Der sportliche Erfolg bei Union Berlin zieht auch einen wirtschaftlichen Aufschwung im Club nach sich. Damit die Köpenicker noch stärker angreifen können, ist der Stadionausbau elementar.
Ein Umzug ins ungeliebte Olympiastadion vom Stadtrivalen Hertha BSC – und das gleich für eine komplette Saison? Bei dem Gedanken läuft es nicht wenigen Union-Fans eiskalt den Rücken herunter. Entsprechende Planspiele für die Spielzeit 2024/25 sind aber schon sehr weit, der geplante Umbau des Stadions An der Alten Försterei lässt kaum einen anderen Schritt zu. Der Vorschlag des Kreisoberligisten FSV Basdorf ist zwar lustig, aber keine ernsthafte Alternative. Der Club aus dem brandenburgischen Landkreis Barnim lockte Union auf seiner Facebookseite: „Bleibt doch einfach im Osten und kommt zu uns!“ So wie auch in der Köpenicker Wuhlheide sei hier „der Wald ganz nah“ und das Stadion wäre „immer ausverkauft“. Dass dort aber nur 2.000 Zuschauer reinpassen, wurde nicht erwähnt. Dafür aber, dass „unsere Wiese garantiert besser als im Olympiastadion ist“. Den brandneuen Hybridrasen gebe es deutschlandweit nur fünfmal.
Olympiastadion alternativlos
Der vermeintlich einzige Haken: der Platzmangel vor dem Stadion. „Auf dem Parkplatz steht schon unser Bus und die Karre von Tessi (unser Kneiper). Ihr könntet aber die Spieler an der Buswendeschleife an der Schule rauslassen.“ Für den humorvollen Facebook-Eintrag gab es viele positiven Kommentare, eine Union-Anhängerin schrieb sogar: „Auch wenn das von mir aus gesehen am Arsch der Welt ist: Ich würde lieber dahin fahren als nach Charlottenburg.“ Club-Präsident Dirk Zingler weiß natürlich, dass der Umzug in die Heimat der Blau-Weißen eine bittere Pille ist. Doch die Fans müssten diese schlucken. „Wenn wir die drei Stehplatztribünen im Stadion ausbauen, werden wir ein Jahr nicht in der Alten Försterei spielen können“, sagte Zingler anlässlich der Mitgliederversammlung Mitte November. Und die stimmungsvollen Heimspiele in der Conference League der Vorsaison haben gezeigt, dass Union auch in der „Betonschüssel“ Olympiastadion rot-weiße Fußballfeste feiern kann.
Damit bald deutlich mehr Fans in der Alten Försterei für Stimmung sorgen können, ist ein Umbau unumgänglich. Das Angebot von aktuell nur 22.012 Plätzen wird der Nachfrage, die durch den Aufstieg in den vergangenen Jahren rasant gestiegen ist, längst nicht mehr gerecht. Der Umbauplan sieht eine neue Kapazität von etwa 37.700 Zuschauern vor, gebaut werden soll in der Saison 2024/25 – sofern es keine Einsprüche gegen die Pläne gibt und die Entwicklung von Baustoffpreisen nicht zu Verzögerungen führt. Beim wichtigen Verkehrskonzept, das bislang etwas Probleme bereitete, sei man „gut vorangekommen“, wie Zingler berichtete. Ein Platz für die Wendeschleife der Straßenbahn, ein Busparkplatz und Lösungen zur verbesserten Verkehrssituation an den S-Bahnhöfen seien erörtert worden. „Das muss jetzt planerisch umgesetzt werden und die Menschen können dann dazu Stellung nehmen.“

Die Ausnahmegenehmigung, ins Olympiastadion auszuweichen, hat Union bereits seit 2019 von der Deutschen Fußball Liga (DFL) vorliegen. Nähere Informationen soll es bei einer Veranstaltung im kommenden März geben, dann soll auch konkreter bekannt gegeben werden, was das Ganze denn so kostet. Die erste Bauphase beginnt bereits im ersten Quartal 2023 mit der Sanierung des namensgebenden Forsthauses, dann werden das Clubhaus und ein Parkhaus errichtet. Auch das Trainingsgelände soll umgestaltet werden, bevor sich die Baumeister und Handwerker am Stadion zu schaffen machen. „Wir können hier mit voller Überzeugung von einem Generationenprojekt sprechen, das Union nachhaltig prägen und infrastrukturell auf ein neues Niveau heben wird“, sagte Zingler.
