Die Kampfansage liegt im Namen: „Letzte Generation“. Eine weitere Facette, denn schon zuvor hatten einige etwas martialisch einen „Krieg der Generationen“ ausgemacht. Geht es noch halbwegs gerecht zu zwischen den Altersgruppen?
Das waren noch Zeiten, als man sich so herrlich über die Schulschwänzer aufregen konnte, die lieber fürs Klima demonstrieren als unnützes Zeug lernen wollten. Dabei waren die eigentlich doch ganz nett und ihr Anliegen ja auch irgendwie berechtigt – im Nachhinein betrachtet. Jedenfalls war alles allemal zivilisierter, als mit Essen auf Kunstwerke zu werfen und sich auf Straßen anzukleben, und damit selbst umweltfreundliche Elektro-SUVs zu blockieren.
So ungefähr könnte die freundliche und etwas weichgespülte Zusammenfassung vieler Debatten klingen. Tatsächlich aber hat sich der Tonfall ziemlich verschärft. Dass sich ein Teil der Protestbewegung selbst als „Letzte Generation“ bezeichnet, kommt nicht von ungefähr. Auch die Begründung für immer rabiatere Protestformen kann nicht wirklich überraschen.
Dabei ist das große Jammern darüber, dass „die Jugend“ (was auch immer das sein mag), zu unpolitisch, zu brav, zu wenig aufmüpfig sei, noch gar nicht so lange her. Jugendforscher hätten das so simpel nicht unterschrieben, aber das allgemeine Bild war klar. Das hat „die Jugend“ längst gründlich und rasant widerlegt. Von „Fridays for Future“ bis zur „Letzten Generation“ zieht sich der Protest gegen die ältere Generation durch. Das hat viel von klassischem Generationenkonflikt – und stellt doch ganz andere Gerechtigkeitsfragen auf anderen Ebenen.
Ein Vorwurf der Jüngeren ist wohl so alt wie die Geschichte der Menschen, seitdem sie organisiert in Gemeinschaften zusammenleben. Trotzdem kommt er einem immer wieder neu vor, gleichzeitig aber auch irgendwie selbstverständlich. Der Vorwurf lautet schlicht: Ihr verbaut uns unsere Zukunft. Was logischerweise als ungerecht empfunden wird. Die Älteren fühlen sich dadurch ihrerseits ungerecht behandelt, tun sie doch im eigenen Verständnis alles dafür, dass es der nächsten Generation, vor allem den eigenen Kindern und Enkel, künftig besser gehen kann als einem selbst.
Gäbe es diesen Konflikt, zu dem auch schon mal Grenzüberschreitungen dazugehören, nicht, käme das merkwürdig und seltsam daher, mit zeitweiligen Irritationen über eine angeblich so unpolitische und brave Jugend. Am Ende wird die jetzt jüngere Generation auch mal älter und wird sich dann, mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert, ebenfalls unfair behandelt fühlen. Jede Wette darauf.
Soweit, so bekannt – und nicht wirklich aufregend. Die Geschichte wäre damit zu Ende erzählt. Ist sie aber nicht.
Denn diesmal ist zwar nicht alles anders, aber in wesentlichen Punkten gibt es doch Unterschiede. Die Punkte heißen „Kipp-Punkte“, also jene Grenzen, ab denen Entwicklungen nicht mehr rückgängig zu machen sind – mit allen Folgen.
Damit ist die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen in ganz anderer Schärfe als jemals vorher gestellt.
In Sachen Klima sind die Grenzen markiert. Naturwissenschaftlich ziemlich klar. Aber auch gesellschaftlich. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner wegweisenden, für manche sogar historischen Entscheidung im Blick auf Klimaschutz neue Maßstäbe im Verhältnis der Generationen gesetzt.
Es geht um die Verteilung
Standen in der Vergangenheit eher aktuelle Verteilungen im Vordergrund, etwa beim sogenannten Generationenvertrag, geht es jetzt auch um zukünftige Verteilungen. Verteilung von Belastungen und unabdingbaren Herausforderungen – und damit die Frage nach Chancen, Möglichkeiten freier Entfaltung.
Werden Lebensgrundlagen durch Klimawandel vernichtet, brauchen wir auch nicht mehr über andere Gerechtigkeitsfragen im Verhältnis der Generationen zu diskutieren. Diese These ist plausibel. So plausibel, dass sie auch als alles andere erschlagende Keule eingesetzt wird. Der Vorwurf der Jüngeren: Die Älteren haben alles verpeilt, sie hätten es seit einem halben Jahrhundert (Stichtag: erster Bericht des Club of Rome) besser machen müssen, stattdessen alles auf die nächste Generation abgeladen. Die steht nun vor Kipp-Punkten. Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun?
