Ganz ohne Papier kommen Verwaltungen immer noch nicht aus. Doch dass Städte, Landkreise und Hochschulen sich durchaus anstrengen, ihren Verbrauch zu senken und Recyclingpapier zu verwenden, zeigt der „Papieratlas 2022“. Jedes Jahr werden besonders vorbildliche Verwaltungen prämiert.
Die öffentliche Verwaltung steht nicht gerade im Ruf, ein Musterbeispiel für Umweltschutz und Ressourcenschonung zu sein. Vor allem, wenn man sich den Papierverbrauch in den Kommunen näher ansieht, scheint die papierlose, digitale Verwaltung noch in weiter Ferne. Wie der „Papieratlas 2022“ dokumentiert, verbrauchten im vorigen Jahr die 102 teilnehmenden Groß- und Mittelstädte zusammengezählt 2.846.063.296 DIN-A4-Blatt oder 14.230,32 Tonnen Papier. Der Papieratlas der Initiative „Pro Recyclingpapier“ möchte unter anderem das ökologische Engagement von Städten, Landkreisen und Hochschulen publik machen, auf den Nutzen von Recyclingpapier mit dem „Blaue-Engel-Siegel“ aufmerksam machen und Anreize zur Umstellung schaffen.
Im Vergleich zu nicht recycelbarem Frischfaserpapier spart Recyclingpapier im gesamten Produktionsprozess im Schnitt 78 Prozent Wasser, 68 Prozent Energie und 15 Prozent CO2-Emissionen, wie das Umweltbundesamt in einer Bilanz vorrechnet. Zudem leistet das umweltfreundliche Papier einen Beitrag dazu, dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Papierfasern für das Blauer-Engel-Kopierpapier bestehen zu 100 Prozent aus Altpapier, die Fasern können bis zu sechsmal wiederverwertet werden.
Recyclingpapier mit Blauer-Engel-Siegel
Laut aktuellem Papieratlas erzielten die 102 Teilnehmerstädte mit einer 93,6-Prozent-Recyclingpapierquote einen neuen Rekord. Übertroffen werden die Recyclingpapierquoten nur von Berlin, Hamburg und München. In diesem Jahr ist die Stadt Nürnberg zur „recyclingpapierfreundlichsten Stadt“ prämiert worden. Mit einer 100-Prozent-Recyclingpapierquote und den meisten Sonderpunkten erreicht sie in der Auswertung den ersten Platz – vor Hameln und Mönchengladbach. Seit 2009 beschafft die größte Stadt Frankens ausschließlich das mit dem Blauen Engel zertifizierte Recyclingpapier. Die Stadtverwaltung möchte mit der Verwendung von zertifiziertem Recyclingpapier „einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leisten“. Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König nutzt sowohl für die interne als auch die externe Korrespondenz ausschließlich das Blauer-Engel-Papier. „Das war auch eine Anforderung im Rahmen der Abfrage zum Papieratlas, um Zusatzpunkte zu erhalten und damit überhaupt Chancen auf einen der ersten Plätze zu bekommen“, heißt es auf Anfrage.
Nach Auskunft der Stadtverwaltung hat sich ein Einspareffekt in allen Bereichen ergeben: Kam die Stadt Nürnberg im Jahr 2012 noch auf einen Jahresverbrauch von 69 Millionen Blatt, waren es 2019 nur noch 47 Millionen Blatt Papier. Im vorigen Jahr konnte die Kommune ihren Verbrauch erneut reduzieren – da zählte man 39 Millionen Blatt A4-Papier. Um den immer noch hohen Papierbedarf weiter zu reduzieren, setzt man auf eine „zügige Umsetzung und Einführung digitaler Prozesse“. Außerdem sollte „eine Sensibilisierung aller Beschäftigten über den sparsamen Umgang mit der Ressource Papier“ erfolgen.
Die Stadt Essen ist als „Mehrfachsieger“ ausgezeichnet worden, da sie sich in der Vergangenheit mehrfach „recyclingpapierfreundlichste Stadt“ nennen durfte. „Bereits seit 2009, und damit zum 14. Mal, wird die Stadt Essen vom Papieratlas mit der Auszeichnung ‚Recyclingpapierfreundlichste Stadt‘ gewürdigt. Bei uns als Stadtverwaltung wird seit mehr als 40 Jahren recyclingfreundliches Papier mit dem Siegel Blauer Engel genutzt. Dieses Siegel steht für höchste ökologische Anforderungen und beste Qualität. Die Verwendung von Recyclingpapier ist eine besonders einfache und effektive Maßnahme, um Ressourcen zu schützen“, sagt der Essener OB Thomas Kufen.
