Was Sport kann, sollte und muss
Das Verhältnis zwischen Sport und allen angrenzenden Bereichen – der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft – ist nicht immer leicht zu definieren. Dass es eine starke Verquickung etwa von Sport und Politik gibt, ist keine neue Erkenntnis, und die Verquickung reicht tief in den internationalen Bereich hinein, kann sogar Funktion von Machtpolitik werden.
Ohne das Sponsoring großer Wirtschaftsunternehmen wäre manche Sportart in ihrer bisherigen Form kaum zu präsentieren, und die gesellschaftliche Funktion von Sport – etwa bei Fragen von Inklusion und Integration – wird niemand ernsthaft infrage stellen.
Dennoch gibt es immer wieder jene, die – aus wohlerwogenen Gründen – eine strikte Trennung befürworten, eine Art sportpolitischen Laizismus, und die sich allein auf die sportlichen Leistungen und vielleicht noch die gesundheitlichen Wirkungen des Sports konzentrieren möchten. Die gerne hätten, dass die Politisierung des Sports und seine Nutzung als Transmissionsriemen ökonomischer Interessen ein Ende hat. Für eine solche Position kann man viele Sympathien aufbringen, gerade die öffentliche Diskussion um die Vergabe der Fußball-WM nach Katar hat so einige Argumente dafür geliefert. Dennoch ist eine solche Forderung einigermaßen weltfremd.
Sportliche Betätigung ist ein Feld sozialer Interaktion. Menschen kommen zusammen, um gemeinsam Sport zu treiben oder ihn organisatorisch zu begleiten, zu seiner Finanzierung beizutragen, die Lieblingssportart zu fördern. Entweder durch Jugendarbeit oder durch andere diesem Ziel angemessene Aktivitäten. Sie erleben dabei, manchmal positiv, manchmal vielleicht auch ernüchternd, Gemeinschaft. In dem Moment, wo ein Sport eine echte Breitenwirkung erzielt, viele Zuschauer anlockt und als „Volkssport“ zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wird, ist er untrennbar mit Politik und Ökonomie verbunden.
Alles, was Menschen miteinander und für etwas tun, hat unvermeidlich eine politische Komponente. Erst recht dann, wenn damit über die sportliche Betätigung hinaus in die Gesellschaft reichende Effekte erzielt werden. Große Sportereignisse, Festivals und Wettkämpfe, all die Ligen, sind ohne externe finanzielle Zuflüsse nicht finanzierbar. Auch dann nicht, wenn der Staat mit Sportförderung bereits seinen Beitrag leistet. Ein Arrangement mit Politik und Wirtschaft ist nicht nur notwendig, sondern lobenswert, um berechtigte Interessen durchsetzen zu können. Sportplätze und Schwimmbäder etwa sind teuer.
Das heißt aber nicht, dass nicht auch Grenzen gezogen werden sollten oder dass man nicht auf ein Gleichgewicht der unterschiedlichen Interessen achten müsste. Nichts ist schädlicher für den organisierten Sport, als wenn er in den Ruch gerät, ausschließlich spezielle politische oder ökonomische Interessen zu vertreten und damit seinen Charakter als gesellschaftliche Bewegung zu verlieren. Sport hat wichtige Funktionen über die körperliche Betätigung hinaus. Im Vereinsalltag und auf Wettkämpfen lassen sich endlos viele soziale und organisatorische Fähigkeiten erlernen und einüben, mit denen man sonst vielleicht so nicht befasst wird. Sport berührt viele andere Lebensbereiche und kann oft positiv auf Dinge einwirken, an die man im ersten Moment gar nicht gedacht hat.
Um dieses Gleichgewicht zu wahren, ist es notwendig, dass der Sport weiterhin attraktiv für das Engagement der Sporttreibenden bleibt. Die schrittweise Überalterung vieler Vereine ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sowohl ihres Altersdurchschnitts wie auch der Tatsache, dass junge Menschen nicht immer Verständnis für die traditionellen Organisationsformen ihrer Elterngeneration aufzubringen bereit sind.
Institutionen des Sports sind gezwungen, sich ständig neu zu erfinden und aufzustellen. Dafür ist weiterhin ein breites gesellschaftliches Engagement erforderlich, denn allein das kann ein gutes Fundament für die Rolle des Sports wie auch für das oben beschriebene Gleichgewicht der Interessen sein. Gerade Diskussionen wie die um die Fußball-WM in Katar sollten uns helfen, diesen Fokus wieder stärker in den Blick zu nehmen.