Fakt ist eins: Der Club ist inzwischen auch Inhaber des Grundstücks, auf dem das – ebenfalls vereinseigene – Stadion steht. Den Abkauf vom Senat dank einer im Erbbaurechtsvertrag vereinbarten Klausel nannte Zingler einen „historischen Moment“, der „uns alle sehr glücklich macht“. „Wir spielen seit 1920 hier Fußball und erstmalig gehört die gesamte Alte Försterei uns Unionern“, sagte der Club-Boss stolz. Wie viel der Bundesligist für das Grundstück zahlen musste, war zunächst nicht bekannt.
Konkrete Zahlen präsentierte der Club den Mitgliedern aber beim eigenen Finanzbericht – und die lasen sich sehr positiv: In der vorangegangenen Saison 2021/22 verzeichnete der gesamte Konzern einen Rekordgewinn von 12,685 Millionen Euro. Die Einnahmen von 122,137 Millionen Euro bedeuteten ein Plus von knapp 50 Millionen Euro im Vergleich zur Vorsaison. Die Hauptgründe: höhere Transfererlöse, gestiegene Zuschauereinnahmen durch den Wegfall der strengen Corona-Maßnahmen, mehr Gelder bei der Vermarktung, beim Sponsoring und aus den TV-Verträgen. Das negative Eigenkapital konnte um 12,763 Millionen Euro reduziert werden, auch die Verbindlichkeiten gingen um 10,025 Millionen Euro zurück. Das Wachstum in allen Bereichen macht sich auch bei der Mitgliederanzahl bemerkbar, die auf 48.364 gestiegen ist.
Gewinn bei Finanzen und Mitgliedern
„Für einen mitgliedergeführten Verein wie Union gibt es kaum einen größeren Vertrauensbeweis, als dass Menschen in den Verein eintreten und sich auf diese Weise zu ihm bekennen“, meinte Zingler. Ein nicht ganz unwichtiger Nebeneffekt: Auch in dieser Rubrik zogen die Rot-Weißen den Blau-Weißen von der Hertha (44.211) davon. Sportlich hat der langjährige Zweitligist den ambitionierten „Big City Club“ ebenfalls abgehängt. Und das soll auch so bleiben. „Wir müssen uns sportlich weiterentwickeln, dann werden wir wirtschaftlich gesünder“, erklärte Zingler: „Der außerordentliche Erfolg unserer Profimannschaft eröffnet uns hervorragende Möglichkeiten, die wir wirtschaftlich und organisatorisch nutzen wollen, um wiederum die nächsten Schritte in unserer sportlichen Entwicklung zu gehen.“
Für die laufende Saison plant der Verein sogar mit einem Überschuss von etwa 20 Millionen Euro. Also ein Schlaraffenland für Geschäftsführer Oliver Ruhnert? Weit gefehlt! Der für die Transfers hauptverantwortliche Union-Angestellte will auch in Zukunft besonnen und nicht verschwenderisch auf dem Markt agieren. Natürlich weiß auch Ruhnert, dass mit der gestiegenen Finanzpower und dem sportlichen Erfolg die Attraktivität von Union steigt, plötzlich werden ihm Spieler von internationaler Klasse angeboten. Doch so groß die Versuchung auch ist: Der Arbeiter ist bei Union immer noch lieber gesehen als der Zauberer. „Die Spieler müssen bereit sein, das Profil, das der Trainer braucht, anzunehmen. Dazu gehören eine taktische Disziplin, ein laufintensives Verhalten und eine komplette Bereitschaft, sich auf das einzulassen, was einen beim 1. FC Union erwartet“, erklärte Ruhnert: „Das ist nicht immer der filigranste Fußball, sondern eben Arbeit.“
Diese harte Arbeit leben Ruhnert, Trainer Urs Fischer und alle anderen Mitarbeiter hinter der Mannschaft vor. Doch das allein reiche nicht, betonte Ruhnert. Jeder Angestellte im Club müsse auch gut in seinem Bereich sein, denn „nur wenn du ganz viele Dinge richtig machst, hast du eine Chance, jedes Jahr zu überraschen“, sagte der Sportchef, „und wir haben vier Jahre in Folge sehr überrascht“.