Obgleich Ergebnisse von Klimagipfeln meist umstritten sind, ergab der jüngste eine Art Klimaversicherung für betroffene Staaten. Das ist auch für Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), wichtig.
Frau Knopf, wirklich Greifbares ist auf der Klimakonferenz COP27 wieder nicht rausgekommen. Macht so ein Format überhaupt noch Sinn?
Auf jeden Fall, denn die Staaten, die sich dort zusammenfinden, müssen auf der Klimakonferenz Farbe bekennen, müssen öffentlich Zeugnis ablegen, was sie in den vergangenen zwölf Monaten für den Klimaschutz getan haben. Allein dieser Umstand ist wichtig. In den zwei Wochen des Zusammentreffens steht der Klimaschutz weltweit wieder im Vordergrund, die internationalen Medien berichten davon. Staaten, die sonst nie gehört werden, bekommen hier eine Plattform, um ihre Probleme mit dem Klimawandel zu schildern, öffentlich zu dokumentieren. Allein darum ist so eine Weltklimakonferenz wichtig.
Die Klimafrage wird eng mit der Frage um globale Gerechtigkeit verknüpft.
Das ist ja in Scharm El-Scheich ganz deutlich geworden. Wir Industrienationen verantworten den Hauptteil der Klimaschäden durch unsere Emissionen in den letzten zwei Jahrhunderten, und die Länder des globalen Südens sind die Leidtragenden. Dort entstehen die größten Schäden, obwohl diese Staaten kaum einen Anteil an den Klimakillern haben. Darum ist es richtig, dass nun darüber nachgedacht wird, wie die Verursacher dieser drohenden Klimakatastrophe nicht nur ihren Ausstoß massiv verringern, sondern auch für die Klimafolgeschäden aufkommen. Darum braucht es eine internationale Klima-Versicherung, die jetzt bei der COP27 auf den Weg gebracht wurde.
Dagegen spricht aber der Umstand, dass Deutschland zum Beispiel in Afrika Staaten mit erheblichen finanziellen Mitteln ermuntert, mehr Gas zu fördern.
Das ist schon ein Dilemma, in dem wir da stecken. Ich beneide die Bundesregierung nicht bei der Aufhebung dieses Widerspruchs. Zum einen darf die Wirtschaft nicht völlig den Bach runtergehen, weil Energie nicht mehr bezahlbar ist. Darum brauchen wir die nächsten zwei, drei Jahre Gas als Überbrückung. Das Problem ist tatsächlich, dass wir anderen Ländern signalisieren: Exploriert weiter Gas und Öl, weil wir es brauchen. Nun werden sich diese Länder auf so kurzfristige Lieferverträge nicht einlassen, für die sie ja jetzt erstmal die ganze Infrastruktur aufbauen müssen. Damit machen wir uns dann aber auf lange Sicht wieder abhängig von fossilen Energieträgern. Wenn diese neuen Energie-Lieferketten erstmal stehen, könnte das wiederum dazu führen, dass die Bestrebungen hier bei uns, weg von den Fossilen zu kommen, erlahmen könnten. Wie gesagt, es ist ein Dilemma.
Deutschland ist aber auch massiv in das Geschäft mit Flüssiggas eingestiegen. Das erste mobile LNG-Terminal hat in Wilhelmshaven angedockt, das zweite folgt vor Weihnachten. Ein weiterer Widerspruch?
Auch hier gilt das, was ich gerade schon zur Erschließung von neuen Gas- und Ölfeldern gesagt habe. Wir müssen unsere Energieversorgung umstellen. Ein idealer Weg wäre, dies langfristig zu machen, doch dieser Weg ist uns aufgrund des Ukrainekrieges total verbaut worden. So ein Prozess geht nicht von jetzt auf sofort. Darum führt kurzfristig – leider, aus Klimaschutzsicht – der Weg auch an LNG nicht vorbei. Meine Hoffnung ist, dass man diese Terminals Wasserstoff-ready macht. Wobei es da momentan noch Probleme gibt. Aber ich bin sicher, dass die Aufgabe auch in den kommenden Jahren gelöst wird. Man darf immer nicht vergessen, dass das, was hier gerade geschieht, zwar technisch nicht absolutes Neuland ist, aber in dieser Dimension hat sich diese Aufgabe noch nie gestellt, und die müssen wir jetzt lösen.
