Goldene Locken in Kombination mit rotem Schmollmund und einem perfekt gezogenen schwarzen Lidstrich: Auch 60 Jahre nach ihrem Tod bleibt Marilyn Monroe eine Stilikone – und ihr Look zeigt sich aktueller denn je.
Inzwischen haben sich die hohen Wellen, die das von Regisseur Andrew Dominik inszenierte Opus „Blond“ geschlagen hat, deutlich abgeschwächt. Der Streifen wurde von Netflix als Prestigeobjekt samt Vorabpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes mit Blick auf eine mögliche Oscar-Nominierung finanziert. An dieser Stelle soll daher die überaus kontroverse, dabei meist kritisch-negative Rezeption kurz zusammengefasst werden, die hierzulande in nahezu allen seriösen Medien ihren Niederschlag gefunden hatte.
4,6 Millionen Dollar für eines ihrer Filmkleider
Denn das Thema Marilyn Monroe lässt auch 60 Jahre nach dem Tod der wohl berühmtesten Schauspielerin aller Zeiten niemanden kalt. Das garantiert stets immens große Aufmerksamkeit in einer breiten Öffentlichkeit, egal ob eine neue Biografie, vermeintliche Enthüllungs-Storys oder eben ein neuer Film den willkommenen Anlass dazu liefern. Als Vorlage für seinen Film diente Regisseur Andrew Dominik der im Jahr 2000 erschienene Roman „Blond“ der US-amerikanischen Schriftstellerin Joyce Carol Oates. Die hatte sich bei ihrem Buch alle Freiheiten genommen und nach eigenem Bekunden lediglich eine fiktionale Erzählung rund um das Leben von Marilyn Monroe erstellt. Dabei war es ihr besonders darum gegangen, die oft toxische Natur des Starkults im Umfeld von Hollywood darzustellen. Das Verfassen einer ausschließlich auf Tatsachen beruhenden Biografie war daher gar nicht die Absicht hinter dem Werk von Oates, sondern es ging ihr letztlich hauptsächlich um die verletzliche und traumatisierte Norma Jeane Mortenson (Geburtsname von Monroe) beziehungsweise Norma Jeane Baker (Taufname), die sich zeitlebens hinter dem Star Marilyn Monroe verborgen hatte.
Die künstlerischen Freiheiten, die sich Oates genommen hatte, wollte man hingegen Andrew Dominik bei seinem Netflix-Werk nicht zugestehen. Weil dieser doch bitteschön der echten Monroe ein filmisches Denkmal setzen und sie nicht als relativ talentloses Dummchen und als von Missbrauch, Psychosen und Ausbeutung belastetes Sexsymbol in der Maschinerie des Hollywood-Systems zeigen sollte. Dominiks Streifen „Blond“ wurde daher vorgeworfen, frauenfeindlich, ausbeuterisch und voyeuristisch zu sein. Der „Spiegel“ warf dem Regisseur vor, „die Hollywood-Ikone zum Hohlkopf zu degradieren“, obwohl die wahre Marilyn doch belesen gewesen sei, sich gegen die Kommunistenhetze in den USA engagiert und sogar eine eigene Produktionsfirma gegründet habe.
Bei all den Kontroversen um „Blond“ wurde ein Aspekt gar nicht oder nur ganz am Rande berücksichtigt, der das heutige Bild von Marilyn Monroe ganz entscheidend mitgeprägt hat. Schließlich gilt sie als eine der größten Stilikonen aller Zeiten. Von daher wäre durchaus zu erwarten gewesen, dass den im Film präsentierten Roben eine ganz besondere Beachtung geschenkt worden wäre. Zumal Andrew Dominik ja auch die prägnantesten modischen Sequenzen aus Marilyns Filmschaffen mit der eigenen Kamera nachgestellt hatte.
