Kaufen, benutzen und falls kaputt, auf den Müll. Das ist nicht nur teuer, sondern verschwendet auch kostbare Ressourcen. Mit neuen Ökodesign-Vorgaben für langlebigere Produkte sollen in der EU Reparaturen leichter und nachhaltiger werden.
Jeder hat das schon erlebt. Da will man sich einen Kaffee kochen oder die Haare föhnen und plötzlich gibt das Gerät den Geist auf. Wenn schütteln nicht mehr hilft, wird die Garantieurkunde gesucht, und dann kommt das böse Erwachen: Die Garantie ist vor zwei Wochen abgelaufen, obwohl der Kauf erst zwei Jahre her ist. Eine neue EU-Vorgabe soll nun regeln, dass ein Gerät leichter repariert werden kann statt es wegzuwerfen.
Bei einem Billiggerät fällt die Entscheidung leichter, es zu entsorgen. Bei Elektrogroßgeräten wird eher eine Reparatur in Betracht gezogen. In einer repräsentativen Umfrage des Recommerce-Unternehmens Rebuy hielten es 75 Prozent der Befragten für sinnvoll, beispielsweise eine Waschmaschine reparieren zu lassen, bei Küchengroßgeräten waren es 72 Prozent, bei Fernsehern nur noch etwas mehr als die Hälfte. Interessant hierbei: Fast zwei Drittel der 18- bis 29-Jährigen gaben an, bereits mindestens einmal ein Elektrogerät in die Reparatur gegeben zu haben. Bei den über 60-Jährigen nutzen nur noch 41 Prozent die Reparaturangebote. Die Studie zeigte auch: Der Hauptgrund, eine Reparatur nicht durchführen zu lassen, war der Preis. Für 40 Prozent der Befragten wäre eine Reparatur zu teuer gewesen, 47 Prozent hielten das defekte Gerät für zu alt und 14 Prozent verzichteten, weil das neue Gerät energieeffizienter gewesen sei.
Reparaturen scheitern häufig am Preis
Die geringe Zahl der reparierten Elektrogeräte zeige, dass deutlich stärkerer Druck auf die Hersteller ausgeübt werden müsse, so Philipp Gattner, CEO von Rebuy. „Wir unterstützen daher die Forderung, die Reparierbarkeit durch ein Siegel transparent zu machen.“ Das Energieeffizienzlabel habe bereits dazu geführt, dass Konsumenten ihre Kaufentscheidung danach ausrichten. Ein „Reparierbarkeitslabel“ würde Konsumenten eine weitere wichtige Orientierungshilfe geben, wie sie ihr Kaufverhalten nachhaltiger gestalten können. Besonders bei Smartphones gäbe es diesbezüglich noch einen hohen Aufklärungsbedarf.
Mit dieser Forderung ist er nicht allein. Der „Runde Tisch Reparatur“, ein Netzwerk aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft, Beratung und ehrenamtlicher Reparatur, sieht die Bundesregierung in der Pflicht, das herstellerunabhängige Recht auf Reparatur zu stärken. Auf deutscher und europäischer Ebene habe es die Politik bislang versäumt, hier ausreichend tätig zu werden, so die Kritik des „Runden Tisches Reparatur“. In einem im Februar dieses Jahres veröffentlichten Forderungspapier wird die im Koalitionsvertrag von der Bundesregierung angekündigte Umsetzung des Rechts auf Reparatur begrüßt. Die bessere Reparierbarkeit von Produkten, Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen und verpflichtende Update-Zeiträume seien wichtige Maßnahmen, um die Lebensdauer der Produkte zu verlängern. Außerdem soll die Reparierbarkeit von Produkten mithilfe des EU-weiten Reparaturindex eindeutig ermittelt, gekennzeichnet und sichergestellt werden. Das schone Ressourcen, leiste einen Beitrag zum Klimaschutz, entlaste die Verbraucher und fördere das reparierende Handwerk.
Am 30. März dieses Jahres hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine „Sustainable Products Initiative“ veröffentlicht. Diese soll Anforderungen an Energieeffizienz und Ressourcenschutz für eine Vielzahl von Produktgruppen regeln. Für Christiane Rohleder, Staatssekretärin für Verbraucherschutz, eine richtige Entscheidung. Die Bundesregierung unterstütze die vorgeschlagenen hohen Anforderungen an das Ökodesign. Wichtig sei, dass künftig die EU-Vorgaben auch für Produkte mit großen Märkten, wie Textilien oder Möbel, gelten sollen. So komme man einem Recht auf Reparatur für alle physischen Produkte einen großen Schritt näher.
Seit dem 18. November gibt es nun neue Ökodesign-Vorgaben für Smartphones, Tablets, Mobiltelefone und schnurlose Telefone, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission geeinigt haben. Erstmals müssen die Hersteller dieser Produkte bestimmte Ersatzteile und Reparaturinformationen zur Verfügung stellen und Software-Updates gewährleisten. Bei Displays und Akkus gilt das beispielsweise für sieben Jahre. Auch der Austausch von Komponenten soll einfacher möglich sein. Die neuen Anforderungen treten nach Verabschiedung durch die EU-Kommission im kommenden Jahr in Kraft und gelten nach einer Übergangszeit von 21 Monaten für alle in der EU verkauften Geräte.
Neue Ökodesign-Vorgaben für Smartphones und Tablets
Geht ein Gerät rasch kaputt, drängt sich der Gedanke an „geplante Obsoleszenz“, also gewollten Verschleiß, auf, um die Verkaufszahlen des Produktes zu erhöhen. Allerdings ist strittig, ob Hersteller das wirklich vorsätzlich planen oder es oft einfach nur ein Qualitätsmangel ist – eine vorsätzliche Planung wäre aufgrund unterschiedlicher Gewährleistungsvorgaben weltweit wahrscheinlich extrem teuer. Es müsste zudem nachgewiesen werden, dass ein Produkt bewusst mit einer kürzeren Lebensdauer hergestellt wurde oder technische Entwicklungen nicht berücksichtigt worden sind. In einigen Fällen wie bei älteren iPhones wurde das in den USA gerichtlich festgestellt und geahndet. 2013 hat Stiftung Warentest in einer Testserie auch Waschmaschinen, Geschirrspüler und Staubsauger untersucht und dabei zwar Produktmängel gefunden, aber keine absichtlich eingebauten Schwachstellen. Es zeigte sich, dass teurere Geräte tendenziell besser gefertigt sind und länger halten als preiswertere.
Während Entscheidungen in der Politik oft Jahre in Anspruch nehmen, sind Verbraucher mittlerweile pragmatischer. Als Zeichen gegen die „Wegwerfgesellschaft“ entstanden vor gut 20 Jahren die ersten Repair Cafés in den Niederlanden. Ehrenamtliche fanden sich zusammen und verhalfen veralteten oder defekten Geräten zu neuem Leben. 2016 gab es weltweit 1.000 Repair Cafés, Anfang 2020 waren es doppelt so viele. Inzwischen fand der International Repair Day am 15. Oktober dieses Jahres zum sechsten Mal statt, unter dem Motto „Überall Reparieren“.
Deutschland zählt derzeit rund 960 Repair-Cafés. Die meisten sind im Netzwerk Reparatur-Initiativen organisiert, das von der Stiftung „Anstiftung“ koordiniert wird. Das Netzwerk beteiligt sich auch am „Runden Tisch Reparatur“ und an den Abfallvermeidungsdialogen des Umweltbundesamtes und Bundesumweltministeriums.