Das Restaurant und DDR-Architekturerbe „Minsk“ verfiel nach 1989, stand kurz vor dem Abriss. SAP-Gründer Hasso Plattner ließ es sanieren, und Potsdam ist damit um ein Museum reicher.

In Sichtweite des Hauptbahnhofs erstrahlt der lichte Terrassenbau in neuem Glanz. Das Café „Minsk“ war in den Jahren 1971 bis 1977 nach Plänen des Architekten Karl-Heinz Birkholz am Brauhausberg mit Blick auf die Havel und die Stadt errichtet worden. Eröffnet wurde es 1977 zum 60. Jahrestag der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ als belarussische Folkloregaststätte. Der Name geht auf Künstler aus Minsk zurück, die für die Ausstattung zuständig waren. Es wurde schnell zu einem der beliebtesten Restaurants der Stadt. Noch heute ist es für viele Potsdamerinnen und Potsdamer mit vielen Erinnerungen verbunden. Hier wurden Geburtstage und Jugendweihen gefeiert, hier konnte man kulinarisch auf eine Reise gehen oder bis in den Morgen hinein tanzen. „Das ‚Minsk‘ war früher ein kultureller Treffpunkt für jedermann, ein Teil meines Lebens, den ich vermisse“, erzählt eine Potsdamerin. „Ich habe dort früher gearbeitet, habe gekellnert. Ist lange Zeit runtergekommen, früher war das so schön gemacht“, erinnert sich ein Zeitzeuge.
Eine Institution für die Potsdamer
Mit der Wende ging die glanzvolle Zeit des „Minsk“ zu Ende. In den folgenden Jahren verfiel das Gebäude. Graffitiübersät und mit zerbrochenen Fensterscheiben war es kaum noch erkennbar und sollte 2018 zugunsten eines Immobilienprojekts abgerissen werden.
Hasso Plattner, SAP-Gründer und Potsdam-Mäzen, erinnert sich noch gut an die „Minsk“-Ruine: „Es war furchtbar, dass es so verfallen war. Das ‚Minsk‘ ist gute Architektur, es zeigt ja, dass viele es gern gehabt haben. Es war etwas Fröhliches, Gutaussehendes. Das hätte auch der westdeutsche Egon Eiermann nicht besser hinbekommen.“ Und Stefanie Plattner, die Verantwortliche für das „Minsk“, lässt den ersten gemeinsamen Besuch des Gebäudes mit ihrem Vater Hasso 2018 Revue passieren: „Das war natürlich auch ein Zauber, so eine Ruine zu sehen, die Küchen waren noch drin, die Graffitis überall, die schöne Bar, die ich damals schon ganz großartig fand.“ Gemeinsam überlegten sie, wie man das Gebäude retten und was man daraus machen könnte.
Dem Brauhausberg gegenüber wurde in den vergangenen Jahren das historische Potsdam wieder aufgebaut, mit dem preußischen Stadtschloss als Brandenburger Landtag und dem barocken Barberini-Palast am Alten Markt. Doch die Bauten aus dem DDR-Erbe gerieten in Vergessenheit. Viele davon wurden längst abgerissen. Auch das Minsk sollte verschwinden wie die benachbarte Schwimmhalle mit dem markanten Wellendach, an deren Stelle heute der Schwimmbad-Nachfolger „blu“ steht.

