Ugonzo reist um die Welt, um seine Katzen im öffentlichen Raum zu platzieren. Auch in St. Ingbert hat der Künstler ein riesengroßes Graffiti-Werk hinterlassen.
Ulysses Gonzales, kurz Ugonzo, ist ein Star der Krypto-Szene. Mit seinen „PsychoKitties“ hat er unverwechselbare Figuren geschaffen, deren NFTs bei Sammlern heiß begehrt sind. Dank seines eigenen Metaversums samt digitalem Nachtclub wächst seine Fangemeinde stetig. Doch Ugonzo ist nicht nur in der virtuellen Welt zuhause. Der Künstler stand während der Arbeit an einem psychedelischen Mural in fünf Metern Höhe auf einer Hebebühne vor der Wand eines St. Ingberter Parkhauses.
Ugonzo, in der realen Welt malst Du surreale Murals und Popkultur-Porträts. Wie bist Du zum Krypto-Star geworden?
Eines Tages rief mich ein Mann aus Estland an. Er fragte mich, ob ich 100.000 US-Dollar mit NFTs verdienen wolle. Ich dachte: „Was zur Hölle sind NFTs?“ Er sagte, es seien digitale Einheiten, die einen Gegenstand in einer Datenbank abbildeten und ihn somit einzigartig machten. Er schickte mir einen Vertrag, ich schickte ihm ein paar Bilder. Er wandelte sie in virtuelle Sammlerobjekte um und verkaufte sie.
Deine „PsychoKitties“ erinnern an die Bilder von „Bored Apes“ (gelangweilte Affen). Madonna und Paris Hilton werden wegen irreführender Werbung verklagt, weil sie die Bored Apes NFTs beworben haben.
Ja, ich kannte die „Bored Apes“ und dachte, ich erfinde meine eigenen Figuren: die PsychoKitties. Meine psychedelischen Kätzchen sind einzigartige Charaktere, die ich nach dem Vorbild meiner Katze Moki gemalt habe. Sie ist auf einem Auge blind, deshalb haben einige meiner Figuren auch eine Augenbinde an. Eigentlich sollten sie PsychoPussies heißen, aber das klang zu anstößig und wurde nicht genehmigt, also: PsychoKitties. Zuerst malte ich sieben Stück, daraus wurden 21 Serien gemintet und die waren in wenigen Sekunden ausverkauft. Damit habe ich 50.000 US-Dollar verdient. Dann ist Crypto.com an mich herangetreten mit der Bitte um höhere Stückzahlen. Also habe ich 10.000 digitale Zeichnungen geliefert.
Die automatisch vom Computer generiert wurden, korrekt?
Korrekt. Ich male zig Augenpaare, Öhrchen, Kopfbedeckungen, Outfits usw. und dann wird gemixt. Einige PsychoKitties tragen eine Sonnenbrille, andere einen Sombrero oder bunte Haare, manche rauchen einen Joint oder verspeisen einen Fisch. Es gibt endlose Variationen.
Mit NFTs zum Millionär?
(lacht) Nicht ganz. Von dem, was ich verkaufe, bleiben tatsächlich „nur“ 30 Prozent bei mir hängen. Der Rest geht unter anderen an Agenten, die Kryptobörse Crypto.com und meinen Geschäftspartner und Kumpel DaRealGenius.
Worin besteht eigentlich der Wert beliebig kopierbarer Bilder? Alles bloß eine Frage von Angebot und Nachfrage?
Jedes Kätzchen ist einzigartig – und es ist Kunst!
Und der Wert von Kunst lässt sich nicht objektiv messen. Aber ist das Geschäft mit NFTs nicht eine Blase? Hast Du keine Angst, dass sie platzt?
Klar ist es definitiv eine Welt für sich. Ich hatte Glück, hab´ gut verdient, aber ich bin kein Millionär. Von dem Geld hab´ ich mir mein Haus gekauft. Und ich hab´ gespendet, zum Beispiel für die Leidtragenden im Ukraine-Krieg, für Opfer häuslicher Gewalt und für die Krebshilfe.
Erklär bitte, was Du im Metaversum machst.
Das Metaversum ist ein virtueller Ort, in dem reale Menschen miteinander interagieren. Kürzlich habe ich mich beispielsweise mit 80 Mitgliedern meiner Community getroffen, Menschen, die mir auf Instagram folgen oder meine NFTs gekauft haben. Mein Metaversum besteht mittlerweile aus einer Kunstgalerie, an deren Wände natürlich meine Werke hängen (lacht), einem Irrgarten und dem 9Livez-Nachtclub, in dem wir Meta-Raves feiern. Auf einer Bühne können Gäste performen, das ist total cool, weil wir so einander näherkommen. Du brauchst noch nicht mal eine VR-Brille. Mit Einladung kommst du über deinen Computer rein, kreierst deinen eigenen Avatar, und los geht’s.
Du hast mal gesagt: „I don’t DO psychedelics, I AM psychedelic.” Wie meinst du das?
