Die Demokraten haben ihre hauchdünne Mehrheit im Senat verteidigen können, die Republikaner gewinnen die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Für US-Präsident Joe Biden beginnen nun schwierige Zeiten.
Kaum stand nach tagelangen Auszählungen fest, dass das Repräsentantenhaus unter republikanischer Führung steht, heißt es für die Partei: Zeit, es den Demokraten heimzuzahlen. Ganz oben auf der Agenda der Partei stehen nicht etwa die Wahlkampfthemen Inflation und Sicherheit. Der nun von Republikanern geleitete Justizausschuss will so schnell wie möglich Ermittlungen gegen Hunter Biden, den Sohn des Präsidenten, aufnehmen – und beweisen, dass die Familie widerrechtlich von Auslandsgeschäften profitiert. Nach Angaben von James Comer, Abgeordneter aus Kentucky, gäbe es „Whistleblower“, deren Aussagen eine erneute Untersuchung von Hunter Bidens Laptop und den geschäftlichen Verbindungen der „kriminellen Biden-Familie“ – so der offizielle Twitter-Account der Republikaner im Repräsentantenhaus – rechtfertigten.
Das Ziel: Biden beschädigen
Bei der Causa Biden handelt es sich um ein Narrativ, das mit Donald Trump salonfähig wurde. Hunter Biden steht seit 2018 unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung. Seine Geschäfte und Beratungstätigkeiten in China und der Ukraine, für die Energie-Holding Burisma, fielen zeitlich mit der Vizepräsidentschaft seines Vaters unter Präsident Obama zusammen. Biden senior war damals für die Ukraine-Politik der USA zuständig. Ein Geschmäckle, das die Republikaner für sich ausschlachten: Trump versuchte schon im Vorfeld der Wahl 2020, Druck auf die Ukraine auszuüben, damit sie Untersuchungen gegen die Biden-Familie unterstützt. Den Fall wollen die Republikaner im Repräsentantenhaus nun aufrollen und klären, ob der amtierende Präsident ein „Sicherheitsrisiko für Amerika“ darstelle, so Comer in einer Presseerklärung.
Außerdem könnte die Partei versuchen, ein Gegen-Narrativ zu den Krawallen rund um das US-Kapitol am 6. Januar 2020 zu schaffen. Die Trump-Anhängerin und Rechtsaußen-Abgeordnete Marjorie Taylor Greene etwa kündigte an, sie wolle die Rolle der scheidenden Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi an diesem Tag unter die Lupe nehmen. Die mächtige Demokratin Pelosi gilt als Hassfigur der rechtspopulistischen „Maga“-Republikaner („Make America great again“). Außerdem wollen die Republikaner untersuchen, inwieweit die Regierung als „Menschenschlepper-Organisation“ fungiert – wegen der weniger drakonischen Flüchtlingspolitik steht der demokratische Minister für Heimatschutz, Alejandro Mayorkas, auf der Abschussliste der Republikaner.
Das Weiße Haus ließ dagegen verlauten, die Untersuchungen seien „politisch motiviert“. Intern bereitet man sich bereits auf zermürbende Abwehrschlachten vor, berichten US-Medien wie CNN.
Nun, da Donald Trump seine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt verkündet hat, scheint es darum zu gehen, bei den Demokraten und ihrem Präsidenten möglichst viel Schaden anzurichten. Doch hat Trump überhaupt noch genügend Hausmacht, um sich als Kandidat der Republikaner durchzusetzen? Die zum Medienimperium Rupert Murdochs gehörende, sonst sehr Trump-freundliche „New York Post“ titelte im Vorfeld von Trumps Pressekonferenz in seinem Resort Mar-a-Lago: „Mann aus Florida macht Ankündigung“. Viel despektierlicher geht es kaum. Denn trotz Trumps wie immer vollmundiger Ankündigungspolitik blieb die von den Republikanern erhoffte „rote Welle“ aus, die sie in Senat und Repräsentantenhaus an die Macht spülen sollte. Stattdessen mussten sie lange um die Mehrheit im Repräsentantenhaus zittern, der Senat bleibt mithilfe der Stimme der Vizepräsidentin in demokratischer Hand, eine Stichwahl in Georgia könnte den Vorsprung sogar um einen Sitz ausbauen.