Doch im letzten Moment kam es für das „Minsk“ doch noch anders: als Hasso Plattner und der linke Kommunalpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg begannen, sich gegen den Abriss einzusetzen. Laut Scharfenberg sollte 2012 der mit einer beachtlichen Bausumme von 41 Millionen errichtete Schwimmbadneubau mit einem lukrativen Verkauf des „Minsk“ und eines Filetgrundstücks am Brauhausberg gegenfinanziert werden. Doch die Pläne der Potsdamer Stadtwerke stießen auf Widerstand. Architekten, Historiker sowie Hunderte Potsdamer setzten sich in einem offenen Brief für den Erhalt des „Minsk“ ein.
Der Protest wirkte. Unter dem Druck der Öffentlichkeit konnten die Linke, die Grünen und andere Stadtverordnete den geplanten Grundstücksverkauf im Herbst 2018 abwenden. Um wirtschaftlich zu sein, sollte das Gebäude für eine künftige Nutzung um zwei weitere Etagen aufgestockt werden. Das sei der Moment gewesen, als sich Hasso Plattner entsetzt einschaltete und vorschlug, einen Ort für DDR-Kunst daraus zu machen. Plattner, der Teile des Stadtschlosses finanzierte und das Barockpalais Barberini wiederaufbauen ließ, erkannte den Wert des „Minsk“ und rettete ein Zeugnis der DDR-Moderne. Sein tragfähiges Konzept für ein Museum für DDR-Kunst wurde von den Potsdamer Stadtverordneten im Frühjahr 2019 bewilligt. Im Januar 2020 begannen die Sanierungsarbeiten.

„Es ist wunderbar, dass das Gebäude erhalten blieb und liebevoll saniert wurde“, sagt Paola Malavassi, die Gründungsdirektorin des Kunsthauses. Das weiße Gebäude mit in Klinker gefassten Außentreppen erstrahlt in neuem Glanz, ebenso wie das Terrassenensemble mit Rasenflächen und Wasserspielen, angelehnt an die Gestaltung des früheren „Minsk“.
Die Treppenaufgänge, Wandelgänge, das offene Foyer und die breite Wendeltreppe ins Obergeschoss und die Bar, die heute zum Museumscafé gehört, erinnern an die frühere Einrichtung. Auch die Kupferleuchten sind wieder da. Eine Mosaikwand im klaren Schwarz-Weiß-Design der 70er-Jahre mit Wandfliesen aus den brandenburgischen Werkstätten Hedwig Bollhagen ist heute Blickfang.
Wo früher die Serviceräume und die Küche des „Minsk“ waren, befinden sich nun zwei Ausstellungshallen. „Es gibt insgesamt zwei Säulenhallen, offen, ohne Trennwende, also 450 Quadratmeter auf beide Etagen verteilt“, erklärt die Gründungsdirektorin. Sie sehe das neue „Minsk“ auch als Veranstaltungsort für Musik, Performance, Lesungen und als öffentlichen Raum, in dem Foyer, Bar und Terrasse auch für diejenigen frei zugänglich sind, die keine Ausstellung besuchen.
Ausstellungssäle auf zwei Etagen

Die erste Schau im wiedereröffneten Haus zeigt Werke des ostdeutschen Künstlers Wolfgang Mattheuer und des kanadischen Fotokünstlers Stan Douglas. Zu sehen sind im unteren Ausstellungsraum etwa 30 Landschaftsgemälde von Mattheuer, im oberen Fotografien von Douglas. Der Kanadier war in den frühen 90er-Jahren als Gast des DAAD in Berlin. Ihn interessierten die Potsdamer Schrebergärten. Seine Fotografien zeigen mal einen verlassenen Garten, dann wieder wucherndes Grün an einer Mauer, Leitern an Bäumen, Gelände im Umbau – sie dokumentieren Zeitgeschichte. Viele der fotografierten Orte gibt es mittlerweile nicht mehr.
Auf Wolfgang Mattheuers Bild „Der Nachbar, der will fliegen“, das der Ausstellung ihren Titel gibt, schwebt ein Mann mit ausgebreiteten Flügeln über den Dächern der Schrebergartenhäuschen gen Himmel. Er ist ein Verwandter der Ikarusfiguren, die auf mehreren Bildern zu sehen sind und bei denen häufig private Idylle in Kontrast zu Industriebauten gesetzt wird.
„Für viele Potsdamerinnen und Potsdamer ist das ehemalige Terrassenrestaurant ‚Minsk‘ mit Erinnerungen verbunden. Deswegen haben auch so viele von um den Erhalt des alten ‚Minsk‘ gekämpft, denn es ging ein Stück weit auch um den Erhalt der eigenen Identität und der Stadt“, erklärt Stefanie Plattner. Das „Minsk“ Kunsthaus wolle genau dort anknüpfen und ein Forum für Begegnungen über die Kunst hinaus sein.