Fisch- und Gemüsefreunde kommen im dritten, Mitte Oktober eröffneten „Sticks’n’Sushi“ in Berlin auf ihre Kosten. Die Karte ist noch grüner und gemüsiger geworden und bietet – nicht nur – an der Torstraße viele neue Gerichte im unkomplizierten und produktzentrierten nordisch-asiatischen Mixed-Style.
Mit dem Aufdruck „Come for a swim“, wellenförmigen Ornamenten und einem Rochen auf dem Cover animiert die Karte vom „Sticks’n’Sushi“ zum Abtauchen in einen „Ocean of Flavour“. Die Neuheiten aus dem Meer machen mit Fotos von einem Hiramasa-Fächer, Jakobsmuschel-Ceviche und einem Keramikblatt mit Lachs Tataki appetitlich auf sich aufmerksam. Doch auch ein Sesam-Blumenkohl auf schwarzem Creme-Untergrund, panierte Kräutersaitlinge oder ein Spinatsalat mit Soja-Sesam führen auf bemerkenswerten Pfaden in den Garten. Es gibt eine Vielzahl von vegetarischen und veganen Gerichten, sodass beim Sushi-Essen die Gemüsefreunde keinesfalls hungrig am Ufer zurückbleiben müssen.
Wie praktisch, dass wir die Karte gleich im neuesten Berliner Zugang der „Sticks’n’Sushi“-Gruppe an der Torstraße probieren können. Das dritte Berliner Restaurant in Mitte eröffnete an der Ecke Bergstraße am 15. Oktober. Vier grau überdachte „Häuschen“ sind in den großen Raum eingezogen: Entrée mit Bar, Küche und zwei Gasträume bilden das Ensemble. „Es entspricht dem japanischen Architekturkonzept, dass jeder Raum aussieht, als wäre er ein eigenes Haus“, erklärt Restaurantmanagerin Eloïse Bernaux-Stockhausen. In der „Sticks’n’Sushi“-Gruppe, die die japanisch-dänischen Brüder Jens und Kim Rahbek und Thor Andersen 1994 in Kopenhagen gründeten, greifen „dänischer Hygge und japanischer Minimalismus“, so die Selbstbeschreibung, ineinander.
Die einzelnen Restaurants haben immer auch mit ihrem Umfeld und der Stadt zu tun: Andreas Murkudis, Designer und Nachbar des ersten, 2017 eröffneten „Sticks’n’Sushi“ an der Potsdamer Straße, gestaltete etwa die SchlaufenLampen über der Bar in der Torstraße. In der Potsdamer Straße dagegen wurde aus dem sehr hohen Raum der ehemaligen „Tagesspiegel“-Druckerei ein Restaurant auf zwei Ebenen. „Und die Küche ist immer offen“, sagt Bernaux-Stockhausen. Ganz gleich, ob in Kopenhagen, London oder Berlin. Die an ihren um den Kopf geschlungenen Bandanas leicht erkennbaren Köche und Köchinnen haben bei ihrer Arbeit nichts vor den Augen der Gäste zu verbergen.
Die Speisekarte ist in allen drei Städten einheitlich. Die Getränkekarte variiert lokal und bietet Raum für Biere wie die von Brło und für deutsche Weine. Die Gerichte wurden bei der Überarbeitung der Karte leicht vereinfacht, um noch bessere und nachhaltigere Produkte direkt beziehen zu können. Der Hiramasa Kingfish kommt nun etwa aus niederländischer Zucht. „Das ist die bessere Form von der Hamachi-Gelbschwanzflossenmakrele“, sagt „Senpai“ Mariella Maracke vom Service. Das Filet wurde mit einer Yuzu-Miso-Sauce flambiert und trägt einen Punkt Yuzu-Koshu, ein Chili-Yuzu-„Pesto“, auf jeder Scheibe. Der Fisch wird in Ponzu-Sauce serviert und schimmert leicht. „Unsere Köche schneiden den Fisch so, dass noch ein bisschen von der Silberhaut daran bleibt. Das muss man richtig lernen. Einer unserer Köche ist darauf spezialisiert.“ Das Ganze geschieht nicht allein aus ästhetischen Gründen, sondern weil die Haut dem Fisch geschmacklich mehr Tiefe verleiht.
Fischhaut verleiht geschmackliche Tiefe
Wir picken uns mit unseren Stäbchen durch einen herausragenden frittierten Blumenkohl, der auf eine schwarze, dicke, cremige Sauce gebettet ist. Die Basis, eine Goma-Sesamsauce, wurde mit Trüffel verfeinert. Sesam knuspert auch auf den Blumenkohlröschen mit. Wir könnten glatt den ganzen Teller leer essen. Doch halt! Japanisches Essen folgt dem Sharing-Prinzip und funktioniert am besten, wenn mehrere Teller geteilt und die insgesamt leichten, frischen und auf besten Produkten basierenden Happen abwechselnd vernascht werden.
Hier wird eine Ebi-Kugel mit Wasabi-Caesar-Dressing genommen, dort eine Scheibe vom Black-Cod-Maki mit in Miso marinierten roten Zwiebeln, Sojasesam und Topinambur-Chips. Erstere ist eine Krabbenkrokette und bekommt durch Anchovis und Parmesan im Dressing-Klecks noch mehr Umami-Wumms. „Das ist kein Kabeljau, das wird gern verwechselt“, erfahren wir von Mariella Maracke. Black Cod – oder auch Kohlenfisch – hat in Japan aufgrund seines weißen, buttrig-schmelzigen Fleisches einen Stammplatz auf den Tellern. Ganz gleich, wer uns das Essen, unseren Yuzu Spritz oder die Wasserkaraffe reicht: Jeder im Service hat alle Infos und Details parat. Sehr angenehm und inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr.
