Das Warten hat ein Ende: 13 Jahre nach „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ setzt US-Regisseur James Cameron mit „Avatar: The Way of Water“ seine Sci-Fi-Fantasy-Saga im Kino fort. 193 Minuten pure 3D-Magie.
Ein Jahrzehnt ist vergangen, seit die Na’vi, diese blauen, katzengeschmeidigen Humanoiden, die gewalttätigen menschlichen Invasoren besiegt und von Pandora vertrieben haben. Nun entführt uns James Cameron wieder in die magische Zauberwelt. Sanft gleiten wir in das dschungelgrüne Utopia, an schwebenden Felsbrocken vorbei, staunen über die versponnene Flora, die frühzeitlich anmutende Fauna – und begegnen schließlich Jake Sully (Sam Worthington) und seiner Frau Neytiri (Zoe Saldana), die auf diesem paradiesischen Mond im Alpha-Centauri-System inzwischen eine Familie gegründet haben. Aus dem ehemaligen Marine-Soldaten mit dem biosynthetischen Körper ist längst ein Na’vi-Avatar geworden.
Die Idylle wird brutal gestört: Von der Erde aus landet nämlich ein Kommando geklonter Soldaten, die zwar aussehen wie die blauhäutigen Na’vi, tatsächlich aber kaltblütige Killer sind. Ihr Ziel: Die Na’vi ein für alle Mal zu unterwerfen und die Bodenschätze des Planeten auszubeuten. Der Anführer der Truppe, Avatar-Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang), hat außerdem noch eine weitere Mission: Er will den abtrünnigen Ex-Marine Jake unbedingt aufspüren – und töten. Das ist der Auftakt zu einer mörderischen Hatz, die immer bedrohlichere Züge annimmt. Um Quaritchs tödlichen Rachefeldzug vom Stamm der Na’vi abzuwenden, beschließt Jake mit seiner Familie Zuflucht beim Wasservolk der Metkayiana (mit dabei Kate Winslet als Ronal, die Frau des Häuptlings) zu suchen, die an einer der vielen Küsten auf Pandora leben. Ende Teil eins.
Mal verspielt, mal martialisch
Im zweiten Teil des Films tauchen wir im wahrsten Sinne des Wortes in eine mystische Wasserwunderwelt ein. Im türkisblauen, kristallklaren Meerwasser prunken farbenprächtige Korallenriffe, zwischen denen sich unvergleichliche Fabelwesen tummeln. Minutenlang schwelgt der Film in solchen Bildern voller Harmonie und Sonnenglück. Hier haben Jake und Neytiri, zusammen mit ihren beiden Teenager-Söhnen und der 14-jährigen, adoptierten Tochter Kiri (gespielt von einer digital verjüngten Sigourney Weaver) ihr neues Zuhause gefunden. Hier werden sie von den Metkayianas in die Kunst des Tiefseetauchens eingeführt. Hier müssen sie weitere Abenteuer bestehen. Und hier findet die erste, folgenreiche Begegnung mit dem Space-Wal Tulkun statt. In diesen langen, oft verspielten Sequenzen ist „Avatar: The Way of Water“ ganz auf der Höhe seiner Kunst. Die überhöhten Wirklichkeiten sind so perfekt gerendert, dass sie wie ein Dokumentarfilm von „National Geographic“ aussehen. Man traut seinen Augen kaum.
Dazu sagt Produzent Jon Landau, ein langjähriger Wegbegleiter Camerons: „Viele dieser Szenen wurden im und unter Wasser gedreht, und zwar in einem gigantischen, vier Millionen Liter fassenden Wassertank. Diese fotorealistischen und so lebensecht wirkenden Darstellungen haben wir durch Performance Capturing erreicht. Dabei werden die Bewegungen der Schauspieler mittels Dutzender Sensoren am Körper und auf dem Gesicht abgefilmt, digitalisiert und dann auf die animierten Figuren übertragen. Für die Unterwasseraufnahmen mussten alle spezielle Atemtechniken lernen, da sie oft minutenlang die Luft anhalten und gleichzeitig schauspielern mussten.“ Doch auch dieses goldene Arkadien wird plötzlich bedroht. Quaritch und seine Schergen haben Jake schließlich doch noch aufgespürt und tauchen mit ihren Hightech-Waffen und gigantischen Kriegsschiffen vor der Küste auf. Ende Teil zwei.
Teil drei ist ganz und gar geprägt vom ultramartialischen Überlebenskampf zwischen den Nav’is und den neoimperialistischen Kriegstreibern. Und endet mit einem Showdown zwischen Jake und Quaritch, auf einem Kriegsschiff, das – ganz nach Titanic-Manier – langsam in den Fluten versinkt. Hier entgleist „The Way of Water“ leider in die sattsam bekannten Action-Film-Muster, die man aus den Superhelden-Movies zur Genüge kennt. Aus dem Sehnsuchtskino wird Spektakelkino.
Überbordende Bilderflut
Aber wer bei „Avatar: The Way of Water“ moralische Erbauung oder philosophische Meta-Ebenen sucht, ist sowieso im falschen Film. Ist doch die Story wie schon im ersten Film eher simpel, die Dialoge eher flach. „Die Bedeutung eines Mannes ist es, seine Familie zu schützen“, muss Jake gleich zweimal in die Kamera sagen. Und das ohne jede Spur von Ironie oder doppeltem Boden. Ganz fantastisch funktionieren bei diesem Eskapisten-Movie par excellence allerdings die exorbitanten Schauwerte und eine überbordende Bilderflut, wie man sie noch nie zuvor auf der Leinwand gesehen hat. Diesbezüglich hat sich James Cameron wieder einmal selbst übertroffen.
Ob „Avatar: The Way of Water“ mit seinem Vorgänger „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, der mit 2,9 Milliarden Dollar einer der ertragreichsten Film aller Zeiten war, gleichziehen wird, steht in den Sternen. Sicher ist, dass sich die geschätzten 350 Millionen Dollar Produktionskosten erst einmal rechnen müssen. Denn nur dann wird man wohl die schlappe Milliarde Dollar in die nächsten „Avatar“-Movies investieren. Aber wen scheren schon die Finanzen? Wir wollen Märchen! Und das nicht nur zu Weihnachten.