Der Anspruch auf Nachhaltigkeit durchdringt zunehmend alle Lebensbereiche, so auch das Feuerwerk an Silvester. Kann das umweltbewusst sein? Oder sollte nach den Corona-Einschränkungen in den letzten Jahren hier mal ein Auge zugedrückt werden?
Kein Feuerwerk an Silvester? Für viele Deutsche ist das kaum vorstellbar. Besonders zu diesem Jahreswechsel – nicht, weil er in irgendeiner Art und Weise besonders wäre, sondern weil es das erste „normale“ Silvester „nach“ der Corona-Pandemie ist. Nur noch mal zur Erinnerung, zumal man an manchen Orten das Gefühl haben könnte, es sei gar nichts anders gewesen: Bei den letzten zwei Jahreswechseln gab es massive Kontaktbeschränkungen, Feuerwerksverbote an zentralen Orten und – besonders für nicht grenznahe Gebiete relevant – Verkaufsverbote für Silvesterfeuerwerk. Das ging an den Herstellern nicht spurlos vorüber. So meinte zum Beispiel der große deutsche Feuerwerksproduzent Weco Pyrotechnische Fabrik GmbH zu den Auswirkungen: „Wir waren unternehmerisch gezwungen, einen unserer drei Unternehmensstandorte zu schließen, und haben in den letzten beiden Jahren über 40 Prozent unseres Personals verloren. Wir hoffen daher umso mehr auf ein normales Feuerwerksgeschäft.“
Des einen Leid, des anderen Freud: Hundebesitzer hatten so unter Umständen eine deutlich entspanntere Nacht als in anderen Jahren, die Unmengen an Müll waren deutlich überschaubarer, die Luft blieb frischer und nicht zuletzt gab es tatsächlich weniger Verletzte als in anderen Jahren. Gründe genug also, um das seit Jahren zunehmend umstrittenere Ritual auf den Prüfstand zu stellen, insbesondere was seine ökologische Nachhaltigkeit betrifft.
Ein wesentlicher Aspekt der Debatte ist dabei der durch das Feuerwerk entstehende Feinstaub. Jährlich verursacht Deutschland circa 2.050 Tonnen Feinstaub durch Feuerwerk, einen Großteil davon in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar. Das entspricht circa einem Prozent des im ganzen Jahr freigesetzten Feinstaubs. Ute Dauert vom Umweltbundesamt: „In der ersten Stunde des neuen Jahres beobachten wir regelmäßig die höchsten Feinstaub-Konzentrationen eines Jahres. Hier sind Stundenwerte um die 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht selten. Im Vergleich dazu: Im Mittel über ein Jahr betragen die Werte 15 bis 18 Mikrogramm pro Kubikmeter.“
Die Hersteller von Pyrotechnik sowie der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (BVPK) geben allerdings zu bedenken, dass Feinstaub nicht gleich Feinstaub sei. „Partikel aus Feuerwerk sind wesentlich unbedenklicher als kommuniziert – und nicht klimarelevant. Anders als beispielsweise bei Verbrennungsmotoren ist der Feinstaub aus Feuerwerkskörpern aufgrund seiner Eigenschaften wesentlich unbedenklicher für die Umwelt“, meint zum Beispiel Hersteller Weco. Dabei geht es darum, dass der Feinstaub durch Feuerwerkskörper überwiegend aus wasserlöslichen, das heißt aus Atemwegen und Lunge auswaschbaren Salzverbindungen besteht statt aus Ruß, wie er bei der Kraftstoffverbrennung im Auto anfällt. Das heißt aber nicht, dass man sich die über mehrere Stunden an Silvester herrschende schlechte Luft einbilden würde. „Haben wir zum Beispiel starken Wind oder Regen, werden die Schadstoffe schnell verteilt beziehungsweise vom Regen ausgewaschen aus der Atmosphäre. Haben wir aber so eine typische winterliche Hochdruckwetterlage, kann sich der Feinstaub über viele Stunden bis hin zu Tagen in der Luft halten“, meint Expertin Dauert zur Kurzlebigkeit des Feinstaubs.
