Unterwegs mit dem Wohnmobil, aber bitte mit Stil – und ohne Stress. Geht angesichts des überhitzten Mietwagenmarktes nicht? Doch, über Privat-Vermieterplattformen kommt man auch in den Genuss echter Raritäten wie eines 40 Jahre alten Bullis.
Neulich kam das Gespräch mal wieder auf das Thema VW-Bus. Seufz, schwelg. Offenbar verkörpert der zum Schlafen, Kochen, Faulenzen, Sportgerätetransportieren, kurz zum Rundum-gelungen-Urlauben geeignete „Bulli“ noch immer den Traum vom „Heute hier, morgen dort“. Für das gute Image sorgt womöglich auch der Umstand, dass insbesondere die frühen Modelle T1 und T2 für eine andere, gemeinhin sorgenfreiere Zeit stehen. Und das schließt die eigene explizit mit ein. Vermutlich rührt daher auch der Wunsch, mittels Oldie-Bus mal einen Kontrapunkt zum Digitalalltag und zum hochtechnisierten Auto zu setzen. Eben eine Zeitreise, und das im Jahr 2022. Aber deshalb gleich kaufen? Nicht doch. Erst mal eine mehrtägige Schnupperfahrt, das wär’s! Nur wo mieten? Bei Spezialisten wie etwa der Oldie-Garage bei München werden rund 400 Euro fällig – pro Tag! Bei herkömmlichen Autovermietern à la Sixt und Hertz stehen solche Perlen – unabhängig von der starken Mietwagenverknappung in diesem Jahr – gar nicht zur Wahl. Bei Ebay Kleinanzeigen und Co. mietet man mitunter die Katze im Sack. Stichwort: Was wäre, wenn …
Hohe Nachfrage wegen Pandemie
Aber mittlerweile gibt es ja – Vorteil Digitalzeitalter! – eine Reihe von Onlineplattformen, die sich der Vermittlung privater Wohnmobile, Wohn- und Kastenwägen und eben Urlaubsbussen verschrieben haben. Vorn dabei: Campanda, Camperdays, MyVanture, PaulCamper, Hannes Camper. Ganz vorn dabei: Yescapa, Europas größte Plattform für Campersharing, geadelt von der „Stiftung Warentest“ zum Favoriten unter zwölf Plattformen für privates Camper-sharing. So richtig Fahrt aufgenommen hat das französische Unternehmen, wie die meisten Mitbewerber auch, in den vergangenen drei, vier Jahren. Konkret: Beliefen sich Yescapas Gesamtbuchungen 2018 noch auf rund 20.000, waren es 2021 schon dreimal so viel, und das erste Quartal 2022 lag bei deutschen Buchungen noch mal 230 Prozent über dem Vorjahr. Keine Frage: Nachfrage gibt es. Und wie! Was neben dem pandemiebedingten Boom von „erdgebundenen“ Zielen und dem Bedürfnis nach Natur und Individualität auch daran liegt, dass immer mehr junge Leute auf den Geschmack des Vanlifes kommen. Der social-media-geboosterte Reiz am rollenden Micro Adventure (plus die Möglichkeit ausgedehnter Elternzeit-Reisen) sorgt dafür, dass das Durchschnittsalter von Wohnmobilmietern hier mittlerweile unter 40 Jahre gerutscht ist, Tendenz weiter sinkend.
Was dafür steigt: der Wunsch nach einer Mischung aus Ästhetik und Coolheit. Allerweltswagen sind demnach weniger gefragt. Dusche, Toilette, volles Küchenequipment? Nice to have, aber nicer sind eben oft die eher individuellen, ausgebauten, umgebauten, liebevoll in Schuss gehaltenen Fahrzeuge „mit Seele“. Wie der Westfalia von Andi aus Murnau. Selbst wenn die fünf eingestellten Privaturlaubsfotos nicht unbedingt den Ansprüchen eines Profifotografen genügen (diesbezüglich ist bei den meisten Vermietern noch viel Luft nach oben): Wir sind sofort begeistert. Beiger Bulli, Jahrgang 1979, top in Schuss. Das Reserverad auf der Schnauze, ein Aufstelldach zum Schlafen, kleine Küche samt Kühlschrank und Gasherd. Das Beste: Er ist am Wunschtermin noch frei – bei einem langen Wochenende mit Brückentag keine Selbstverständlichkeit.
