Die Game Awards in den USA stehen an. Deutsche Videospiele stehen dort selten auf dem Siegertreppchen. Fördergelder könnten Abhilfe schaffen. Diese hat die Bundesregierung nun im letzten Augenblick noch einmal erhöht – zur Erleichterung der gesamten Branche.
Es war eine Schocknachricht für die deutsche Computerspielbranche: die Fördertöpfe des Bundes sind leer. Nachdem 2020 erstmals der Bund Millionen für die Entwicklung von Videospielen in Deutschland ausgegeben hat und diese Fördertöpfe bis zu diesem Jahr immer gefüllt waren, fielen sie nun zum Ende des Jahres trocken. Das Bundeswirtschaftsministerium stoppte neue Anträge bis auf Weiteres. Für 2022 und 2023 waren 130 Millionen Euro dafür vorgesehen, nun waren bereits alle Gelder zugewiesen. Alleine im November hatte das Ministerium 5,5 Millionen Euro Fördergelder ausgeschüttet. 2,5 Millionen Euro erhielt unter anderem das Action-Rollenspiel „Project Minerva“ des Münchner Studios Grimlore Games, das bereits Erfahrung mit der „Spellforce“-Reihe gesammelt hat.
Mit 130 Millionen Euro gefördert
In letzter Sekunde hat nun der Bundestag in seiner Haushaltssitzung neue Gelder für die Games-Förderung freigegeben und den Fördertopf mit zunächst 20 Millionen Euro aufgefüllt. Das, so der Game Bundesverband, werde aber nicht reichen. Die Fördermittel orientierten sich nicht am Bedarf, so Verbandsgeschäftsführer Felix Falk, und müssten transparenter und damit planbarer für die Branche sein. „Deshalb ist es in einem nächsten Schritt wichtig, die Fördermittel für die kommenden Jahre auf 100 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Gleichzeitig muss die Einführung einer Steuererleichterung für Games-Entwicklung geprüft werden, wie sie von fast allen erfolgreichen Games-Standorten wie Kanada, Frankreich oder Großbritannien angewendet wird“, so Falk.
Steuerliche Erleichterungen für Computerspielhersteller gibt es in Frankreich bereits seit 2007 – ein Grund, warum sich dort erfolgreiche Studios und Publisher wie Focus Entertainment („Snowrunner“, „A Plague Tale“), Quantic Dream („Heavy Rain“, „Detroit: Become Human“), Arkane („Dishonored“, „Deathloop“) oder der Spieleriese Ubisoft („Assassin’s Creed“, „Far Cry“) niedergelassen haben. Kein Wunder, dass sich auch deutsche Entwickler von einer reduzierten Steuer einen deutlichen Branchenaufschwung erhoffen.
Nach dem Herzklopfen der Branche aber gibt es Entwarnung auch aus vielen Bundesländern. Laut Medienberichten haben viele davon ihre Fördersummen erhöht, darunter die deutschen Top-Spielestandorte Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dass die Unternehmen so stark auf öffentliche Gelder angewiesen sind, wirft jedoch ein bezeichnendes Licht auf eine Branche, die sonst kaum Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Projekte findet.
Die Corona-Pandemie in den vergangenen Jahren hat ihres dazu beigetragen, dass das Interesse an Computerspielen noch einmal gestiegen ist. Mittlerweile spielen laut Game Bundesverband 59 Prozent der Menschen Videospiele, Männer wie Frauen gleichermaßen. Das Durchschnittsalter beträgt mittlerweile 38 Jahre.
„Noch nie haben sich so viele Millionen Menschen in Deutschland für Games begeistert“, kommentierte Felix Falk diese Zahlen. „Für die Menschen gehören Games damit genauso selbstverständlich zu ihrem täglichen Medienkonsum wie Fernsehen, Musik oder Social Media.“
Zudem wurden mehr Studios gegründet. In den vergangenen zwei Jahren nahm die Zahl der Unternehmen, die Videospiele entwickeln oder vertreiben, um ein Viertel zu, auf 786 Unternehmen. Knapp 11.000 Beschäftigte erwirtschafteten 2021 einen Umsatz von 9,7 Milliarden Euro – mit großer Wahrscheinlichkeit auch dank der Pandemie, die die Spielerzahlen hochtrieb.