Statt Trump, der selbst mit einer ganzen Reihe von Prozessen gegen ihn konfrontiert ist, könnte ein anderer von dessen wachsender Unpopularität in der Partei profitieren: Ron DeSantis, der einen Erdrutschsieg bei den Gouverneurswahlen einfuhr und sich in TV-Werbespots als „Krieger Gottes“ glorifizieren lässt. Er gilt als „Trump mit Hirn“, der mit seiner republikanischen Mehrheit den Bundesstaat Florida erzkonservativ umbaut. So dürfen sich Lehrerinnen und Lehrer in Floridas Schulen nicht mehr zu den Themen Rassismus, Gleichberechtigung und Diversität äußern, der Rechtsstreit dazu dauert noch an. DeSantis hat seine Kandidatur noch nicht offiziell gemacht. Zu einer von Trumps Veranstaltungen in Florida, die der Ex-Präsident landauf, landab praktisch seit seinem ersten Wahlkampf 2016 abhält, war DeSantis nicht eingeladen. Beide halten Distanz zueinander. Doch seit Trump das Kandidatenfeld durch seine frühzeitige Kandidatur rasch ausdünnen will, attackiert er auch DeSantis in seinem eigenen sozialen Netzwerk „Truth Social“ nun offen, persönlich verletzend und von oben herab, wie bei Trump üblich. DeSantis lässt dies an sich abperlen, wie ein Kämpfer eben, der einsteckt und auf seine Chance wartet. Laut Umfragen der „New York Times“ besitzt Trump nach wie vor eine Basis, die ihn fast messianisch verehrt – deshalb bleibt er nicht zu unterschätzen.
Zugeständnisse an die extreme Rechte
Ob Joe Biden und Donald Trump 2024 erneut aufeinander treffen, steht also in den Sternen. Biden selbst will erst im kommenden Monat entscheiden, ob er erneut antritt. Bis dahin aber liegt noch einiges vor ihm. Bereits vor dem Verlust des Repräsentantenhauses taten sich die Demokraten schwer, ihre legislative Agenda voranzutreiben. Vor allem die konservativen demokratischen Kräfte im Senat, Joe Manchin und Kyrsten Sinema, zerschlugen die Hoffnungen auf einen großen Wurf. Stattdessen fuhr Biden kleinere Siege ein, vor allem bei der Erneuerung der US-Infrastruktur, beim Klimaschutz, in der Gesundheitspolitik und der Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen. Dazu gehört auch ein Schuldenerlass für Studenten, der jedoch von einem konservativen Richter blockiert wurde. Dass dieser Schuldenerlass nun in geänderter Form doch noch kommen könnte, ist mit der republikanischen Mehrheit so gut wie unmöglich.
Denn diese Form der „geteilten Regierung“ zwischen den beiden Parteien würde Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg erfordern – dem Repräsentantenhaus gebührt das Haushaltsrecht der Regierung. Der etwa 40 Abgeordnete starke Rechtsaußen-Flügel der Republikaner dürfte aber davon vieles verhindern – denn um überhaupt gewählt zu werden, braucht der neue Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, auch die Stimmen der Ultra-Rechten. Ihnen wird er Zugeständnisse machen müssen. Eine Erhöhung des Schuldenlimits der USA, mehr Geld für die Ukraine, vieles könnte in Zukunft an den unversöhnlichen Stimmen einer Minderheit im Kongress scheitern. Allzu viel Konstruktives darf also in den beiden kommenden Jahren innenpolitisch nicht erwartet werden. Dem Ansehen der Regierung und dem ohnehin in Umfragen wenig beliebten Präsidenten werden diese Jahre innenpolitischer Lähmung weiter schaden.