In der Weihnachtszeit vor drei Jahren nahm in Wuhan eine Entwicklung ihren Lauf, die die Welt bis heute in Atem hält. Ein neues Coronavirus sorgte für eine einzigartige Pandemie. Ebenso einzigartig war und ist die Entwicklung wirksamer Impfstoffe.
Dass der Markt von Wuhan einmal globale Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, war nicht unbedingt zu erwarten, obwohl die Millionenmetropole Wuhan unter den Top 50 der wirtschaftsstärksten Regionen rangiert. Kurz vor Weihnachten 2019 hatten Experten immerhin düstere Ahnungen. Sie sollten sich bestätigen, und das rasend schnell.
Am 1. Dezember 2019 war ein erster Krankheitsfall gemeldet worden, am 20. Dezember waren es 60, und am 27. Dezember bestätigte eine Ärztin in der chinesischen Millionenstadt, dass die Krankheit von einem neuartigen Coronavirus ausgelöst wurde. Am 30. Dezember wurde einem Arzt, der im Internet vor einer schweren Atemwegserkrankung warnte, von den Behörden eine Unterlassungserklärung abgenötigt. Einen Tag später sollten die dann die Weltgesundheitsorganisation (WHO) informiert haben.
Ab dann ging alles in der global vernetzten Welt so extrem schnell, dass Informationen im Stundentakt bereits überholt waren.
Der Markt in Wuhan, mutmaßlicher Ausgangspunkt der Pandemie, war geschlossen worden, im Frühjahr 2020 folgten rund um den Globus Lockdowns. Und bei der Ursachenforschung geriet ein Biolabor für die Erforschung gefährlichster Krankheitserreger ins Visier. Berichte von Experten der WHO lenkten den Verdacht auf eine Fledermausart, die das Virus auf Menschen übertragen haben könnte.
China als Ursprungsland hat von Anfang an eine gnadenlose Null-Covid-Politik gefahren und fast drei Jahre durchgehalten. Zuletzt hatten Proteste die bis dahin starrköpfige Regierung zu weitgehenden Lockerungen genötigt. Weil das Land darauf aber nicht vorbereitet war, kam es, wie zu erwarten war: Kliniken sind in kürzester Zeit überlagert. Nach Zero-Covid jetzt ein Covid-Chaos.
Virus verbreitete sich von Wuhan aus
Die Behörden, die zuvor schon bei einem Positiv-Test ganze Dörfer und Stadtteile gesperrt hatten, reagierten in erschreckendem Maße hilflos. Zunächst wurde die Gefährlichkeit der Omikron-Variante relativiert, dann die bisherige Corona-App, über die das öffentliche Leben de facto gesteuert wurde, abgeschaltet. Jetzt kursieren Aufrufe, Krankenhäuser nur in wirklichen extremen Notsituationen aufzusuchen.
Von chinesischen Verhältnissen ist Deutschland samt seinen europäischen Nachbarländern aktuell ziemlich weit entfernt. Lockerungen gibt es hierzulande zwar auch. Letzte Vorgaben wie Maskenpflicht im ÖPNV oder Quarantäneverpflichtungen verschwinden nach und nach. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen gibt wenig Anlass zur Beunruhigung, zeigt aber wieder einen Trend nach oben, mit einer vermutlich beträchtlichen Dunkelziffer. Trotzdem deutet einiges darauf hin, dass es – zumindest aus Sicht der Pandemieentwicklung – entspanntere Weihnachtsfeiertage geben dürfte als in den vergangenen beiden Jahren.
Vorbei ist die Pandemie aber keineswegs, wird es auch absehbar kaum sein. Die weiteren Lockerungen werden deshalb auch durchaus kritisch gesehen. Zumal diesmal genau das eingetreten ist, wovor wiederum Experten längst gewarnt hatten: nämlich ein Zusammentreffen von Corona mit einer Welle anderer Atemwegserkrankungen. Die früheren Vorsichtsmaßnahmen wie Maske tragen, Abstand halten und ähnliche waren nicht nur ein Schutz gegen Corona-, sondern eben auch andere Viren, die nach dem gleichen Muster ansteckend unterwegs sind. Wenig verwunderlich also, wenn das Land jetzt wieder von einer Grippewelle heimgesucht wird.