Ich nehme nichts … mehr (lacht). Ich bin von Natur aus psychedelisch. Ich sehe zum Beispiel in allem Gesichter und Augen. Meine Sachen sind schräg, unverwechselbar. Ich lasse all meine Emotionen in die Kunst einfließen, alles was ich erlebt habe, was in der Welt geschieht, Dinge, die mich inspirieren, Filme, Musik. Ich weiß noch, wie ich als Siebenjähriger in der Plattensammlung meines Onkels auf Sublime gestoßen bin, eine Ska-Punk-Band aus Long Beach, Kalifornien. Ihre coolen psychedelischen CD-Cover haben mich total fasziniert. Meine Kunst ist ein buntes Nebeneinander von düsterer Wirklichkeit und Optimismus.
Wer hat Dich künstlerisch beeinflusst?
Definitiv meine Mom. Ohne sie wäre ich nicht, wer ich heute bin. Wir sind dauernd umgezogen, ich war immer der Neue, der Schüchterne, wurde gemobbt. Ich hab’ mich zurückgezogen und gemalt. Als meine Eltern sich scheiden ließen, fiel ich in ein tiefes Loch. Kunst war mein Trost, meine Art, mit dem Leben klarzukommen. Als Kind hab’ ich oft Monster gemalt. Meinen Ängsten eine konkrete Form zu geben, hat mir geholfen, sie zu überwinden.
Und wie bist Du zum Sprayen gekommen?
Eine Zeit lang hing ich mit meinen Cousins ab. Das waren richtige HipHopper und tolle Graffitikünstler. Wir sind um die Häuser gezogen und haben gesprayt. Das war nicht immer legal. Meinen Tiefpunkt hatte ich mit 17: Ich warf eine Spraydose nach einem Cop und nannte ihn ein Schwein. Dafür musste ich einhundert Stunden gemeinnützige Arbeit abbrummen.
Wie?
Eine Kirche anstreichen.
Die haben’s aber gut mit dir gemeint!
Ja, echt! (lacht)
Und dann?
Ich zog mich aus der Graffiti-Szene zurück. Meine Mom war supercool, gab mir „Hausaufgaben“. Sie kaufte mir alle Utensilien, die ich brauchte, und sagte: „Mal diesen Van Gogh ab“ oder „diesen Dalí“. Nachdem ich einige Bilder gemalt hatte, bezahlte sie mich dafür. Sie wollte mir ihre Wertschätzung zeigen und mich motivieren. Ich stellte die Bilder ins Netz und dachte, okay, jetzt bist du ein echter Künstler!
Klingt gut.
Aber dann kam alles anders. Ich heiratete, zog nach North Carolina und arbeitete als Maurer. Ich fühlte mich fremd, hatte Zukunftsängste und Depressionen. Ich zog mich zurück und filmte mich dabei, wie ich mit fluoreszierenden Filzstiften Bilder malte. Meine Instagram-Community wuchs, aber meine Ehe scheiterte.
Wie hast Du das verarbeitet?
Ja, ich bin den Jakobsweg gelaufen, von Frankreich über die Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela. In Pamplona saß ich eine Woche mit einer Schienbeinentzündung fest, aber ich hab’ nicht aufgegeben. Der Weg hat mich gelehrt: Das Leben ist eine einzige Herausforderung, aber es gibt immer eine Lösung, man muss nur durchhalten.
Bist Du wieder zurück in die USA?
Ja, eine Weile arbeitete ich in der Stahlindustrie. Das war echt hart. Aber dann kam der große Durchbruch: Joe Rogan kaufte eines meiner Bilder.
Der umstrittene Comedian und Podcaster?
Genau. Joe postete mein Bild auf seinem Instagram-Account, und ich konnte mich vor Aufträgen nicht mehr retten.
Wie kommt ein psychedelischer Künstler mit mexikanischen Wurzeln von Kalifornien nach St. Ingbert?
(lacht) Einer meiner NFT-Sammler ist aus Homburg. Sebastian wollte, dass ich in Deutschland ein Mural male. Zusammen mit der Modedesignerin Laura Theiss, die auch eine NFT-Sammlerin ist, hat er nach einer passenden Wand für mich gesucht. Fündig wurden die beiden bei dem Architekten Giarrizzo, der mir eine Parkhauswand zur Verfügung stellte.
Was kann man dort jetzt sehen?
Ich hab zum Beispiel Herrn Giarrizzos Hund, einen Mastino Napolitano, auf der Wand verewigt. Die Vorlage zu dem Mural kam von meinem Kumpel DaRealGenius, ihn hab ich als verrückten Hasen integriert. Und die deutsche Flagge ist auch drin.
Wie haben die St. Ingberter reagiert?
Zuerst waren sie sehr skeptisch, haben mich grimmig angesehen.
Wahrscheinlich waren sie sauer, weil Du eine Wand vollgeschmiert hast.
Ja! (lacht) Aber je mehr von meinem Mural zu erkennen war, umso netter wurden die Leute. Viele signalisierten mir ihre Zustimmung. Ein Schüler bedankte sich dafür, dass ich Farbe in die Stadt gebracht und ihm den langweiligen Weg in die Schule verschönert habe. Sogar die Feuerwehr kam vorbei und fragte, ob ich etwas für sie malen könnte.
Welche Reise steht als Nächstes an?
Wenn jemand eine Wand für mich hat, komme ich, egal wohin. Argentinien steht als Nächstes an. Thailand oder Bali wären auch schön. Ansonsten plane ich ein Netflix-Projekt und ein Online-Spiel. Und natürlich immer weiterreisen und malen.