Dabei musste natürlich das legendäre, durch die Belüftung eines New Yorker U-Bahnschachtes voyeuristisch nach oben gewehte weiße Plissee-Neckholder-Kleid aus dem Film „Das verflixte 7. Jahr“ ebenso vertreten sein wie etwa das pinkfarbene Satinkleid aus dem Streifen „Blondinen bevorzugt“, als sie in diesem Dress den Song „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“ geträllert hatte. Beide Roben wurden übrigens von William Travilla (1920–1990) entworfen, einem der berühmtesten Kostümbildner Hollywoods, der für die Garderobe in insgesamt acht Werken Marilyns verantwortlich zeichnete. Travilla hatte im Rückblick auf das weiße Dress, immerhin eines der wichtigsten filmgeschichtlichen Pieces überhaupt, von einem „albernen kleinen Kleid“ gesprochen, das allerdings so begehrt war, dass es 2011 bei einer Auktion für stolze 4,6 Millionen Dollar unter den Hammer gekommen war.
Knappe Carmenblusen oder Oversized-Hemden
Doch abseits der Leinwand konnten solch ausgefallene Kreationen wie das für weibliche Sinnlichkeit und Verführungskunst stehende weiße Kleid mit seinem offenherzigen Ausschnitt im prüde-konservativen Amerika der 1950er-Jahre kaum adaptiert werden. Schon eher das hautenge, hautfarbene, rückenfreie, bodenlange, perlenbesetzte und von Designer Jean Louis entworfene Glitzerkleid, das Marilyn Monroe bei ihrem legendären Geburtstagsständchen für US-Präsident John F. Kennedy vor 15.000 Zuschauern im New Yorker Madison Square Garden im Mai 1962 getragen hatte. Als Gala-Abendrobe konnte es durchaus in Betracht gezogen werden, auch wenn das Dress so eng geschnitten war, dass die letzten Nähte erst am Körper der Hollywood-Ikone geschlossen werden konnten. Das dürfte auch bei Kim Kardashian nötig gewesen sein, die das Original auf einer Auktion in Kalifornien erworben und Anfang Mai auf dem roten Teppich der Met-Gala präsentiert hatte, nachdem sie eigens einige Kilo abgenommen hatte, damit sie trotz ihrer üppigen Hüften in das Kleid hineingepasst hatte.
Modedesigner Bob Mackie, der einst als Assistent von Jean Louis an der Kreation beteiligt gewesen war, war über den Kardashian-Auftritt wenig amused. Denn dieses Dress war eigentlich nur für die „Göttin“ Marilyn gestaltet worden, die den Aufstieg vom Pin-up-Girl zum bewunderten Schauspiel-Star geschafft hatte: „Es wurde für sie gemacht. Es wurde für sie entworfen. Niemand sonst sollte in diesem Kleid gesehen werden.“
Es gilt jedenfalls festzuhalten, dass mit Marilyns Namen nie ein solches Fashion-Signature-Piece verbunden werden konnte, wie es beispielsweise bei ihrer Kollegin Audrey Hepburn mit dem von Hubert de Givenchy für den Film „Frühstück bei Tiffany“ von 1961 geschaffenen „Kleinen Schwarzen“ der Fall sein sollte. Marilyns Vorlieben für freizügige Dekolletees oder für einen figurbetonten Schnitt, vor allem für die ihre Kurven perfekt in Szene setzenden Corsagen, konnten schon zu ihren Lebzeiten alltagstauglich nachgeahmt werden. Dabei hatte sie offiziell Kleidergröße 42 getragen, soll jedoch meist ihre Klamotten zum Hervorheben ihrer Rundungen ein bis zwei Nummern kleiner gewählt haben. Knappe Kostüme, in denen ihre schlanken Beine und ihre prächtige Büste ideal zur Geltung kommen konnten, zählten ebenso zu ihrem Bekleidungs-Repertoire wie luftige Blümchenkleider, trägerlose Samt-Dresses, diverse Pailletten-Pieces, Seidenkleider, Etuikleider, taillierte Jacken, enge Bleistiftröcke, Petticoats, Cat-Eye-Sonnenbrillen oder Opera-Gloves.
