Warum es uns selbst in diesen Krisenzeiten durchaus gut geht
Zugegeben: Die Zeiten sind nicht einfach. Erst die Corona-Pandemie mit ihren Schrecken und vielfachem Tod, dann der Krieg in der Ukraine, quasi vor der Haustür, von einer Atommacht vom Zaun gebrochen, mit im Anschluss daran drohenden Energieversorgungs-Engpässen, dramatisch steigenden Preisen für die Energieträger Erdgas, Öl und vor allem Strom. Mit der Perspektive für Otto Normalverbraucher auf warme Pullover und kühle Büros und vor allem Wohnstuben, drohenden Black-outs und Konkurs bei Bäckern und Metzgern sowie bei energieintensiven Handwerks- und Industriebetrieben. Sogar Wein- und Bierflaschen sowie -kästen drohen auszugehen. Eine schreckliche Vorstellung!
Und als Krönung all dieser Horrormeldungen die Ankündigung von IWF und Bundeswirtschaftsminister, die deutsche Wirtschaft rutsche 2023 in die Rezession, als eine der wenigen im internationalen Tableau.
Und zugegeben: Für die meisten Zeitgenossen mutet das an wie in einem Horrorfilm. Zu Recht, denn sie haben schon drei Generation lang nichts anderes mehr kennengelernt als Wachstum, Wohlstand, Überfluss und Frieden. Umso härter trifft die Ist-Zeit. Die Menschen fühlen sich plötzlich und unerwartet von all dem heimgesucht, wovor die Vorfahren sich zu allen Zeiten fürchteten: Armut, Elend, Hunger und Not, Kriegsangst und Zerstörung. Allerdings verkennen sie dabei vollkommen, dass all diese Übel aus Pandoras Büchse über Jahrhunderte für unsere Ahnen normaler Alltag war, etwa im Dreißigjährigen Krieg.
Von wegen „Früher war alles besser“. Das Gegenteil ist richtig. Nie ging es den Menschen so gut wie in den vergangenen 70 Jahren. In all den Jahrhunderten zuvor ging es den Menschen erheblich schlechter, war der Alltag nicht selten ein Kampf ums nackte Überleben. Und weil dem so ist, gibt es auch keinen Grund daran zu zweifeln, dass wir morgen rückblickend sagen müssen: Gestern – also früher – war alles besser. Trotz aller Krisen und Probleme ringsum sollten wir nicht in den Fehler verfallen, gelähmt die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und auf bessere Zeiten zu warten. Wie sagte meine Großmutter immer: „Trübsal blasen ist keine Musik!“
Großmutter hatte Recht. Hören wir auf, über den vermeintlichen Verlust dessen zu jammern, was in der Werbung der alten Fernsehlotterie immer angepriesen wurde als „Glück, Gold, ein sorgenfreies Leben“. Viel erbaulicher ist es, die eigenen gedanklichen Bestände danach abzuklopfen, was an Lebensweisheiten in einer so verschärften Krisenlage wie der gegenwärtigen nützlich und sinnvoll sein könnte.
Der Lebensweisheiten gibt es viele, literarische wie triviale. Solche aus der Feder von Nobelpreisträgern wie solche aus Volkes Mund. Albert Camus (sein Meisterwerk „Der Fremde“ wird gerade 80 Jahre alt) empfiehlt den Mitmenschen trotz aller Wirren und Windungen in den Zeitläuften „Herr seiner Tage“ zu bleiben und glaubt, dass selbst Sisyphos ein glücklicher Mensch war. „Man muss sich selbst eine Lebenskunst in Zeiten der Katastrophen schmieden“, so Camus.
Der Volksmund hält es da viel trivialer, um die Hoffnung auf ein Leben nicht aufzugeben. Aus dem fränkischen Sprachraum schallt es einem da munter entgegen: „Werd scho werd’n, sagt d’Frau Kern, bei d’Zworn is a wied’r worn!“ Und die Kollegen aus der Domstadt Köln rufen sich gegenseitig einzelne Paragrafen des Kölschen Grundgesetzes zu, die da lauten:
§ 1 Et es, wie et es
§ 2 Et kütt, wie et kütt
§ 3 Es hätt noch immer jot jejange
§ 4 Watt fott es, es fott
§ 5 Et bliev nix wie et wor
§ 7 Watt wellste maache?
Vor diesem Hintergrund bleibt die Zuversicht, dass das Glas auch in der kommenden Zeit halb voll und nicht halb leer ist.