Der ganze Abfall, der am Neujahrstag auf unseren Straßen liegt, ist sicherlich für viele der zweite relevante Umweltaspekt beim Silvesterfeuerwerk. Auch hier gehen die Meinungen von Umweltaktivisten und den Herstellern von Pyrotechnik natürlich weit auseinander. Während der BVPK in seiner Broschüre „Fakten über Feuerwerk. Zum ökologischen Fußabdruck von Feuerwerk“ zum einen darauf abstellt, dass ein Großteil, bis zu 90 Prozent, des Mülls biologisch abbaubar sei, verweisen Umweltverbände auf die immer noch (zum Beispiel als Raketenspitze) verwendeten Plastikteile. Besonders im Bereich der Substitution von Plastik passiert bei Pyrotechnik jedoch einiges: Feuerwerkshersteller Weco setzt so beispielsweise seit 2021 bei in Deutschland hergestellten Raketen auf eine Lösung aus Altpapier, und auch bei importierten Raketen wird eine Spitzkappe aus 100 Prozent biologisch abbaubarem Material verwendet. Auch bei der Zündschnur-Schutzhülse wird zunehmend auf Lösungen aus Papier statt auf Plastik gesetzt.
Weniger – und bewusster – ist mehr
Eine andere Frage, die der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk aufwirft, ist, wie verhältnismäßig die Klage über die Feuerwerksreste am Anfang jeden Jahres sei im Vergleich mit den Müllmengen durch andere Volksfeste. „Die Abfallentsorger der fünf größten Städte Deutschlands zusammen beseitigen am Neujahrstag etwa 200 Tonnen Relikte der Silvesternacht, darunter Baukörper und Verpackungen von Feuerwerksartikeln. Diese Angabe bezieht sich vor allem auf die zentralen Silvesterfeiern innerhalb der Stadtgebiete und ist somit vergleichbar mit anderen festlichen Großereignissen wie dem Münchener Oktoberfest (88 Tonnen) oder dem rheinländischen Karneval (600 Tonnen)“, meint der Bundesverband. Natürlich bleibt der Abfall trotzdem Abfall und somit auch die Frage, ob an Volksfesten allgemein so viel Müll produziert werden muss oder ob die Bilanz nicht schon jetzt viel besser aussehen sollte. Denn der Fingerzeig auf andere – in Klima- und Umweltdebatte insgesamt ein gern genutztes Mittel – ist nie ein Motor für Veränderung. Da können unternehmerische Maßnahmen wie das Anpflanzen von bis zu 17.500 Bäumen bis 2025, wie es Weco im Projekt „Weco-Zukunftswald“ betreibt, um die Schäden durch den Borkenkäferbefall in NRW etwas abzumildern, deutlich mehr verändern.
Für Tiere und ihre Besitzer bleibt der bunte und laute Trubel trotzdem ein Ärgernis. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob Feuerwerk nicht mit einem lauten und langen Gewitter vergleichbar ist. Unterm Strich ist selbst geräuschreduziertes Feuerwerk für Wild- und Haustiere eine vermeidbare Belastung und das Argument der Einmaligkeit beruhigt wahrscheinlich so gut wie keinen Hundehalter, der seinen verängstigten Hund beruhigen muss.
Silvester ist in Deutschland eine fest verankerte Tradition und wird diesen Status wohl in der nächsten Zukunft nicht verlieren. Das muss der Kult um den Jahreswechsel vielleicht aber auch nicht, wenn man sich persönlich mit den Vor- und Nachteilen der Böllerei auseinandersetzt. Ute Dauert vom Umweltbundesamt fasst in Bezug auf Feinstaub zusammen: „Ich kann nur eins sagen: Bei einem klassischen Feuerwerk entsteht immer Feinstaub. Wenn ich dazu beitragen möchte, diese Feinstaubbelastung zu verringern, besteht ein Weg darin, das Feuerwerk einzuschränken, das persönliche. Aber Alternativen können auch sein: Lasershows oder druckluftbetriebene Konfettikanonen.“ Auch hier gilt am Ende: Weniger (und dafür bewusster) ist mehr. Wer sich ernstlich für die Umwelt interessiert (wobei es hier ausnahmsweise kaum um CO2 und Klimawandel geht), wird bestimmt schon selbst zu diesem Fazit gekommen sein. Und vielleicht sogar ganz aufs Böllern verzichten.