Seit Ende der 90er-Jahre hat sich der Papierverbrauch verändert. Zum Beispiel wurden bedruckte Formulare nicht mehr vorgehalten und durch digitale Dokumente ersetzt. Im Laufe der Jahre verringerte sich der Papierbedarf beispielsweise durch Digitalisierung und E-Mails um circa 15 Prozent. In Zukunft könne durch die voranschreitende Digitalisierung ein erheblicher Teil an Papier eingespart werden, sagt Pressereferentin Maike Papenfuß. Die Stadt Essen hat vor längerer Zeit mit vier weiteren Städten einen interkommunalen Einkaufsverbund gegründet, über den auch gemeinsam Recyclingpapier beschafft wurde. Doch aktuell pausiere die gemeinsame Beschaffung von Recyclingpapier aufgrund der unruhigen Marktsituation, erklärt Papenfuß.
Zwar konnten die 75 teilnehmenden Landkreise mit einer Durchschnittsquote von 84,6 Prozent ihren Recyclingpapieranteil steigern, doch fallen sie gegenüber den Städten etwas zurück. Dass es manchmal die Initiative von Einzelnen braucht, um etwas zu bewegen, zeigt unter anderem der Landkreis Paderborn, der im aktuellen Papieratlas als „Mehrfachsieger“ ausgezeichnet wurde. Der frühere Landrat Manfred Müller hat den Umstieg auf Recyclingpapier angestoßen. Und der amtierende Landrat Christoph Rüther setzt ebenfalls auf darauf, da ihm der Beitrag des Kreises Paderborn zum Klimaschutz ein wichtiges Anliegen ist. Der Büroverbrauch in der Verwaltung und in den kreiseigenen Schulen konnte von 5,28 Millionen Blatt im Jahr 2017 auf 4,8 Millionen Blatt im vorigen Jahr gesenkt werden. Seit der Einführung von neuen Multifunktionsgeräten legte die Kreisverwaltung den beidseitigen Druck als Standardeinstellung fest. Wegen der zunehmenden Digitalisierung erwartet man einen weiter sinkenden Papierverbrauch.
Effizientester Weg, Ressourcen zu sparen
Noch nicht ganz so weit mit der Umstellung auf umweltfreundliches Papier sind die Hochschulen hierzulande, die laut aktuellem Papieratlas im Schnitt 79,2 Prozent Blauer-Engel-Papier verwenden. 50 Universitäten und Fachhochschulen beteiligten sich dieses Jahr. Unter den teilnehmenden Hochschulen ragt das Engagement der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen in Sachen Recyclingpapier besonders heraus. Die HfWU nimmt seit 2018 an dem Wettbewerb teil. Mit der Verwendung von Recyclingpapier habe sie in den vergangenen Jahren fast drei Millionen Liter Wasser und rund 600.000 Kilowattstunden Energie eingespart, sagt Pressesprecher Udo Renner. Die Hochschule setzt eigenen Angaben zufolge seit vielen Jahren auf den Einsatz von Recyclingpapier und reduziert auch dessen Verbrauch stetig. In den zurückliegenden Jahren konnte die Hochschulverwaltung den Papierverbrauch stark senken und in diesem Jahr trotz Rückkehr in die Präsenzlehre auf niedrigem Niveau halten. Das Ziel der Hochschule sei es, den Papierverbrauch weiter zu reduzieren, denn das sei der effizienteste Weg, Ressourcen zu sparen.
Wie und ob die Städte, Kreise und Hochschulen prämiert werden, hängt letztlich von ihrem besonderen Engagement ab. Die Kandidaten müssen sich einer zweiteiligen Bewertung unterziehen: Zunächst werden die Angaben zum Papierverbrauch und Recyclingpapieranteil in den Blick genommen. Je höher der Anteil des Blauer-Engel-Papiers ist, desto höher werden die Teilnehmer im Ranking platziert. Erreichen die Wettbewerber im ersten Schritt der Bewertung gleich hohe Quoten, werden für die Endplatzierung die Sonderpunkte hinzugezählt. Diese werden für zweierlei vergeben: zum einen für die Recyclingpapierquoten in Schulen und der Hausdruckerei beziehungsweise bei den Hochschulen für die Quoten in den Fakultäten, im Druck- und Kopierservice und in der Hausdruckerei; zum anderen, wenn Stadt, Kreis und Hochschule über die Verwaltungsebene hinaus den Einsatz des Recyclingpapiers gezielt fördern.
Mit jedem Platt Papier, das gespart wird, können Bäume als wichtige Ressource für das Klima geschont werden. Denn diese binden CO2, was mit Blick auf die globale Erderwärmung dringend notwendig ist. Papiersparen ist eine einfache Maßnahme, mit der alle in ihrem Alltag beginnen können.