Fossile Energie wird teuer bleiben, sagt Prof. Achim Wambach. Der Leiter des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sieht noch viele Fragezeichen auf dem Weg in eine soziale und ökologische Marktwirtschaft.
Eines ist sicher: Energie aus den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Erdgas wird auch nach der Krise teuer bleiben. „Darauf sollte uns die Politik in Deutschland vorbereiten“, fordert Prof. Achim Wambach von der Uni Mannheim, der Mitglied zahlreicher Beratungsgremien der Bundesregierung ist. Dafür sorgen soll vor allem der Emissions-Zertifikatehandel, der den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid europaweit mit einem jährlich steigenden Preis versieht.
Das ist politisch so gewollt und marktwirtschaftlich betrachtet ein effizientes Instrument. Denn die Idee, die dahintersteckt, zwingt alle Emittenten von Kohlendioxid, verstärkt in saubere Umwelttechnologien und regenerative Energien zu investieren, anstatt zunehmend teure Zertifikate am Markt zu kaufen. Die Crux dabei ist nur, dass klimapolitisch betrachtet die Gesamtmenge an Kohlendioxid erst einmal nicht abnimmt. Wenn zum Beispiel ein deutsches Unternehmen zu viel CO2 emittiert und Zertifikate bei einem spanischen Unternehmen zukauft, das weniger CO2 an die Umwelt abgibt, ändert das zunächst nichts an der Gesamtmenge in Europa. Hinzu kommt, dass derzeit nur die Energieversorger und Teile der Industrie wie Stahlproduzenten oder Zementhersteller vom EU-weiten Zertifikatehandel betroffen sind. Die Gesamtmenge der Zertifikate ist bis 2030 erst einmal festgelegt.
„Darauf sollte Politik uns vorbereiten“
Doch die nächste Stufe befindet sich bereits in der Warteschleife und soll weite Teile der Industrie, den Verkehr und Gebäudebestand mit einschließen. Zudem soll nach einer Verständigung der EU-Staaten mit dem EU-Parlament das Ausleihen und Übertragen von Emissionszertifikaten auf europäischer Ebene erschwert werden. So hat es die EU-Kommission für notwendig befunden, wolle man tatsächlich bis 2050 klimaneutral sein, und hat die Klimaziele für 2030 von 30 auf 40 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2005 angehoben. Deutschland ist hier schon einen Schritt weiter und hat die zweite Stufe des Emissionshandels bereits gezündet, wenn auch aufgrund der Krise zurückgestellt.
Denn derzeit herrscht auf den Energiemärkten weltweit eine Ausnahmesituation. Das bewährte Zieldreieck der Energiepolitik „Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit“ ist hierzulande durch den Angriffskrieg Russlands arg ins Wanken geraten. Nachhaltigkeit, weil Deutschland beispielsweise wieder alte Kohlekraftwerke aus der Reserve holt; Versorgungssicherheit, weil eine Gasmangellage droht; Bezahlbarkeit, weil die Preise für Energie bisher nie gekannte Höhen erreichen.
Eine schwierige Gemengelage, die extreme Folgen für den Klimaschutz haben kann. Was Ökonomen empfehlen, diskutierten der Professor für Volkswirtschaft Achim Wambach und Finanz- und Wirtschaftsjournalist Stefan Wolff Anfang November während einer Podiumsdiskussion in Saarbrücken.
„Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und das betrifft in erster Linie die Ökonomie“, betonte Wambach. Drei Punkte seien es, bei der sich die Klimakrise von anderen Krisen unterscheide. Da ist zunächst die soziale Marktwirtschaft zu nennen, die sukzessive in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft umgebaut wird, praktisch ein neues Marktmodell. Der Fokus liegt auf „ökologisch“, was nichts anderes heißt als staatlich verordnete Strukturvorgaben, die die Produktion verändern. Zum Beispiel die Solarpflicht auf Dächern, gesetzliche Vorschriften zum Energiesparen und finanzpolitische Instrumente wie die CO2-Abgabe oder Förderprogramme für klimafreundliche Technologien.
Der zweite Punkt betrifft die Verantwortung, die die Politik zunehmend an die Verbraucher abgibt und diese damit alleine lässt und überfordert. Können wir tatsächlich beurteilen, ob eine Tomate aus Spanien einen schlechteren ökologischen Fußabdruck hat als eine deutsche Tomate aus dem Gewächshaus? Wie steht es um unser schlechtes Gewissen, wenn wir mit dem Flieger nach Mallorca düsen oder mit dem SUV über die Lande fahren? Die Verantwortung für den Klimaschutz sollte besser bei der Politik bleiben, da ist sich Wambach sicher.
