Die Abkehr von Fast-Fashion hin zu Dauerlieblingen und Basics im Kleiderschrank hat dazu beigetragen, dass sich viele Kunden heute bewusst mit dem auseinandersetzen, was sie kaufen. Umso schöner, wenn die Auswahl einen persönlichen Touch trägt.
Personalisierte Accessoires und Mode, zu Englisch „customized“, sind beliebt. Nicht nur bei den zahlreichen Designern, die gern bereit sind, mehrere Tausend Euro teure Abendkleider für die Stars und Sternchen zu kreieren oder mal eben zu verleihen. Auch Otto Normalkunde liebt es individuell. Das betrifft nicht unbedingt die Kennzeichnung der Klamotten mit dem eigenen Label, Logo oder Initialien, sondern mehr die Auswahl an Farben, Stoffen und Designs. Schon seit einigen Jahren ist die Bewegung stark im Kommen, in letzter Zeit haben auch die großen Ketten davon Wind bekommen und bieten Schuhe, Jacken und Co. in der ganz persönlichen Ausgabe an. Als echte Trendsetterin auf diesem Gebiet gilt die Figur Carrie Bradshaw aus dem Serien-Dauerbrenner „Sex and the City“, gespielt von Hauptdarstellerin Sarah Jessica Parker. Carrie trug nicht nur allzu gern ungewöhnliche Rockkreationen und ihre Manolo Blahniks, sondern auch eine XXL-Kette um den Hals mit ihrem eigenen Namen. Seitdem scheint der Wunsch geboren, es der hippen New Yorker Journalistin gleich zu tun und sich auch etwas Individuelles in den Kleiderschrank zu shoppen. Die Vorteile liegen dabei klar auf der Hand: Man bekommt etwas, was niemand sonst sein Eigen nennt, es ist in Passform und Farbe genau auf einen selbst abgestimmt und damit wird daraus fast unweigerlich ein echtes Slow-Fashion-Stück. So etwas gibt schließlich niemand so schnell wieder her. Obwohl diese Einzigartigkeit oft einen etwas höheren Preis hat als Mode von der Stange, steigt die Nachfrage. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Umfrage von Accenture. Demnach zeigen 84 Prozent aller Konsumenten ein großes Interesse an personalisierter Mode und sind willig, für die Einzelstücke tiefer in die Tasche zu greifen. Dabei können die Wünsche nach Individualisierung sehr unterschiedlich ausfallen. Neben der Änderung der Farbe stehen spezielle Texte oder Prints ganz oben auf der Wunschliste der Kundinnen und Kunden. 54 Prozent der Befragten würden sich darüber freuen, Stoffe, Verzierungen und Applikationen selbst auswählen zu können, 44 Prozent möchten sogar Einfluss nehmen auf die Form des Kleidungsstücks und sein Design. Doch während die Ideen hier breit gefächert sind, kommen verhältnismäßig wenige Label diesen Wünschen nach. Befragt wurden 70 global agierende Einzelhändler und Modemarken nach ihren individuellen Angeboten. Gerade einmal 17 von ihnen bieten die Möglichkeit, die Farbe zu ändern, individuelle Prints sind bei 31 Prozent der Unternehmen eine Option, während es bei sechs bis sieben Prozent die Möglichkeit gibt, Stoffe, Applikationen oder sonstige Designelemente kurzerhand auszutauschen.
Hier herrscht also noch dringender Nachholbedarf, um die Nachfrage zu decken. Am wichtigsten scheint den Befragten allerdings der Bereich der Maßanfertigungen zu sein. Sie sind es leid, zu lange Ärmel, unpassende Säume und zu lockere Stoffe hinzunehmen. Sie wollen Kleidung, die nicht nur zu ihnen passt, sondern die perfekt sitzt. Einige Händler reagieren auf die Wünsche und bieten virtuelle Hilfe zur Selbsthilfe. Die Kunden können sich mithilfe von 3-D-Scans selbst vermessen und dann anhand der eigenen Maße nicht nur Anzüge und Kostüme, sondern auch Pullover und Jeans anfertigen lassen.