Bisher sprechen wir nur über die Beibehaltung des Status quo des Energieverbrauchs, doch eigentlich geht es doch jetzt um weniger Verbrauch, also „weniger ist mehr“?
Naja, die Bürgerinnen und Bürger sparen ja schon zum Beispiel an Gas, der private Verbrauch ist ja tatsächlich runtergegangen, soweit ich die Zahlen kenne, zwischen 20 und 30 Prozent. Also die Botschaft, wenn man ein Grad in seiner Wohnung runterdreht, spart das um die sechs Prozent der Energiekosten, ist schon angekommen. Das Bewusstsein in weiten Teilen der Bevölkerung ist da. Und die Gaskommission hat ja da auch ein paar sinnvolle Vorschläge gemacht, wie dieses Bewusstsein weiter geschärft werden kann …
Zum Beispiel?
… wenn die Menschen tatsächlich sozusagen in Realtime zu Hause sehen, wie ihr Gas- oder auch Stromverbrauch runtergeht, wenn sie bestimmte Sparvorgaben einhalten. Also wenn ich weniger dusche, dann spare ich die und die Menge, wenn ich die Heizung runterdrehe, dann verbrauche ich diese Menge weniger. Doch da muss der Verbraucher auch immer die Information vor Ort haben. Die meisten von uns bekommen einmal im Jahr ihre Abrechnung und sind dann erstaunt. Würden sie beispielsweise diese Abrechnung monatlich bekommen, könnten sie den Erfolg ihres aktuellen Verhaltens nachvollziehen. Das heißt nicht, dass nun monatlich ein Brief ihres Versorgers eingehen muss, das geht über intelligente Strom- oder Gaszähler ganz automatisch. Das wäre ein klarer Motivationsschub für die Verbraucher, damit würde der Anreiz zum Energiesparen auf jeden Fall steigen. Das ergeben auch unsere Forschungen.
Das heißt umgekehrt, die Gas- und Strompreisbremse ist für den Klimaschutz völlig kontraproduktiv, nach dem Motto: Ich kann verbrauchen, was ich will, der Staat zahlt alles ab einer bestimmten Grenze?
Das ist dann im Privaten auch wieder so ein Widerspruch, der nur schwer zu lösen ist. Da geht es um die soziale Frage. Die Menschen sind nach dem Gaspreis- und daraus resultierend Strompreisschock völlig verunsichert. Darum wäre es sinnvoller gewesen, die CO2-Besteuerung konsequenter umzusetzen, als dies geschehen ist. Die Menschen hätten schon vor Jahren die Möglichkeit gehabt, sich auf Preissteigerungen bei der Energie einzustellen. Sie hätten gewusst, eine Kilowattstunde Gas und oder Strom kostet mich 2030 so und so viel. Jetzt ad hoc mit dem Doppel-Wumms die Preise in dieser Energiekrise zu deckeln, ist kein wirklicher Anreiz, tatsächlich sein eigenes Verbrauchsverhalten umzustellen. Vielleicht ein bisschen, aber eben nicht in der Form, wie es nötig wäre. Es ist eben auch immer eine Frage der Kommunikation, bei der in den vergangenen Jahren Fehler gemacht wurden.
Resultierend aus Ihren Antworten: Ist unser Wohlstand denn überhaupt mit Energie- und Klimawende vereinbar?
Wohlstandsabbau bei uns zugunsten des Klimaschutzes in der Welt wird ganz schwierig für die hiesige Politik umzusetzen. Mit massiv steigenden Preisen, Abstrichen in den Sozialsystemen oder Verwerfungen in der Wirtschaft werden Politiker die Menschen bei uns kaum für den Klimaschutz begeistern können. Ich glaube an den technischen Fortschritt und die daraus resultierenden Möglichkeiten, unseren Wohlstand klimaneutral gestalten zu können. Gleichzeitig sehe ich eine Chance in den Ländern des globalen Südens, an dieser Transformation durch die alternative Energiegewinnung in der Zukunft am Wohlstand teilzuhaben.