Die Entwickler reichen auch immer größere Projekte ein. So berechnete der Game Bundesverband, dass seit Beginn der Bundesförderung 2020 zwölf Prozent mehr Einstellungen zu verzeichnen waren, die Anzahl der Games-Unternehmen insgesamt um 26 Prozent gestiegen ist. Die meisten Unternehmen hätten zudem ihre Projektbudgets deutlich erhöhen können.
Natürlich ist dies nicht gleichbedeutend mit mehr Erfolg: Selbst große Entwicklungsbudgets produzieren gelegentlich Flops, wie etwa der polnische Entwickler und Publisher CD Projekt mit dem viel gehypten Blockbuster-Titel „Cyberpunk 2077“ erfahren musste. Obwohl man das Ruder nach einem völlig verkorksten Start mit vielen Bugs noch herumreißen konnte, verlor das am höchsten bewertete Gamestudio in Europa gleich mehrere Milliarden Euro an Wert.
Geringer Anteil deutscher Games
Dennoch hat sich Deutschland auf die Fahnen geschrieben, zumindest in der Spieleentwicklung international deutlicher mitzumischen. Die derzeit verfügbaren 70 Millionen Euro Förderung aber werden nicht reichen, um in der weltweiten Liga spielen zu können. Chinesische, amerikanische oder japanische Konzerne sind längst enteilt, und selbst die europäischen Nachbarn wie Polen, Frankreich oder Finnland verzeichnen – zum Teil auch dank Studios, die multinationalen Unternehmen gehören – einen signifikanteren Stellenwert im weltweiten Gaming-Markt. Ohnehin mausert sich Osteuropa gerade zu einem bemerkenswerten Hotspot für digitale Spiele, dies beweisen große Titel wie „Cyberpunk 2077“ und „The Witcher“ aus Polen, das grafisch und erzählerisch beeindruckende „Disco Elysium“ aus Estland oder die „S.T.A.L.K.E.R.“- Reihe aus der Ukraine.
Was bereits heute aus Deutschland kommt, dafür mag der Deutsche Computerspielpreis als Schaufenster gelten. In diesem Jahr gewann „Chorus“ vom Hamburger Studio Deep Silver Fishlabs den Preis als bestes deutsches Computerspiel – innovativ, mit spielhistorischen Reminiszenzen an die Arcade-Action der 80er, teils knackiger Schwierigkeit und einer für dieses Genre unerwartet tiefen Erzählung über Schuld und Sühne. Und auch sonst müssen sich deutsche Titel nicht vor der internationalen Konkurrenz verstecken. Dies beweisen zum Beispiel „Hunt: Showdown“ von Crytek aus Frankfurt oder der Mobile-Game-Dauerbrenner „Albion Online“.
Dennoch ist die Zahl der internationalen Hits deutscher Entwickler überschaubar. „Crysis“ und „Far Cry“ gelten als deutsche Überraschungserfolge, die „Anno“- und „Siedler“-Reihe zementierten Deutschlands Ruf als Experten für Aufbaustrategie, das Rollenspiel „Elex“ knüpfte an vergangene deutsche Erfolge des Klassikers „Gothic“ an.
Mangels eigener deutscher Gaming-Schwergewichte stellen deutsche Entwicklungen nur einen geringen Anteil der Spiele, die hierzulande gespielt werden: laut Jahresreport der Branche nur etwa vier Prozent. 96 Prozent der Spiele stammen aus anderen Ländern. Mit einer gesteigerten Förderung und dem erhöhten Budget einzelner deutscher Spiele könnte dieser Anteil in Zukunft etwas schneller wachsen. Doch dass Deutschland in absehbarer Zeit im Gaming-Olymp ankommt, darf aufgrund des rasanten internationalen Wachstums im Vergleich zum heimischen eher bezweifelt werden.