Beim dritten Punkt geht es um den Zertifikatehandel, der an sich ein geeignetes Instrument ist, da es marktwirtschaftlich geprägt ist und Verschmutzung durch fossile Brennstoffe sukzessive verteuert, sodass beispielsweise Benzin und Diesel Jahr für Jahr teurer werden. Schon jetzt treten Politiker in der EU wie der französische Präsident Emmanuel Macron bei der geplanten zweiten Stufe des Zertifikatehandels gehörig auf die Bremse aus Angst vor einer erneuten Protestwelle wie der Gelbwestenbewegung. Ökonom Wambach sieht diese Gefahr allerdings nicht so groß, bei einem derzeit unterstellten moderaten jährlichen Wachstum in der EU bis 2030. Aus seiner Sicht könnte die Verteuerung kompensiert werden.
„Wer nicht mitmacht, muss zahlen“
Welche aktive Rolle könnte die Politik hierzulande beim Klimawandel noch spielen? Zunächst sei es wichtig, viele Bereiche miteinzubeziehen, die noch ohne CO2-Steuer sind. Eine weitere wichtige Aufgabe sei die Förderung des Forschungs- und Entwicklungsbereichs vor allem beim Thema Wasserstoff. Und das wohl wichtigste Thema: die „Kopierfähigkeit“ der Klimapolitik.
Denn was bringt es dem Weltklima, wenn Europa, das für rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, Länder wie China und Indien mit jeweils 20 und 30 Prozent der Emissionen nicht mit ins Boot bekommt? „Nur wenn diese Länder einen Vorteil haben, sind sie bereit, den Klimaschutz mit voranzubringen. Nur dann machen sie mit“, so Wambach.
Bei China, das stark unter dem Klimawandel leidet, sieht der Ökonom gute Chancen; bei Indien weniger, da dort das Pro-Kopf-Einkommen und die Armutsgrenze deutlich niedriger liegen und es oftmals um das reine Überleben gehe. Der technologische Fortschritt sei für einen erfolgreichen Klimaschutz absolut notwendig, auch wenn das durch die Verlagerung der Produktion bestimmter Güter zulasten Deutschlands gehen könnte, ist sich Wambach sicher. Auch bleibt eine Abhängigkeit bei der Energie, denn auch grüner Wasserstoff müsste in Deutschland reichlich importiert werden.
Noch muss die Welt sich einigen, dem Klimawandel endlich ernsthaft zu begegnen. Der Weltklimagipfel in Ägypten spricht leider wieder eine andere Sprache. „Was wir brauchen, ist Reziprozität, will heißen, wer nicht mitmacht, muss bezahlen, wer mitmacht, wird belohnt.“ Eine Möglichkeit sei die Einrichtung eines „Klimaclubs“, wie ihn Bundeskanzler Olaf Scholz nun vorangebracht hat: die Verknüpfung unseres Wirtschaftsraums mit der Klimapolitik. Wer in diesem Handel treibt, müsste die dort gültigen sozial-ökologischen Rahmenbedingungen akzeptieren.
Durch die Schaffung des Klimaclubs im Dezember und die Einigung der EU auf CO2-Zölle ist nicht nur dem Klima-Aspekt Genüge getan, sondern rückt gleichzeitig auch ein Markt etwa für grünen Stahl in greifbare Nähe, die Auslagerung CO2-intensiver Produktion ins Ausland könnte so verhindert werden.
Die hiesige Gesellschaft aber müsse auf jeden Fall gut vorbereitet sein auf das, was uns beim Klimawandel erwartet, sagt Wambach. Denn es wird für alle, die sich noch in der Phase des Umbruchs befinden, zunächst deutlich teurer. Zum Beispiel für die internationale Schifffahrt – sie soll nun in das europäische Zertifikatehandelssystem aufgenommen werden. Sie stößt drei Prozent des weltweiten CO2 aus, dekarbonisiert sich aber etwa durch die lange Lebensdauer eines Schiffes nur langsam. Der Flugverkehr ist seit 2021 Teil des Handels, Gebäude und der Rest des Verkehrssektors sollen nach Plänen der EU folgen.