ob sie denn Gefängnisinsassen bei einer Strafarbeit seien. „Wieso ist das so unglaublich, die Nachbarschaft sauber zu halten?", fragt er rhetorisch und gibt die passende Antwort: Ob es umgekehrt nicht viel unglaublicher sei?
Das Cleanup-Network sieht er als eine Art Bundesverband, bei dem sich jedes lokale Netzwerk eintragen kann, womit sich die Sichtbarkeit der einzelnen Initiativen erhöhen könne. Man kann sich auf den auf cleanupnetwork.com verlinkten lokalen Seiten im Netz oder auf sozialen Netzwerken schon mal erstinformieren und Kontakt zu Gleichgesinnten vor Ort herstellen. „Man sieht, wo man sich engagieren kann", bringt er es auf den Punkt. Aus allen 16 Bundesländern sind Netzwerke und Initiativen gelistet, sowohl aus kleineren Orten als auch aus den großen Metropolen.
„Im Umweltschutz geht es nicht ohne Humor"
Ihn selbst packte die „Sammel-Wut", als er auf einem viel genutzten Platz in Stuttgart sah, wie Menschen ihr Eis ganz unbehelligt zwischen Dutzenden Mülltüten aßen – eine seltsame Art der Normalität. „Da hat mich der Rappel gepackt", erzählt er. Das war 2018. Danach gründete er Cleanup Stuttgart, das mittlerweile auf beachtliche 800 Teilnehmende angewachsen sei, wobei die Initiative nicht als Verein organisiert ist. Die Zahl der Mitmachenden variiert also. Beim „World Cleanup Day" vor einigen Wochen waren beachtliche rund 120 Leute am Start. Jedenfalls sprang der Funke auch auf die anderen Stadtteile über, und so gibt es nun überall regelmäßig Säuberungsaktionen.
Cleanup Network sieht sich auch als Tippgeber, wie man Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen an einen Tisch zusammenbringen kann, um die Vermüllung unseres Planeten einzudämmen. Ziel sei es, nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Das Network selbst sitzt mit am runden Tisch der Stadt Stuttgart. Auf seiner Internetseite kann man sich auch Tipps und Blog-Einträge anschauen, wie man sich selbst und andere motiviert, in seiner Freizeit auf Mülljagd zu gehen. Dass dies nötig ist, weiß Thomas Venugopal selbst am besten: „Jedes Stück Müll weniger ist gut." Schaue man sich manchen Straßenrand mal etwas genauer an, sei es mitunter, als würde man in einen Abgrund schauen. Dazu komme, dass der Mensch natürlich auch Tieren schade. Viele Igel würden „elendig verhungern", weil sie beim Ausschlecken einer Joghurt-Verpackung mit dem Kopf darin stecken blieben. Und der romantischen Vorstellung von Luftballons, die bis zum Mond fliegen, könne man leicht entgegenhalten, dass diese deutlich öfter in Mägen von Seevögeln landen.
Die Expertise in Sachen Müllvermeidung und Umweltschutz von Thomas Venugopal und seinen Mitstreitern wird auch von Unternehmen wie der Deutschen Bahn geschätzt. Mit dieser arbeiteten sie zusammen und gestalteten den S-Bahnhof in Bad Cannstatt um, indem sie Plakate, Hinweisschilder, Treppenbeklebungen, Bodensticker und mehr anbrachten, um für das Zigarettenstummel-Problem zu sensibilisieren. Auch zu dem „Terra X"-Podcast von Harald Lesch wurde Thomas Venugopal eingeladen. Ob er bei diesen Erfolgen auch Ambitionen habe, sich politisch zu engagieren? „Um Gottes Willen, nein", sagt er lachend. Politik mache immer noch zu viele Fehler, wie etwa schwarzes Plastik nicht zu verbieten, das nicht recycelbar ist. Außerdem dürfe man nie den Spaß an der Sache verlieren. Denn für ihn steht fest: „Im Umweltschutz geht es nicht ohne Humor."