Dazu kommt: Wenn jetzt mit einem Wahnsinnskraftakt im Endspurt doch noch alles versucht wird, dann mit derart hohem (Investitions-)Aufwand, dass man zwar vielleicht am Klimakollaps vorbeischrammt, aber dafür eine Art finanziellen Kipp-Punkt erreicht, weil angehäufte Schuldenberge Gestaltungsmöglichkeiten auf annähernd Null reduzieren.
Als würde das nicht reichen, tut nach Überzeugung misstrauischer junger Akteure die demografische Entwicklung ein Übriges. Gibt es immer mehr ältere Menschen in einer Gesellschaft, sollte man in einer auf Mehrheitsvoten gegründeten Demokratie eine entsprechend einseitige Politik erwarten dürfen.
Dabei ist noch kein Wort gefallen von den mittelfristigen Folgen der Pandemie. Immerhin hat der Ethikrat in einer sogenannten Ad-hoc-Stellungnahme mehr Aufmerksamkeit dabei für die Jüngeren eingefordert. Das schlichte Fazit aus allem: Generationengerecht sieht anders aus.
Das allerdings sieht nicht nur die junge Generation so, auch wenn deren Anliegen besonders prominent in der öffentlichen und medialen Diskussion stehen. Die ältere Generation findet sich vielfach bei Weitem nicht so aufmerksam behandelt – und empfindet alleine schon das als ungerecht, als wäre es nicht schon unfair genug, ständig für alles verantwortlich gemacht zu werden.
Vom Klima bis zu den Sozialsystemen, die alleine schon deshalb an ihre Grenzen stoßen, weil es immer mehr Ältere gibt, was schließlich eine Belastung der Jüngeren bedeutet, zumindest in der Logik des bislang geltenden Generationenvertrags. Und der, so hat es den Eindruck, wird zunehmend infrage gestellt.
Michael Opoczynski hat schon vor einiger Zeit einen „Krieg der Generationen“ ausgemacht und gleich mal im Untertitel seines Buches geklärt: „Warum unsere Jugend ihn bald verloren hat“. Die Aufmerksamkeit war garantiert.
Aber ist ein gegeneinander Ausspielen der unterschiedlichen Interessen unterschiedlicher Gruppen ein Beitrag, zu einem gerechteren Verhältnis zu kommen?
Ist es überhaupt zutreffend, von „der jungen“ und „der älteren“ Generation zu reden und dabei so zu tun, als herrschten in diesen Einteilungen gleiche Interessenlagen vor? In der einen Gruppe bereitet Altersarmut Sorge, so wie in der anderen Kinder- und Jugendarmut, oder das Armutsrisiko Alleinerziehender (vorwiegend Frauen). Genauso wie es in der einen Gruppe Rentner und Pensionäre ohne materiell-finanzielle Sorgen gibt, wie in der anderen junge Menschen, für die das Elternhaus keine Bildungschancen einschränkt, ganz im Gegenteil. Ist das vielleicht gerecht? Und wo sind da gemeinsame oder gegensätzliche Interessen?
Trotz allem im Dialog bleiben
Oder stimmt eigentlich die implizite Unterstellung, „die Jugend“ wolle das Klima retten, während „die Alten“, sich keiner Schuld bewusst im Grunde nur einfach so weitermachen wollen wie bisher? Nach mir die Sintflut? Als hätten die kein Interesse an der Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder, idealerweise in einer intakten Umwelt unter lebenswerten gesellschaftlichen Umständen?
Ein gutes Stück dieser Gemeinsamkeit hat übrigens Fridays For Future gezeigt. Da standen dann die „Scientists“ neben den „Students for Future“, die „Parents for Future“ halfen und helfen mit, die Demos und Aktivitäten zu organisieren, „Omas und Opas for Future“ suchen auf Social-Media-Kanälen „Mitstreiter der Generation 50 plus für eine lebenswerte Zukunft“.
Damit sind natürlich noch keine der großen (und kleinen) Probleme im Verhältnis der Generationen gelöst. Die werden auch in absehbarer Zukunft zu heftigen Verteilungsdiskussionen führen. Die Frage ist nur, wie sie ausgetragen werden (was die Beteiligten generationenübergreifend entscheiden), damit es am Ende einigermaßen gerecht zugeht.