Das Problem bei diesem Angebot, das lange Zeit nur beim Herrenschneider im hochpreisigen Anzugsegment und bei Brautkleidern zur Regel gehörte, ist die Datensicherheit. Viele scheuen sich, ihre Daten preiszugeben, und trauen sich deshalb nicht an Maßanfertigungen „aus dem Computer“ heran. Den Start könnten „Kleinigkeiten“ machen wie Socken, Unterwäsche, Geldbörsen usw. Hier scheint der Wille größer zu sein, personalisierte Einzelstücke zu erhalten. Bei der Umfrage zumindest stimmen dem 41 Prozent zu. 31 Prozent davon würde es reichen, saisonalen Artikeln eine individuelle Note zu verleihen, 26 Prozent würden hochmodische Highlights gern nach ihren Vorstellungen abändern lassen. Doch wie die Wünsche auch ausfallen mögen, eines ist den von Accenture Befragten dabei offensichtlich klar: Sie würden für Costumized Fashion mehr bezahlen als für Standardware. Diese Tatsache betrifft dabei alle Käufergruppen, egal ob diese sich für edle Luxusmarken oder Fast-Fashion-Label interessieren.
Sneaker kann man online selbst gestalten
Das Fazit aus dieser umfangreichen Untersuchung: Um auf den „Speziell für mich gemacht“-Zug aufzuspringen, müssten sich Unternehmen neu aufstellen. Sie brauchen nicht nur ausgefeilte Analysetechniken, um herauszufinden, was ihre Kunden wirklich wollen, sie sollten auch ihre Kernabläufe nach Möglichkeit digitalisieren. So ließe sich direkt Einfluss auf die Produktion und Lieferung nehmen und die Wege wären auch bei Einzelstücken deutlich kürzer und damit auch günstiger als bisher zu halten. Die Vorteile dieser Neustrukturierung lägen nach Ansicht der Studienauswerter auf der Hand: Höhere Gewinne würden locken, denn man gäbe dem Käufer genau das, was er sich wünscht.
Erste erfolgreiche Ansätze sind bereits da: So gehört es bei vielen Luxusdesignern längst zum guten Ton, individuell maßzuschneidern. Wer bei Jimmy Choo, Longchamp, Ray-Ban, Dior oder Burberry einkauft, der bekommt genau das, was er will. Er ist als Kunde noch wirklich König, dafür muss er aber auch fürstlich bezahlen. Etwas günstiger halten es die Sport-Label Adidas und Nike. Hier lassen sich Sportkleidung und Sneaker nach eigenen Wünschen zusammenstellen. Neben der Auswahl unterschiedlicher Farben und Schnürsenkel für die Schuhe können auch eigene Initialen, Muster und Namen aufgenäht werden. Seit 2020 macht die Modekette Zara beim Thema personalisierte Mode mit und bietet an, ausgewählte Kleider und Oberteile mit eigenen Farbwünschen oder Drucken zu individualisieren. Das funktioniert allerdings nur über den Online-Shop und längst nicht flächendeckend beim kompletten Sortiment. Beim Jeanshersteller Levis ist man da schon einen Schritt weiter. Seit vielen Jahren können Kundinnen und Kunden hier selbst bestimmen, wie lang und breit ihre Lieblingsjeans werden soll. Doch nicht nur das. Im eigenen Riesenstore in New York darf man mit der Hose sogar ins Warmwasserbecken steigen, damit sie wirklich sitzt wie angegossen. Daneben gibt es die Möglichkeit, die Waschung zu bestimmen und noch vieles mehr. Alte Levis können zur Reparatur eingeschickt werden, das Unternehmen setzt in diesem Bereich auf Nachhaltigkeit und ist dabei sehr konsequent. Wer nicht zufällig auf einem Shopping-Trip ist, der kann auch das Internet nutzen, um die perfekte Größe zu finden.