Alles im Original belassen
Was folgt: das erweiterte Anmeldeverfahren bei der Plattform. Sprich: Führerschein hochladen (praktisch: von der nicht extra in Rechnung gestellten Beifahrerin wird das nicht erwartet). Ferner gibt es jede Menge Infos zum weiteren Ablauf. Das Charmante und Beruhigende an der Sache ist ja auch, dass man nicht allein mit einem Fremden agiert, sondern eine dritte Partei hat, die es als Vermittler für beide Seiten so unkompliziert wie möglich machen will. Der Abfahrtstag rückt näher, die Kontaktdichte zu Andi erhöht sich. Er teilt mit, dass er nach längerer T2-Standpause noch mal alles gecheckt hat. Erkundigt sich, ob wir auch Geschirr et cetera brauchen. Erinnert daran, Bettzeug und Schlafsäcke selbst mitzubringen. Fragt, wann er einen vom Zug abholen soll. Sehr nett. Und eine gute Gelegenheit, eine Runde zu drehen. So ein Oldtimer braucht nämlich eine intensivere Einführung. Die will auch Andi. Schließlich hängt er an dem Wagen, den er vom Opa geerbt hat. „Mein Vater hat mich gefragt, ob ich wahnsinnig bin, den schönen Bus an Unbekannte zu vermieten. Aber ich mach das, um ihn mit den Einkünften in Stand zu halten.“ So ein Oldie kostet ja auch eine Menge. Vor ein paar Jahren erst hat Andi alles am T2 auseinandergeschraubt, lackiert, überholt. Und dennoch darauf geachtet, alles im Original zu belassen: ein großes, rundes Lenkrad, auf dem man fast liegen kann. Fensterkurbel. Eine minimalistische Lüftung respektive Heizung. Scheibenwischer, die einen bei stärkerem Regen zum Anhalten zwingen, weil sie’s „nicht packen“. Was folgt, ist „Papierkram“. Stichwort Mietkaution und Mietvertrag unterschreiben. Das Standarddokument, auf dem etwaige Schäden notiert würden, stellt Yescapa ebenso wie den gut gemachten Mieterleitfaden zur Verfügung. Man kann sie sich einfach ausdrucken.
Auch das gehört zum Service, den sich Yescapa mit ungefähr 15 Prozent der Vermietsumme vergüten lässt. Was zum Mietpreis (in unserem Fall 120 Euro pro Tag) stets noch dazukommt: noch mal zwischen zehn und 15 Prozent für die Vollkaskoversicherung samt Pannenschutz. Gut zu wissen: Jeder Privatanbieter kann den eigenen Tagespreis sowie inkludierte Kilometer festlegen, was dazu führt, dass es eben auch günstigere Angebote gibt – und teurere. Wer suchet, der findet (das Passende)! Es stehen mehr als 12.500 Wagen zur Wahl. Zwei Stunden und einen Espresso später fahren wir los. Fühlt sich großartig an. King of the Road! Wenn auch im Juckel-Modus. Also heim (etwas lästig, dass von den 200 Freikilometern pro Tag in diesem Fall schon 80 für die Hol-Aktion draufgehen, von der Zuganreise mal abgesehen), alle(s) einpacken und ab Richtung Spreewald, etwa 500 Kilometer von München entfernt. Schon mit einem normalen Pkw ist das ein Ritt, mit dem T2 eine kleine Weltreise. Mehr als 80, maximal 100 km/h sind nicht drin. Aber genau das ist ja die Idee: Landstraße statt Autobahn, Reisen statt Rasen, der Weg als Ziel. Am Weg liegen etliche Hingucker: die unteren Isar-Auen, die fränkische Schweiz, die Leipziger Seen. Auch herrlich: Wo man auch aufkreuzt, stets begegnen einem die Leute mit einem gewissen Grinsen. Des Öfteren werden wir konkret auf den „wunderschönen“ Bus angesprochen, sei es beim Tanken, vorm Bäcker, auf dem Campingplatz. Meist begleitet von einem angenehmen Seufzen. Stichwort Campingplatz. Den suchen wir uns spontan via „Caramaps“-App. Praktisch: Für Yescapa-Kunden ist der Premiumaccount gratis, aber selbst in der Basisversion werden in einem Kartenausschnitt wirklich sämtliche Camping- und vor allem Stellplätze einer Region samt Kosten und Fotos dargestellt. Also steuern wir – schließlich gehört zu einer stilechten Zeitreise auch der Fakt, vorab eben nicht alles zu buchen, sondern sich so gut es geht, treiben zu lassen – einen Campingplatz an der Talsperre Bleiloch an. Auch wenn es erst 18.30 Uhr ist, muss der Chef noch mal anrücken, „weil schon Feierabend ist“. Aber als er den Bulli sieht, wird sein Ton mehr als versöhnlich. „Ach, so einen hatte ich auch mal. Das waren noch Zeiten!“
Alles in dem Bus hat Charme
Fast schade, dass uns Bungalows und andere XXL-Wohnmobile den Blick auf den See verstellen. Wir kommen uns vor wie Zwerge. Andererseits wieder wie die Könige. Weil alles im Bus Charme hat. Der kleine Herd, der wahlweise per Strom oder Gas betriebene Minikühlschrank, der um 180 Grad drehbare Beifahrerstuhl, der Teppich – und dann erst das Bett im Obergeschoss samt Ausguck.
Ach, ohne Termine ließe sich eine ganze Weile bus-vagabundierend zubringen. Doch das XL-Wochenende neigt sich irgendwann dem Ende zu. Das Gute: Alles hat bestens geklappt. Kein Unfall, keine Schramme, kein Batterieversagen. Wir sind erleichtert. Andi womöglich auch, als wir vorfahren. Schließlich soll es ja durchaus Mieter geben, die aufgrund der ungewohnten Busmaße anecken oder, was man gar nicht glauben kann, Benzin in den Wassertank (!) laufen lassen, was einen veritablen Brand auslösen kann. In so einem extremen Fall ist bei den Mitarbeitern der Vermittlungsplattform dann sicher ein besonderes Vermittlungsgeschick gefragt.