Bekanntlich stehen sowohl gegen Corona als schon lange gegen Grippe wirksame Schutzimpfungen zur Verfügung. Und es besteht die Aussicht, dass künftig eine Impfung gegen beides angeboten werden könnte. Zumindest wird daran intensiv geforscht. Ein von Biontech/Pfizer entwickelter kombinierter Impfstoff ist von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA in ein beschleunigtes Zulassungsverfahren aufgenommen worden. Der Impfstoff kombiniert einen mRNA-basierten Grippe-Impfstoff mit einem Corona-Impfstoff, der sowohl an die aktuell vorherrschenden Omikron-Sublinien BA.4/BA.5 als auch an den Wildtyp angepasst ist. Nach Mitteilung der Unternehmen hat bereits im November eine sogenannte Phase-1-Studie mit 180 Probanden begonnen.
In Deutschland hat die Ständige Impfkommission parallele Impfungen gegen Corona und Grippe bereits im September empfohlen. Zuvor war eher davon abgeraten worden, weil mögliche Nebenwirkungen paralleler Impfungen noch nicht hinreichend erforscht waren.
Studien in England haben diese Bedenken ausräumen können. Getestet wurde die Kombination unterschiedlicher Covid- und Grippe-Impfungen, die jeweils am gleichen Tag verabreicht wurden. Das Ergebnis: Die Verträglichkeit entspricht der einer einfachen Corona-Impfung, mit den bekannten, zumeist leichten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen, wie sie auch bei lange bekannten Impfungen auftreten können. Vor allem aber zeigte sich eine hohe Wirksamkeit. Die Studie bekräftigte auch die Erwartung, dass künftig ein kombinierter Impfstoff einen guten Schutz bieten könnte.
Andere Studien von US-Forschern legen im Übrigen nahe, dass regelmäßige Grippe-Impfungen auch einen weiteren positiven Nebeneffekt haben können, nämlich ein geringeres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die Forscher der Universität Texas und Houston hatten Gesundheitsdaten von über 65-Jährigen aus dem Zeitraum von 2009 bis 2019 ausgewertet und dabei auch festgestellt, dass dieser schützende Effekt umso stärker ausfällt, wenn man sich regelmäßig gegen Grippe impfen lässt.
Grundimmunisierung kaum nachgefragt
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gerade für ältere Menschen eine Kombination von vierter Corona-Impfung (also zweiter Auffrischung) mit einer Grippeschutzimpfung angeraten. Die Kombination sei „besonders sinnvoll“. Ärzte raten ohnehin zu diesen Impfungen, umso dringender, je mehr andere Schutzmaßnahmen im öffentlichen Raum aufgehoben werden und dem Appell, beispielsweise freiwillig Maske zu tragen, nicht gerade mit überschwänglicher Euphorie gefolgt wird.
Der beständige Impfappell trifft zumindest bei den Booster-Impfungen auf eine gewisse Resonanz. Ausweislich des RKI-Impfdashboards nimmt weiterhin die Zahl der zweiten Auffrischungsimpfungen zu. Derzeit verfügen bereits gut zwölf Millionen Menschen in Deutschland über vier Corona-Impfungen. Die Zahl der Menschen mit einer ersten Auffrischung ist von August bis Dezember immerhin um eine halbe Million gestiegen. Bei Erstimpfungen und Grundimmunisierung hat sich im Grunde seit März fast gar nichts getan. Da haben die Menschen in den Nachbarländern eine durchaus andere Einstellung gezeigt. In Deutschland haben 76,4 Prozent eine Grundimmunisierung, Spanien und Portugal liegen über 80 Prozent, Dänemark bei 82,5 Prozent, Italien bei 83,5 Prozent. Es ist also noch Luft nach oben. Allerdings sind die Quoten in Deutschland insgesamt einigermaßen passabel. Der EU-weite Durchschnitt bei der Grundimmunisierung liegt bei 72,9 Prozent.
Was den grundsätzlichen Trend betrifft, liegt Deutschland sozusagen auf Linie. Dem „Vaccacine Tracker“ des European Center of Disease Prevention an Control (Europäisches Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten) ist zu entnehmen, dass es eine ziemliche Stagnation bei Erst- und Zweitimpfungen gibt, einen geringen Anstieg beim Boostern und einen deutlichen Anstieg bei der zweiten Booster-Impfung. EU-weit werden inzwischen auch dritte Booster-Impfungen vermeldet (0,9 Prozent Stand Anfang Dezember).