Den Freunden von Amateurtheater auf professionellem Niveau ist das Sulzbacher Kellertheater schon lange ein Begriff. Nun bringt das Ensemble einen waschechten Krimi auf die Bühne. Die Gründungsmitglieder Leo Klein und Markus Wantz sowie Regisseur Enrico Tinebra bringen dabei zusammen 100 Jahre aufs Parkett.
Nach dem Vorhang ist vor dem Vorhang – so lässt sich das Jahr 2022 für das Sulzbacher Kellertheater ganz gut zusammenfassen. Gerade erst ein knappes halbes Jahr ist es her, dass die letzte Produktion „Das Streichquartett“ im wahrsten Sinne über die Bühne ging, da nimmt das Ensemble bereits die nächste heiße Spur auf: „Jerry Cotton jagt den New York Ripper“ heißt der Krimi, den die Sulzbacher ab dem 25. November auf die Bühne bringen. Wie seit vielen Jahren mit dabei sind die beiden Gründungsmitglieder Leo Klein und Markus Wantz sowie Regisseur Enrico Tinebra.
Markus Wantz, Jahrgang 1964, war bei jeder Produktion dabei: ob als Willy Loman im Drama „Tod eines Handlungsreisenden“, als Richter Wucht in „Die Panne“ oder als Sprachtherapeut Lionel Logue in der biografischen Tragikomödie „The King’s Speech“. Das Repertoire an Rollen und Stücken, das das Kellertheater umsetzt, kann sich sehen lassen. „Da ist es schwer, eine Lieblingsrolle zu finden“, so Markus Wantz. Einige von Leo Kleins, Jahrgang 1962, favorisierten Rollen umfassen Kleinman in Woody Allens „Tod“, die des Verlegers Pierre Brochant in „Dinner für Spinner“ und Jonathan Brewster in „Arsen und Spitzenhäubchen“.
Das Repertoire kann sich sehen lassen
Eine richtige Lieblingsrolle hat Enrico Tinebra, Jahrgang 1969, nicht – obwohl er bereits einige interessante und prestigeträchtige Charaktere dargestellt hat. Den „Stumm“ beispielsweise im gleichnamigen Stück des Musical-Projektes Neunkirchen 2009 und 2010. Der Mann kann also auch singen, Tenor um genau zu sein. „Heute vielleicht eher Bariton“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Gerade vor wenigen Wochen hat er mit seiner Band 4Rocks sein Bühnen-Comeback gegeben. Das Quintett ist mit Coversongs von unter anderem Status Quo, Kings of Leon und Emerson, Lake and Palmer unterwegs. Privat spielt er auch ein wenig Gitarre, aber „für eine Band reicht es nicht“, gibt er unumwunden zu.
Die Lebenswege der drei haben sich vor genau 20 Jahren zusammengefügt. Da hatten Leo Klein und Markus Wantz bereits zwei Jahrzehnte Kellertheater auf dem Buckel – und gerade eine theater-interne Krise zu bewältigen. Jedenfalls gab es noch eine offene Rolle zu besetzen. Da dachte Leo Klein an Enrico Tinebra zurück, den er kannte und besuchte ein Stück bei Thunis, der deutschsprachigen Theatergruppe der Universität des Saarlandes, in dem dieser mitspielte. Klein spielte jedoch nicht mit. „Für mich gibt es nur das Kellertheater“, sagt er. Wie es dann immer so läuft, landete jedenfalls die Rolle, die Tinebra in „Ein mörderischer Unfall“ spielen sollte, doch bei jemand anderem – und so übernahm er kurzerhand die Regie.
Regisseur zweimal selbst auf der Bühne
Selbst gespielt hat der jetzige Regisseur des Ensembles auf der Bühne der Salzstadt nur zweimal, einmal bei „Die Sunny Boys“ nach Neil Simon und einmal bei „Arsen und Spitzenhäubchen“, dort allerdings nur in einem kleinen Auftritt. In einer größeren Rolle zu spielen und gleichzeitig alles im Blick zu halten, sei schon anstrengend, findet der Lehrer für Fremdsprachen. Generell macht es für ihn jedoch keinen großen Unterschied, ob er in Komödien oder Dramen auf der Bühne steht. „Komödien sind immer unmittelbarer“, sagt er, da man mit Lachern eine direkte Reaktion bekomme. Wenn man bei einer Tragödie jedoch die Menschen zum Weinen bringe, sei das mindestens genauso erfüllend. Auch macht es für ihn keinen großen Unterschied, ob er für komplexe Produktionen wie die vom Musical-Projekt Neunkirchen auf der Bühne steht oder in der Jahnturnhalle in Sulzbach. Immer gern übernimmt er während der Proben verschiedene Charaktere, um jemanden zu vertreten, der beispielsweise gerade Urlaub macht.
Wobei der Aufwand für die Stücke im Sulzbacher Kellertheater keinesfalls zu unterschätzen ist. So wurde das Bühnenbild von „Arsen und Spitzenhäubchen“ in Schwarz-Weiß gehalten – als Hommage an den Filmklassiker von 1944. Und für die schwarze Komödie „Dänische Delikatessen“ wurde auf der Bühne kurzerhand eine „Schlachter-Boutique“ gebaut – komplett mit echten Würsten und einer täuschend echt aussehenden Knochenmühle. Die aufwendig und mit viel Liebe zum Detail gestalteten Bühnenbilder tragen immer einen großen Teil zum Erfolg der Aufführungen bei. Auch bei „Jerry Cotton jagt den New York Ripper“ hat das Ensemble nun wieder aus dem Vollen geschöpft: FBI-Büro, Drogenstrich, New Yorker Untergrund – alles ist mit viel Liebe zum Detail entworfen und gebaut.