Bereits seit dem Jahr 2013 gibt es „EyeFitU“, eine Plattform für Großkunden wie Asos und Amazon. Hier finden Nutzer Kleidungsstücke, die ihnen wirklich passen. Zu diesem Zweck können die Anbieter genaue Maßangaben zu Schuhen und Kleidung hinterlegen. Das soll zu mehr Zufriedenheit mit dem Einkauf beitragen und die Retourenquote reduzieren. Und das ist auch nötig, denn laut einer Schätzung der „Forschungsgruppe Retourenmanagement“ an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg gab es allein 2020 rund 315 Millionen retournierte Pakete. Davon waren 56 Prozent deutschlandweite Sendungen. Eine Abwärtsspirale aus schlechter Klimabilanz und unnötigen Kosten aufseiten des Händlers.
Lieblingsstücke bedrucken lassen
Neben Kleidung gibt es natürlich auch zahlreiche Accessoires, die schon lange personalisierbar sind. Zum Beispiel Taschen und Schmuckstücke. Neben Farbe, Material, Schmucksteinen und Gravuren sind auch komplette Ketten- und Armband-Designs längst nicht mehr von der Stange. Ein schönes Beispiel ist das Schmuck- und Uhrenlabel Paul Hewitt. Wie Tiffany und Co. und setzt es auf das Angebot, gegen einen Aufpreis Gravuren individuell gestalten zu lassen. Gleiches gilt für Handtaschen. Einige Anbieter überlassen die Auswahl an Materialien, Designs, Farben und Prints dem Geschmack ihrer Kunden. Über Breuninger zum Beispiel finden sich etliche Luxusbrands, die allesamt Einzelanfertigungen bieten. Wer sparen möchte, der kann auch einfach seine vorhandenen Lieblingsstücke bedrucken lassen. Zahlreiche Online-Shops bieten individuelle Drucke auf fast allem an, was das Herz begehrt. Von Shirts über Kleider bis hin zu Kaffeebechern und Taschen ist die Auswahl riesig und vor allem günstig. Wem das zu einfach ist, der sucht sich Handmade-Taschen über Etsy oder ähnliche Anbieter. Dort lassen sich Einzelstücke direkt in Auftrag geben. Diese werden dann von privaten Näherinnen und Nähern maßgefertigt und gegen eine Versandkostenpauschale zugeschickt. Das geht oft allerdings nicht ganz so schnell wie der Weg über Großhändler, was an der geringen Marge und der hundertprozentigen Eigenproduktion liegt.
Die Rücknahme ist oft ausgeschlossen
Bei einer so großen Auswahl und all den Vorteilen, die personalisierte Mode und Accessoires zu bieten haben, gibt es trotzdem auch Nachteile, auf die sich Kunden einlassen müssen: Zunächst einmal dauert es oftmals deutlich länger, bis man kriegt, was man sich wünscht, weil davon eben bloß ein Stück gefertigt wird. Außerdem muss sämtliche Ware im Vorfeld bezahlt werden. Zu groß wäre für Händler sonst die Gefahr, auf dem Sonderwunsch sitzen zu bleiben und das gute Stück dann nicht weiterverkaufen zu können. In den meisten Fällen sind solche Bestellungen generell von der Rücknahme ausgeschlossen. Hier sollten sich Kunden über Größenangaben und Sonderwünsche also wirklich sicher sein, denn im Zweifelsfall bleiben sie auf den Produkten sitzen.
Trotz alledem sind sich Branchen-Kenner längst der wachsenden Bedeutung dieser einstmaligen Nische bewusst und immer mehr Label preschen mit digitalen Möglichkeiten für Maßanfertigungen und Eigendesigns vor. Damit steht dem personalisierten Einkaufserlebnis nichts mehr im Wege und jeder kann sich sicher sein: „Thats my personal stuff!“