Felix Jacob lebt seit sechs Jahren in Landau. Mit seinem Projekt „Kultur statt Kommerz“ wollte der saarländische Künstler es den Menschen leichter machen, die WM in Katar nicht zu schauen. Er teilte seine Idee auf Instagram. Was daraus wurde, hatte er selbst nicht erwartet.
Herr Jacob, was hat Sie dazu bewogen ein Alternativprogramm zur WM auf die Beine zu stellen?
Ich habe bemerkt, dass viele Menschen ein Problem mit den Zuständen in Katar haben und damit, wie die Weltmeisterschaft stattfinden soll. Ich dachte mir, alle weisen auf die Missstände hin, aber niemand tut aktiv etwas dagegen. Und ich habe mir überlegt, wie ich Teil der Lösung sein und im Kleinen etwas tun kann. Es ist ein kleiner Schritt, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich habe mich gefragt, wie ich es Menschen einfacher machen kann, die WM ebenfalls nicht zu schauen. So bin ich auf die Idee gekommen, Veranstaltungen zu planen und dass es doch bestimmt Menschen gibt, die Lust haben dabei mitzumachen.
Wie haben Sie diese Idee umgesetzt?
Ich habe dieses Gedankenexperiment damals auf meinem Instagram-Account geteilt. Und da kam so viel Zuspruch und Beteiligung, dass ziemlich schnell feststand, dass das auch durchgezogen werden muss.
Haben Sie erwartet, dass Ihr Gedankenexperiment auf Social Media so eine große Resonanz erfährt?
Nein, niemals. Ich muss auch eingestehen, dass es wirklich viel ist, was da die letzten Tage an Arbeit zusammenkam. Es ist viel Trubel und viele Menschen, die auf mich zukamen, weil sie darüber reden oder sich beteiligen wollten. Es war schon viel Arbeit, das alles zu managen. Aber inzwischen läuft es. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Nein, erwartet habe ich das nicht.
Gab es auch negative Reaktionen?
Mich persönlich hat fast keine negative Nachricht erreicht. Ich war auch bei dem Radiosender „Antenne Landau“ zu Gast. Da gab es bei einem Post einen Kommentar, der kritisierte, es ginge bei dem Projekt nur um Eigenprofilierung. Eine Freundin hat mein Reel auf Tiktok geteilt, ich selbst habe kein Tiktok, da kam ebenfalls einige negative Kritik. Aber ich glaube, das gehört einfach dazu, wenn etwas solche Wellen schlägt und auch viele Menschen außerhalb dieser Blase erreicht.
Wie sieht das Alternativprogramm zur WM aus?
Ich hatte nicht die Erwartung, dass die Idee überhaupt Leute außerhalb von Landau interessiert. Dementsprechend habe ich das so geplant, dass das Programm in Landau vor Ort stattfindet und die Menschen da hinkommen können. Es ist allerdings auch schon ein Livestream für einzelne Aktionen geplant, sodass die Leute dann auch über Instagram von außerhalb teilnehmen können.
Wir haben zahlreiche Events: Yoga, Foto-Workshops, Mal-Workshops, Psychologie-Workshops, Synthesizer-Workshops, Konzerte, Sportveranstaltungen, Spieleabende, Karaoke-Abende, Aftershowparty, Kurzfilme und noch mehr.
Sie sind Künstler und Musiker. Finden Sie es wichtig, mit Kunst politische Statements zu setzen?
Auf jeden Fall. Ich trenne das ein bisschen. Ich versuche die Reichweite, die ich durch meine Kunst bekomme auf jeden Fall dafür zu nutzen. Ich war schon immer ein sehr politischer Mensch und habe versucht meinen Teil dazu beizutragen, die Welt aus meiner Sicht ein bisschen besser zu machen. Reichweite aufzubauen und diese dann wiederum zu nutzen, um den Menschen etwas Politisches mitzugeben, ist für mich auch ein Ansporn Musik und Kunst zu machen.
Wie ist Ihre persönliche Einstellung zur WM in Katar?
Ich finde es schrecklich was dort passiert. Egal auf welcher Ebene ich das betrachte. Die Klimaebene: Es werden riesige Stadien mitten in die Wüste gebaut, die klimatisiert werden und die danach teilweise niemand mehr benutzen wird. Katar ist ein Land, das nicht unsere Kultur und unsere Werte teilt und das beispielsweise extrem homophob ist und Homosexualität als Krankheit darstellt. Dann kommt noch dazu, wie das mit den Arbeitsbedingungen bei dem Bau des Stadions lief. Aber ein ganz großer Anteil meiner Kritik gilt der Fifa und nicht Katar selbst. Katar war vorher schon so und die Fifa wusste das. Alles, was passiert ist, war abzusehen. Ein Skandal ist es für mich deshalb nicht unbedingt. Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner von Katar sind Menschen, die von außerhalb kommen und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten. Es war klar, dass so ein riesen Event da quasi nur noch mal Öl ins Feuer kippt.