Planerisch und gestalterisch immer mit an vorderster Front: Markus Wantz. Als Ingenieur in einem renommierten Saarbrücker Ingenieurbüro hat er offensichtlich ein gutes Auge für das große Ganze, hilft beim Aufbau des Bühnenbildes. „Jedes hat seine Eigenheit und Besonderheit, ob es drehbar ist, mehrere Ebenen und getrennte Räume oder mehrere Räume auf einer Fläche hat“, sagt er. Außerdem schnappt er sich den großen Besen, mit dem er die Leuchter unter der Decke entstauben kann, kehrt nach den Proben oder den Aufführungen Saal und Bühne, kümmerte sich während Corona um die Sitzverteilung, organisiert Termine und und und. Eine Zeit lang war er auch Mitglied im Vorstand des Verbandes Saarländischer Amateurtheater. Zudem ist er im Vorstand des TV Sulzbach engagiert, bei dem das Kellertheater eine Sparte ist, und ist dort für die Halle und für bauliche Angelegenheiten zuständig.
Generell packen alle Mitglieder des Ensembles an, wo sie können. Mediengestalter Leo Klein beispielsweise kümmert sich auch um Aufbau und Aktualisierung der Webseite oder gestaltet Werbemittel wie Poster und Flyer. Ein Glanzstück war etwa das Programmheft von „Dänische Delikatessen“, das er in Form einer oben abgerundeten Speisekarte gestaltete. Auch die Werbemittel zur jetzigen Produktion sind wieder sehr fein gestaltet und erinnern an die Gestaltung der Groschenromane um den G-Man.
Da wären wir auch schon beim neuen Stück, das mit zweieinhalbjähriger Corona-Verspätung nun endlich auf die Bühne gebracht wird. Die Heftromane um den legendären FBI-Agenten Jerry Cotton erscheinen seit 1954 und zählen zu den kommerziell erfolgreichsten Reihen im deutschsprachigen Raum. Dieser Fall ist sicher einer der schwersten in der Laufbahn des FBI-Agenten, der von Andreas Salm verkörpert wird, und seines Partners Phil Decker (Sascha C. Ferdinand). Leo Klein stellt ihren Chef John D. High dar, den Distriktchef des New Yorker FBI-Bezirkes. Markus Wantz spielt einen Tatverdächtigen. In der weiblichen Hauptrolle hilft Franziska Rundstadler als Patty Martinez dabei, den Killer zu entlarven. Die Premiere von „Jerry Cotton jagt den New York Ripper“ ist am Freitag, 25. November, 20 Uhr, in der Jahnturnhalle in Sulzbach.
Große Leidenschaft fürs Theater
Das Ensemble des Kellertheaters versetzt die Zuschauerinnen und Zuschauer in das New York der 60er-Jahre und verspricht spannende Unterhaltung bei der Hatz auf den „New York Ripper“ – einen ganz außergewöhnlichen Täter. Denn gibt es zuerst noch Zweifel, so wird schnell klar, dass tatsächlich ein Serienkiller sein Unwesen treibt. Je länger sich das Ermittlerduo mit dem Fall beschäftigt, umso klarer wird: Diese Handschrift kommt Jerry Cotton ziemlich bekannt vor. Das Kellertheater lädt dazu ein, immer tiefer in den New Yorker Sumpf aus Korruption, Prostitution und Gewaltverbrechen eintauchen. Dabei zieht sich die Schlinge nicht nur um den Hals des Täters immer enger zu.
Seit 40 Jahren unterhält das Ensemble Theaterfans nun also bereits in der Salzstadt. Zuerst im Klosterkeller, dann in der Aula. Wegen der umfangreichen Sanierung der heutigen Veranstaltungshalle vor etwas mehr als zehn Jahren zog man in die Jahnturnhalle um. Diese gehört dem TV Sulzbach, von dem das Kellertheater eine Sparte ist. Somit ist man eines der wenigen Ensembles im Saarland, das über eine eigene Bühne verfügt. „Die Leidenschaft fürs Theater hat sich wirklich einfach so entwickelt“, sagen Leo Klein und Markus Wantz übereinstimmend. Natürlich habe auch wachsender Zuspruch seitens der Zuschauer dabei geholfen, die Begeisterung der zwei Gründungsmitglieder noch weiter zu entfachen. Insgesamt stehen die beiden sowie Enrico Tinebra seit 100 Jahren für im Schnitt zehn Vorstellungen zu je 180 Zuschauern auf der Bühne.
Leo Klein und Markus Wantz werden aller Voraussicht nach auch beim nächsten Stück wieder zu sehen sein, wie auch Tinebra Regie führen wird. Während Wantz bei allen Produktionen am Start war, pausierte Klein zweimal: Bei der Erstinszenierung von „Der nackte Wahnsinn“ und bei „Der Haken“. Das lag aber nicht an fehlendem Spaß, sondern hatte andere Gründe. Beim „Wahnsinn“ gab es zu viele Schauspieler für zu wenig Rollen. „Und bei ‚Der Haken‘ wollte ich einfach mal auf der Bühne pausieren“, so Leo Klein.