Der kulinarische Begleiter ist von den Ceviche Maki schwer angetan. Rote Zwiebeln, Avocado und Limetten-Marinade haben sich in Sushi-Reis eingerollt. Die einzelnen Scheiben wurden mit Jakobsmuschel, Limetten-Marinade und Koriander getoppt. Eh voilà: Das rohe Meeresgetier, das mit einer ausgeprägt zitrisch-sauren Tigermilch à la Ceviche kalt „gekocht“ ist. Diese Maki-Variante polarisiert, weiß Mariella Maracke: „Manche finden, das sei zu weit weg von Sushi.“ Finden wir nicht. Dem sauer-frisch angemachten Muschelfleisch bekommt der Reis, und auch den obligatorischen Mais haben wir nicht vermisst.
Das ist wohl der dänische Teil des Geschehens – ein unbekümmertes Mixen und Nachempfinden von Aromen und Texturen. Minimalismus und Purismus sind dennoch bestimmend. Ein Shake Tataki vom geflämmten Lachs etwa wird nur mit etwas Daikon-Rettich, streifigem Kizami Wasabi und Ponzu-Sauce serviert. Schnörkel à la Californian Sushi mit vielen Sößchen sind unnötig. Zugegeben, die Chili-Pupillen auf Barbecue-Sauce-Augen auf den „Hell’s-Kitchen“-Maki sind schon ein Hingucker! Eingewickelte Tempura-Garnelen bringen Crunch, ein Thunfisch-Streifen roten Schmelz an die Rolle. Eine sanftere, von Avocado umhüllte Maki Ebi Panko dagegen trägt nur einen Hauch scharfer Sauce in sich. Sie darf in die immer mit ein bisschen Sake verfeinerte Sojasauce eintauchen. „Das macht sie weniger salzig“, erfahren wir.
Glutenfreie und „normale“ Sojasauce
Wir testen parallel eine glutenfreie und eine „normale“ Sojasauce, haben wir doch beide Foodies mit Zöliakie in unserem engen Umfeld. Wir sind zuversichtlich, doch einmal mit unseren Lieben im „Sticks’n’Sushi“ essen gehen zu können. Denn gerade auch die Saucen und vor allem ihre Vorprodukte müssen sicher glutenfrei sein, das Essen kontaminationsfrei zubereitet werden. „Wir stellen alle Saucen zentral in einer eigenen Küche in Dänemark her und wissen so genau, was drin ist“, sagt Eloïse Bernaux-Stockhausen. „Unsere Köche achten darauf, dass immer neue, frisch gespülte Arbeitsplatten und Messer benutzt werden, sodass nichts mit Glutenhaltigem in Kontakt kommt.“ Eine Übersicht über sämtliche Allergene steht als „Stundenplan“ im Netz. Rote Felder markieren: Bei diesem Gericht kann nichts weggelassen oder ersetzt werden – etwa das Tempura-Mehl bei den frittierten Garnelen. Grüne Felder bedeuten: Produkte können weggenommen oder ausgetauscht werden. Wir beobachten, dass eine Familie detailliert die einzelnen Gerichte abfragt, damit der Sohn mit Sesam-Allergie nur für ihn Verträgliches bekommt.
Der Freund kann unbesorgt mit seinen vegan essenden Töchtern einkehren. Das „Sticks’n’Sushi“ hat deutlich jenseits von Standard-Gurke und Avocado Spannendes für sie zu bieten: geräucherte rote Bete mit Rauch-Sauce, „Mamma Mia“-Rollen in Rot und Grün, gegrillten Brokkoli mit spicy Sesamsauce oder Grillspießchen mit Topinambur oder Süßkartoffel etwa. Und die in Dänemark besonders beliebten Kinoko Katsu – in Panko ausgebackene Kräutersaitlinge mit Limetten-Chili-Dip.
Manchmal ergibt sich ein veganes Gericht sogar aus ganz anderen Gründen: Nasu Aburi Nigiri sind lange Doppelbissen-Streifen aus gegrillter Aubergine, die mit grüner Chili und Yuzu gewürzt wurde. Sie sollen Aroma und Textur von Aal nachempfinden. „Den haben wir nicht auf der Karte, weil er nicht nachhaltig ist“, sagt Mariella Maracke. Tatsächlich war es selten so einfach, sich seine Teller frei zusammenzustellen oder größere und kleinere vorkonfektionierte Auswahlen zu bestellen. Für Wagyu- und Kaviar-Freunde ist ebenso viel im Angebot wie für Fisch- und Gemüse-Liebhaber. Schön und schmackhaft ist alles.
Auch dafür hält die Karte eine japanisch-dänische Lebensweisheit der Gründer-Brüder parat: „Unser japanisches Erbe lehrte uns: Iss mit deinen Augen. Unsere dänische DNA gab uns mit auf den Weg: Kümmer dich immer darum, dass genug Bier da ist.“ Für beides ist zweifellos gleichermaßen gut gesorgt im „Sticks’n’Sushi“.