Von der allgemeinen Wirtschaftskrise bleibt auch das Berliner Handwerk nicht verschont. Laut dem aktuellen Konjunkturbericht leiden alle Branchen querbeet. Nur das Ausbaugewerbe steht noch gut da.
Mitte November standen etliche Bäckerinnen und Bäcker an einer viel befahrenen Kreuzung in der Nähe des Düsseldorfer Landtages. Mit weißer Arbeitskleidung einschließlich Bäckermütze verteilten sie 5.000 Berliner an Passanten und Autofahrer. Mit dem Verteilen der süßen Backwaren wollten die Branchenvertreter auf ihre prekäre wirtschaftliche Lage hinweisen. Auch forderten sie mehr Hilfe für Energiekosten.
„Wir stehen als Bäcker hier im Grunde stellvertretend auch für viele Handwerksbranchen, die unter Druck stehen und weitere Entlastungen fordern“, zitierte der Westdeutsche Rundfunk einen an der Aktion beteiligten Bäcker. Sicherlich agierten die Düsseldorfer stellvertretend für das bundesweite Handwerk an diesem Morgen.
In Berlin sieht es ähnlich klamm aus. Wirtschaft und Handwerk der Hauptstadt stehen erneut vor einem schweren Winter. „Anders als erhofft, hat sich das laufende Jahr nicht als Einstieg in einen Aufschwung erwiesen“, heißt es in dem aktuellen „Berliner Konjunkturbericht“, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin (HWK) veröffentlicht hat. Steigende Rohstoff- und Energiepreise, unterbrochene Lieferketten und getrübte Konsumlaune machen Berliner Betrieben zu schaffen.
„Viele Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten blicken sorgenvoll in den dritten Krisenwinter“, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Berliner HWK. Außer massiven Preissteigerungen vor allem für Energie und Rohstoffe prägen die sich beschleunigende Inflation sowie der anhaltende Fachkräftemangel das Konjunkturklima des Handwerks in der Hauptstadt.
Große Verunsicherung greift um sich. Das hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Geschäftsklimaindex. Laut IHK-Bericht stürzt er im Vorjahresvergleich um 22 Zähler ab. Aktuell steht er bei 91 Punkten. Seit 1991 gab es nur im Herbst 2020 einen noch stärkeren Rückgang des Indikators. Damals waren einige Gewerke erheblich von den Corona-Auflagen betroffen. Jetzt, zwei Jahre später, trifft es alle Handwerksbereiche.
Verzögerte Produktionsabläufe
Zwar kam es dem Bericht zufolge noch zu keinem kritischen Einbruch der aktuellen Geschäfte. Doch die massive Verunsicherung ist vor allem in den Erwartungen der Betriebe zu spüren. Etwas mehr als ein Drittel der Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als gut. Doch etwa jeder siebte Betrieb (15 Prozent) beurteilt die eigene Lage bereits als schlecht. Der Trend geht nach unten. Das bestätigen die Wirtschaftsindikatoren. Der Auftragslagesaldo steht nur noch bei drei Punkten. Selbst gut gefüllte Auftragsbücher stimmen nicht mehr in jedem Fall zuversichtlich. Verzögerungen in den Produktionsabläufen oder sogar Auftragsstornierungen prägen zunehmend den Alltag der Betriebe. Dies manifestiert sich auch in ihren Prognosen zur Nachfrageentwicklung. Der entsprechende Saldo liegt mit 17 Punkten im negativen Bereich. Noch im Frühjahr lag er mit 21 Punkten im Plus. Laut Bericht ist das ein Zeichen für die steigende Besorgnis der Betriebe bis hin zu Existenzängsten. Ein Stopp der rasant steigenden Preise für Vorprodukte und Energie ist nicht in Sicht. Das bleibt selbstredend auch nicht ohne Wirkung auf die Preisgestaltung der Handwerker gegenüber ihren Kunden. Der Saldo zur Entwicklung der Verkaufspreise erreicht mit seinen 63 Punkten einen Rekordwert. 68 Prozent der Betriebe berichten von Preiserhöhungen.
Hinzu kommt der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Die Beschäftigungspläne der Betriebe waren zumeist expansiv ausgerichtet. Aber die Umsetzung gestaltet sich immer schwieriger. Ein Trend, der sich weiter verstärken wird, denn jetzt spielt nicht mehr nur das unzureichende Bewerberpotenzial eine Rolle, sondern die drohende Rezession könnte Betriebe zwingen, Neueinstellungen zurückzustellen oder sogar Personal abzubauen. Sowohl der Beschäftigungslagesaldo als auch der Prognosesaldo sind mit sechs Punkten im Minus. Insgesamt steht der Saldo aus positiven und negativen Geschäftserwartungen bei minus 32 Punkten.
Nur etwa jeder zehnte Betrieb prognostiziert bessere Geschäfte. 41 Prozent erwarten eine Verschlechterung. Mittlerweile überwiegen in allen Branchen deutlich die Stimmen, die von einer noch schlechteren wirtschaftlichen Lage ausgehen. Unter den Berliner Handwerken für den persönlichen Bedarf, für Nahrungsmittel und für Kraftfahrzeuge erwartet kein einziger Betrieb eine Verbesserung der Geschäfte. „Energieintensive Betriebe, die ja schon seit Monaten hohen Belastungen ausgesetzt sind, brauchen eine zusätzliche Unterstützung“, fordert HWK-Chef Jürgen Wittke.
Es gehe darum, die Härtefallregelungen für die Handwerksbetriebe zielgenau zu formulieren, so der Hauptgeschäftsführer. Dadurch sollten beispielsweise Bäckereien und Textilreinigungen „unbeschadet durch den Winter kommen.“
Tragende Stütze der Berliner Handwerkskonjunktur ist momentan nur das Ausbaugewerbe. Damit sind jene Betriebe gemeint, die Ausbauleistungen erbringen. Dazu zählen zum Beispiel der Fensterbau, der Einbau von Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie Klempner-, Maler- und Bodenbelag-Arbeiten und andere Handwerksleistungen im Baugewerbe. In dieser Branche überspringt der Klimaindex mit 104 Punkten noch die 100-Punkte-Marke.