Das Saarland arbeitet mit Hochdruck daran, angemessene Unterbringungsmöglichkeiten für die große Zahl von Flüchtlingen in diesem Jahr zu schaffen. FORUM hat sich mit Innenminister Reinhold Jost in der Landesaufnahmestelle in Lebach verabredet, um über die aktuelle Situation zu reden.
An diesem trüben, verregneten Novembertag geht nur auf die Straße, wer unbedingt muss. Der Betrieb zwischen den alten Häusern in der Landesaufnahmestelle Lebach ist überschaubar. Ein kleines Mädchen mit Fahrrad auf der Straße hat ziemlich freie Bahn. Ganz anders sieht es einen Steinwurf weiter aus. Der Boden ist aufgewühlt von schweren Baustellenfahrzeugen, Arbeiter in Regencapes bevölkern die Baustelle. Am Rand der Aufnahmestelle wird mit Hochdruck gearbeitet.
Innenminister Reinhold Jost verschafft sich einen Eindruck vom Fortschritt. Wir sind in einem – noch leeren – Großzelt, regengeschützt, zum Gespräch verabredet. Ziemlich genau an der Stelle, wo Josts Vorgänger vor acht Jahren während des Höhepunkts der damaligen Flüchtlingsankünfte Quartier bezogen hatte.
Land heute besser vorbereitet
Auch jetzt sind die Kapazitäten, wie damals, ausgeschöpft, am Limit, eigentlich sogar schon drüber, aber das Land ist besser vorbereitet, erläutert Jost: „Mein Vorgänger Klaus Bouillon hat, wie ich finde, in den zurückliegenden Jahren bereits Großartiges geleistet und auf den Weg gebracht. Darauf kann ich aufbauen. Zurzeit sind wir dabei, hier für 400 Leute Raum zu schaffen, und das auf höchstem energetischen Niveau, was auch hilft, Geld zu sparen. Die Bauarbeiten gehen dann weiter, mit der Ertüchtigung der anderen Häuser.“ Das gilt nicht nur für die Flüchtlinge, betont Jost, „sondern auch, sage ich mal, für die Herbergsväter und -mütter, die unter deutlich verbesserungswürdigen Umständen untergebracht sind“. Gemeint sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Ausländerbehörde, „die hier am Standort ausgezeichnet zusammenarbeiten und ebenfalls vernünftig untergebracht sein müssen“.
Die Landesaufnahmestelle, mit aktuell über 1.350 Flüchtlingen längst über der Kapazität von gut 1.000, ist eine große Baustelle. Aber auch andernorts werden Unterbringungsmöglichkeiten aktiviert. „Wir wollen den Kommunen helfen, unabhängig davon, ob wir rechtlich dazu verpflichtet sind oder nicht. Wir fühlen uns in einer gemeinsamen Verantwortung. Deshalb wollen wir mit Einfachsthotelkapazitäten in einer Größenordnung von 150 und einem Containerdorf auf dem Standort der ehemaligen Grube Ensdorf in einer Größenordnung von 300 Überlaufkapazitäten organisieren. Das hilft den Kommunen, zeitverzögert durchzuatmen. Gleichzeitig sind wir dabei, uns angebotene Liegenschaften den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Uns als Land nutzen eher Kapazitäten von einmal einhundert als zehnmal zehn. Für die Kommunen sieht es umgekehrt aus.“
In der Perspektive für die kommenden Wintermonate geht der Minister davon aus, dass die Herausforderungen eher noch steigen könnten: „Das ist abhängig von mehreren Faktoren. Zum einen, wie der Krieg in der Ukraine weitergeht. Ich habe das Gefühl, dass Russland und Putin alles darauf anlegen, die Menschen aus dem Land zu treiben, gezielt Infrastruktur zerbomben, um die Menschen in einen kalten und dunklen Winter zu treiben. Damit sollen auch neue Fluchtbewegungen ausgelöst werden. Zum anderen der Balkan: Wir haben den Eindruck, dass die Balkanrouten wieder stärker in Anspruch genommen werden, damit kommen auch wieder mehr Menschen.“ Deshalb heißt es aus seiner Sicht für den Bund wie für das Land: „Vorsorge treffen, dass Dinge wie 2015/2016 nicht notwendig werden, also Gemeinschaftshäuser, Sporthallen, Kulturhallen, Turnhallen nutzen zu müssen, um Menschen unterzubringen. Das führt automatisch zu Problemen. Vor allem, weil die Vereine und Nutzer schon in der Pandemie darunter gelitten haben, dass ihnen die Hallen nicht zur Verfügung standen. Deshalb tun wir alles, um die Belegung solcher Hallen zu vermeiden. Wir aktivieren zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten und Liegenschaften, um mit Blick auf das kommende Jahr unsere Kapazitäten in der Aufnahmestelle von 1.000 auf 2.000 fast zu verdoppeln. Das hilft den Kommunen, das hilft vor allem den Menschen, die zu uns kommen, sie zu vernünftigen Bedingungen unterzubringen“.
Unterbringung in Hallen vermeiden
Die anfängliche große Bereitschaft, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, hat mit der Dauer des Krieges und den Folgen, die hierzulande mit steigenden Energiepreisen immer spürbarer wurden, nachgelassen. Reinhold Jost beschreibt die Lage als „ambivalent: Es gibt immer noch eine große Anzahl von Menschen, die sich zur Verfügung stellen und helfen. Wir haben unglaublich hohes Engagement in den Städten und Gemeinden, wenn es darum geht, Menschen unterzubringen. Die Bereitschaft, leerstehenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, hat abgenommen. Nicht überall, aber dort, wo es der Fall ist, wollen wir den Menschen noch klarmachen, dass sie ein relativ geringes Risiko eingehen, weil der Staat als Vermieter auftritt. Wir wollen auch mit einem zusätzlichen Wohnraumaktivierungsprogramm Privatpersonen Hilfen geben, wenn sie erst einmal Wohnraum instand setzen müssen.“
Klar sei aber auch: „Wir sind den Kommunen sehr dankbar, was sie leisten, aber sie müssen auch wissen, dass wir als Land nicht unbegrenzt leistungsfähig sind.“
Es bleibt eine große Herausforderung für alle. Der Minister ist jedenfalls überzeugt, dass dabei das Saarland wie auch schon in der Vergangenheit seine besonders große Bereitschaft zeigt, zu helfen, wenn es darauf ankommt.