In Hosen oder Hosenanzügen sah man sie selten, abgesehen von ihrem privaten Umfeld. Da ließ sie sich auch schon mal gern in Mom-Jeans ablichten. Denn diese hatten dank dem hohen Bund und den weit geschnittenen, aber an den Fesseln schmal zulaufenden Beinen, ein optimales Styling in Kombination mit knappen Carmen-Blusen oder weißen Oversized-Hemden erlaubt. Ihre eher lässige Privat-Garderobe wurde immer mal wieder thematisiert, obwohl dabei nie vergessen werden darf, dass Erkenntnisse darüber letztendlich nur auf exakt kalkulierten Inszenierungen anlässlich von Fototerminen beruht hatten. Statt der taillierten Kleider waren dann Caprihosen, Bundfaltenhosen, T-Shirts, gemusterte Blusen, Poloshirts, Baumwolltops, Rollkragenpullover, Strickjacken oder Seidenpyjamas zu bewundern. Letztere ließ sie allerdings im Bett nach eigenem Bekunden schnell links liegen, da sie unter der Decke nichts anderes als ein paar Tropfen Chanel No. 5 auf ihrem Körper und ihrer ebenmäßigen, nahezu schneeweißen, von ausgiebigen Sonnenstrahlen nie geküssten Haut zu tragen pflegte.
Chanel No. 5 war ihr absolutes Lieblingsparfüm neben Rose Geranium von der Londoner Duftmanufaktur Floris. Die Lady gönnte sich da natürlich nur das Beste, was sich auch in ihrem exquisiten Champagner-Geschmack niedergeschlagen hatte. Bei Terminen für Modemagazin-Sessions pflegte sie daher stets eine Flasche Dom Perignon umgeben von Perlenketten oder transparenten Schals dekorativ arrangieren zu lassen.
Doch den meisten ihrer Klamotten haftete nichts Außergewöhnliches an. Ihren Status einer Stilikone verdankte sie denn auch hauptsächlich ihrer Frisur und ihrem Make-up. Also ihrem platinblonden Bob, ihrem roten Schmollmund, ihrem schwarzen Lidstrich, ihren langen Wimpern und einem markanten Schönheitsfleck auf der Wange.
Im Zuge des Starts von „Blond“ setzte denn auch erwartungsgemäß in den sozialen Medien ein wahrer Run auf den sogenannten Monroecore ein. Wobei vor allem die Nachfragen nach rotem Lippenstift oder nach Frisuren im „Old Hollywood Style“ der 1950er-Jahre und dem „Undone Marilyn Bob“ regelrecht in die Höhe schossen. Im Laufe der zurückliegenden Jahre und Jahrzehnte hatten sich ohnehin schon eine ganze Reihe von VIP-Ladys durch Adaption dieser charakteristischen Merkmale in Monroe-Epigonen verwandelt, von Madonna über Paris Hilton und Christina Aguilera bis hin zu Michelle Williams und Billie Eilish auf der Met-Gala 2021. Oder eben Kim Kardashian in diesem Jahr, die nicht nur das Monroe-Kleid getragen, sondern sich auch mit platinblond gefärbtem Haar präsentiert hatte. Ähnlich wie die ursprünglich brünette Marilyn, die ihr Haar dank des legendären Hollywood-Maskenbildners Allan „Whitey“ Snyder in ihr berühmtestes Markenzeichen hatte verwandeln lassen, musste auch die kubanisch-spanische „Blond“-Hauptdarstellerin Ana de Armas ein komplettes Umstylen ihres brünetten Schopfes Richtung Platinblond über sich ergehen lassen. Sie soll angeblich jeden Drehtag dreieinhalb Stunden in der Maske verbracht haben.
Bis zu fünf verschiedene Rottöne
Ana de Armas sollte damit Patin eines neuen Frisuren-Trends des Winters 2022/2023 werden: dem platinblonden Bob à la Marilyn Monroe. Wofür zum Nachmachen gleich diverse Tipps und Anleitungen ins Web gestellt wurden.
Als Basic-Voraussetzung sollte das Haar kinnlang und leicht gestuft sein. Eine notwendige Ergänzung des Looks sind rote Lippen und ein schwarzer Lidstrich. Für den perfekten vollen Schmollmund à la Monroe hatte deren Visagist übrigens bis zu fünf verschiedene Rottöne aufgetragen, dunkle, satte Rottöne auf der Lippen-Außenseite und hellere auf der Innenseite, wodurch die Illusion von Fülle und Dimension erzeugt wurde.
Und noch ein Geheimnis für den berühmten Monroe-Glow: Statt des heute gebräuchlichen Highlighters setzte Marilyn in Vorgriff des aktuellen K-Beauty-Trends „Slugging“ auf das Auftragen von Vaseline-Schichten unter ihrer Foundation.