Wie schätzen Sie die allgemeine Grundstimmung zur WM ein?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Abneigung gegenüber der WM vor allem in einer bestimmten Blase sehr präsent ist. Ich denke, dass viele Menschen die WM schauen werden. Durch die Medien wurde in den letzten Wochen schon eine Art sozialer Druck geschaffen, die WM nicht zu schauen. Ich glaube, alleine dadurch werden es einige Menschen auch von Zuhause aus nicht schauen. Ich verteufele auch niemanden, der es tut. Im Prinzip ist das jedem selbst überlassen. Aber ich für mich dachte, es fällt vielen leichter, es nicht zu tun, wenn es eine Alternative gibt.
„Die Leute wollen eine Alternative“
Welche Menschen möchten Sie mit „Kultur statt Kommerz“ erreichen?
Im Endeffekt möchte ich alle erreichen, auch die Hardcore-Fußballfans. Ich möchte aber auch vor allem die Menschen erreichen, die vielleicht nicht so viel mit Fußball am Hut haben, aber für die es normal ist, bei einem großen Turnier Public Viewing mit Freundinnen und Freunden schauen zu gehen. Ich brauche natürlich keine Menschen zu erreichen, die sich nicht für Fußball interessieren, denn die sind sowieso dabei. Natürlich erreichen wir auch diese Menschen und das Programm ist auch für sie zugänglich. Aber im besten Fall erreiche ich die ganzen Hardcore-Fußballfans, die geplant haben, Public Viewing zu machen und dann merken, dass da etwas viel Cooleres geht.
Haben auch andere Städte die Idee aufgeschnappt?
Ich habe mitbekommen, dass es in anderen Städten ähnliche Projekte gibt. Allerdings weiß ich nicht, ob die aufgrund von „Kultur statt Kommerz“ entstanden sind. Aber ich habe auf jeden Fall von vielen Menschen außerhalb Landaus Zuspruch bekommen und dass sie das in ihrer Stadt auch gerne hätten. Denen habe ich immer ans Herz gelegt, dass sie es doch einfach machen sollen. Weil sie selbst dazu in der Lage sind, denn es braucht dafür keine Institution oder ähnliches. Im Grunde kann so etwas ganz unbürokratisch und unkompliziert auf die Beine gestellt werden, weil niemand daran verdient.
Aber es steckt natürlich jede Menge Arbeit und auch organisatorisches Talent dahinter ...
Auf jeden Fall. Ich muss auch sagen, dass ich einfach das Netzwerk dazu in Landau habe. Ich habe schon viele Kulturveranstaltungen organisiert und Instagram-Accounts geführt, sei es von meiner Band oder anderen Projekten. Dadurch kenne ich viele Prozesse und Menschen in Landau, die zu so einem Programm etwas beitragen können, weshalb die Umsetzung für mich relativ einfach war.
Hätte die Umsetzung auch ohne Social Media so gut geklappt?
Nein, ohne Social Media wäre das niemals passiert. Denn erst dadurch habe ich selbst erkannt, dass es mich frustriert, dass so viele Menschen die WM kritisieren, ohne dass es eine wirkliche Lösung dafür gibt. In anderen Fällen gibt es Petitionen oder Spendenaufrufe, wo man selbst aktiv werden kann. Aber in dem Fall gab es das einfach nicht. Ich habe es zumindest nicht mitbekommen. Ich war damals krank, als ich diesen Gedanken aus meinem Kopf einfach in meiner Instagram-Story ausformuliert habe. Und darauf habe ich dann 100 Rückmeldungen bekommen. Das ist eine Resonanz, die überhaupt nicht im Verhältnis zu anderen Stories steht, die ich sonst poste. Und da habe ich gemerkt, dass die Leute eine Alternative zur WM wollen. Und dann dachte ich, während ich krank bin und sowieso im Bett liege, kann ich auch mal schauen, was ich auf die Beine gestellt bekomme. Und der Kalender hat sich relativ schnell gefüllt. Sehr viele Menschen wollten das Projekt unterstützen.