Lange war klar, dass Charles neuer König wird. Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. ist der 74-Jährige nun das Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren souveränen Staaten. Doch wie zeitgemäß ist die Monarchie noch?
Ganze 74 Lenze hat der Mann auf dem Buckel, der über so viele Jahrzehnte „nur" als Prince Charles bekannt war. Jetzt tritt er die Thronfolge an. Aus dem ewigen Prinzen wird der späte König – King Charles III. Als Charles Philip Arthur George hatte er am 14. November 1948 das Licht der Welt erblickt. Nun ist er, der aus dem Haus Windsor stammt und im Buckingham Palace in London geboren wurde, König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren, als Commonwealth Realms bezeichneten souveränen Staaten einschließlich ihrer Territorien und abhängigen Gebiete.
Somit ist er Staatsoberhaupt von so unterschiedlichen Staaten wie dem abgeschiedenen Tuvalu mit seinen 10.000 Einwohnern, dem zentralamerikanischen Belize oder den Salomon-Inseln, um die derzeit sowohl die USA als auch China buhlen. Zu seinem Wirkungskreis gehören auch Kanada, Australien und Neuseeland. Darüber hinaus ist er Oberhaupt des 56 Staaten umfassenden Commonwealth of Nations, einer losen Staatenverbindung, Lehnsherr der britischen Kronbesitzungen sowie weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche und Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte.
Ganz schön viel Arbeit für den ersten Sohn von Königin Elizabeth II. und Prinz Philip, der im April 2021 verstarb. Es heißt, als Kind habe Charles unter der strengen Erziehung im Internat gelitten. Nachdem er seinen Militärdienst absolviert hat, engagiert er sich in Wohltätigkeitsorganisationen vor allem für benachteiligte Jugendliche. Er gilt später als talentierter Farmer, ist der größte Ökobauer Englands, setzt sich gegen genmanipulierte Lebensmittel ein und vertreibt Bio-Kekse unter seinem Label „Duchy Originals". Bevor er König wird, gilt sein Hauptengagement Umweltschutz und Nachhaltigkeit; er setzt sich öffentlich für das Aufhalten des Klimawandels ein. Seine Söhne William und Henry aus der Ehe mit Diana schleppt er bereits früh mit zu Müllsammelaktionen, was ihnen seinerzeit peinlich gewesen ist. Heute bewundern sie ihren Vater für sein leidenschaftliches Engagement.
Trotz (oder wegen?) all dieser tendenziell positiven Eigenschaften wirkt er stets etwas unbeholfen. Als Prinz ist er bei seinem eigenen Volk lange nicht sehr beliebt. Dazu mag seine gescheiterte Ehe mit Diana, der „Königin der Herzen", beigetragen haben. Stattdessen füllen er und seine damalige Geliebte und spätere zweite Ehefrau Camilla Parker Bowles die Klatschspalten der Regenbogenpresse. Vielleicht trägt auch mit dazu bei, dass seine Mutter über die Jahrzehnte ihrer Herrschaft global eine solch große Ikone wurde und vor allem für ihre verschwiegene, dezente Art geschätzt war.
Was aber darf man von dem royalen Querschießer für seine Zeit als König erwarten? 2018 sagte er in einer Doku auf die Frage, ob er sich als König öffentlich genauso frei äußern und für bestimmte Dinge eintreten werde wie als Prinz: „Der Gedanke, dass ich genauso weitermachen würde wie bisher, wenn ich die Thronfolge antrete, ist kompletter Unsinn, denn diese beiden Situationen sind völlig unterschiedlich. So dumm bin ich nicht."
In seiner ersten Ansprache als König erklärt er, dass er seine Mutter als Vorbild und Inspiration sehe und dass er sein Leben „der Wahrung der Verfassungsgrundsätze, die das Herzstück unserer Nation bilden", widmen werde. Und das auch gerade im Kontext einer sich rasant verändernden Welt. „Im Laufe der vergangenen 70 Jahre hat sich unsere Gesellschaft zu einer mit vielen Kulturen und vielen Religionen entwickelt. Die Institutionen des Staates haben sich ihrerseits verändert."
Während Elizabeth II. eine Traditionalistin war, wird berichtet, dass er das Amt auflockern und „informeller" gestalten wolle. Außerdem heißt es, dass er aus seinem Amtssitz, dem Buckingham Palace, ausziehen und ihn in ein königliches Bürogebäude und Museum umwandeln möchte. Gleichzeitig wolle er angeblich Clarence House in London als Wohnsitz beibehalten. Einige Medien berichten, dass er die Privatgärten des Palastes mit dem königlichen Green Park umgestalten möchte zu einem grünen Korridor von Whitehall bis zum Kensington Palace. Zudem wird erzählt, er wolle die Monarchie personell verschlanken. Und zwar dergestalt, dass es zwar einen Thronfolger geben, aber nicht mehr die ganze Großfamilie in den Genuss der bestehenden Privilegien und des Lebensstils kommen würde. Damit würde die britische Monarchie einen Weg wählen, den andere europäische Königsfamilien bereits beschritten haben.
Königshaus wahrer Touristenmagnet
Generell stellt sich die Frage, ob Königshäuser überhaupt noch zeitgemäß sind. In Deutschland beispielsweise wurden Monarchie und Privilegien des Adels nach dem Ersten Weltkrieg komplett abgeschafft; mit der parlamentarischen Demokratie fahren wir seit Ende des Zweiten Weltkriegs ganz gut. In England wiederum ist das Königshaus immens populär. Die Nation nimmt gerne Anteil am Familienleben der Royals. Die Monarchie schafft eine ganz eigene Art der Verbundenheit, der Gemeinsamkeit. Das kennt man auch aus den parlamentarischen Monarchien Niederlande oder Schweden.
Auch der Bestand des Commonwealth wird von Befürwortern positiv gesehen. Trotz der Kolonialvergangenheit mit all ihren Verbrechen pflegen viele ehemalige Kolonien noch immer engen Kontakt mit England, etwa Kanada und Australien, und finden unter der Krone eine Art gemeinsame Identität.
Ein weiterer Pro-Punkt ist rein monetärer Art – das Königshaus ist schlicht ein enormer Wirtschaftsfaktor. Es zieht Millionen Touristen nach London, die dort Geld für Souvenirs und Sehenswürdigkeiten ausgeben.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Königshaus aber auch ein enormer Kostenfaktor – alles kommt aus dem Geldbeutel der Steuerzahler. Gerade in Zeiten von Krisen ist zu überlegen, ob es nicht ein Affront ist, dass es viele Arbeitslose gibt und sich noch viel mehr Bürgerinnen und Bürger ihr Geld schwer verdienen müssen, während es Privilegierte gibt, die einfach von ihrer Repräsentanz leben. König Charles III. bekommt gar Steuergelder zur Förderung seiner Wirtschaftsgüter von der Europäischen Kommission.
Für andere wiederum ist die Monarchie mit all ihrem Pomp, dem Tamtam, den immer strahlenden Frauen an der Seite der Maßanzug tragenden Männer, den strengen Hierarchien und den immer gleichen Ritualen ein aus der Zeit gefallenes Relikt. Eines, das vor allem den Muff eines der großen Menschheitsverbrechen atmet, des Kolonialismus.
Langweilig wird es Charles III. während seiner Herrschaft jedenfalls kaum werden. Bis zu seiner offiziellen Krönung im Mai 2023 hat er schon mal Gelegenheit, seine Reformen zu planen.