Kopenhagen ist bekannt für Kreativität und tolles Design, für moderne Architektur und als Welthauptstadt der Fahrradfahrer. Besonders passend deswegen: eine Tour zu den spektakulären Neubauten der letzten Jahre.
Im Jahr 2019 wurde Kopenhagen zur Welthauptstadt der Fahrradfahrer gewählt. Fast 400 Kilometer Fahrradwege werden dort von 675.000 Radlern genutzt. 44 Prozent aller Fahrten zur Arbeitsstelle, zur Schule oder Uni, legen die Kopenhagener auf zwei Rädern zurück. Ampeln werden in der Rushhour zugunsten der Radfahrer geschaltet. Während die Autofahrer im Stau stehen, flitzen die Radfahrer unbehindert durch die Stadt. Beeindruckende Fakten, die einer Fahrradmetropole alle Ehre machen.
Gut auch für mich als Tourist: An jeder Straßenecke kann man Fahrräder leihen. Auch am Nyhavn, dem Ausgangspunkt meiner Tour. In den Kopenhagener S-Bahnen dürfen Fahrräder zu jeder Tageszeit kostenlos mitgenommen werden. So kann man eine Fahrradtour jederzeit und überall abbrechen oder abkürzen.
Eine der größten Bibliotheken der Welt
Nyhavn liegt zentral im Zentrum der Stadt. Ein Geheimtipp sind die bunten, windschiefen Häuser direkt am Kanal schon lange nicht mehr. Früher torkelten hier betrunkene Seeleute aus den Tavernen, heute sitzen die Touristen draußen unter Sonnenschirmen am Wasser und lassen sich dänisches Bier, Fisch und Würstchen servieren. Nyhavn hat sich vom Rotlichtviertel zum Ausgehbezirk entwickelt. Für Fans von Hans Christian Andersen ist der Straßenzug fast so etwas wie ein Pilgerort. Der dänische Märchendichter schien sich hier besonders wohlgefühlt zu haben, denn er wohnte in drei unterschiedlichen Phasen seines Lebens in einer Wohnung am Kanal. Wer es ernst nimmt mit seiner Bewunderung für den Schriftsteller, der macht Fotos von den Häusern mit den Nummern 18, 20 und 67. Denn dort hat er gelebt. Nyhavn liegt im Zentrum der Stadt und deswegen ist es von hier nicht weit zu vielen anderen großen Sehenswürdigkeiten.
Zunächst radle ich, immer am Wasser entlang, fünf Minuten zur Königlichen Bibliothek, einer der größten Bibliotheken der Welt, unter anderem sind hier alle Werke archiviert, die seit dem 17. Jahrhundert in Dänemark publiziert wurden. Auf meiner Architektur-Tour interessiere ich mich aber vor allem für den modernen Anbau aus poliertem schwarzem Granit. Der wurde 1999 fertiggestellt und hat sich im Laufe der Jahre den durchaus passenden Spitznamen „der Schwarze Diamant“ verdient. Seine Fassade spiegelt sich spektakulär im Wasser und ist ein beliebtes Fotomotiv. Kopenhagen ist eine relativ kleine Stadt. Deswegen stehe ich schon nach fünf weiteren Fahrradminuten vor dem Dänischen Architekturzentrum. Von außen sieht das Gebäude ein wenig so aus, als habe man Kartons aus Glas übereinandergestapelt. Bevor ich durch die Ausstellung bummle, steht aber erst mal ein verspätetes Frühstück auf dem Programm. Im „Dac-Café“ gönne ich mir ein typisch dänisches Smörrebröd und einen Kaffee. Der tolle Blick von der Rooftop-Terrasse lenkt mich ein wenig vom Essen ab. Später schaue ich mir die Ausstellung über die Architekturgeschichte Dänemarks an und arbeite mich noch etwas ins Stadtplanungskonzept Kopenhagens ein. Dazu gehört, was ich selbst schon festgestellt habe, dass Fahrradfahrer die unbestrittenen Könige sind. In den letzten 15 Jahren hat man beispielsweise mehrere Brücken über das Hafenbecken gebaut, die für Autofahrer tabu sind. Während man mit dem Pkw ein paar Kilometer braucht, um auf die andere Seite des Wassers zu kommen, sind es mit dem Fahrrad nur wenig mehr als 100 Meter.
Über eine solche Brücke, die Cykelslangen, die Fahrradschlange, brause ich weiter. Den Namen hat sie bekommen, weil sie mit einem eleganten Schlenker übers Wasser führt. Direkt vor der Gemini Residence erreiche ich das andere Ufer. Hier hat man drei Silos einer stillgelegten Fabrik zur Weiterverarbeitung von Sojabohnen zu Wohnungen umgebaut. Ich steige kurz ab und mache ein paar Fotos von dem ungewöhnlichen Gebäude. Und schon geht es weiter. Nach knapp einem Kilometer habe ich das Kulturhaus Islands Brygge erreicht. Abends finden hier – wie der Name nahelegt – häufig Kulturveranstaltungen statt. Jetzt, um die Mittagszeit, sind drinnen und draußen die Tische im „Bryggens Spisehus“ voll besetzt. Ich sichere mir einen Platz in der Sonne mit Blick aufs Wasser und bestelle mir ein günstiges Dagens Lunch, so nennt man hier das Mittagessen. Ich schaue ein paar Studenten beim Baden zu. Das animiert mich. Nach zugegebenermaßen langem Zaudern springe ich ins frostig kalte Wasser. Schwimmen mitten in der Stadt? Das ist in Kopenhagen normal. Badestellen gibt’s fast an jeder Ecke, im Sommer scheint Kopenhagen ein riesiges Freibad zu sein.
24-Karat-Golddecke in der Oper
Zum nächsten Punkt der Tour sind es diesmal drei Kilometer, dafür bin ich etwa zehn Minuten unterwegs. Die Oper hat der weltberühmte dänische Architekt Henning Larsen entworfen. Wertvoll ist die Decke im großen Saal, die mit eineinhalb Kilo 24-karätigem Gold bedeckt ist. Vom dänisch-isländischen Künstler Olafur Eliasson stammen die drei großen Lichtskulpturen im Foyer. Die kann man sich jederzeit anschauen, der Zugang zum Foyer, in dem auch das stadtweit bekannte Restaurant „Almanak“ liegt, ist jederzeit möglich.
Anders als das sonst üblich ist, gab es kein Ausschreibungsverfahren für das Gebäude. Die Oper hat nämlich nicht der dänische Staat gebaut, sondern sie wurde von dem Megareeder Arnold Mærsk Mc-Kinney Møller, dem mit Abstand reichsten Mann Dänemarks, in Auftrag gegeben. Und weil der nach dem Motto „wer zahlt bestimmt“ agierte, bekam die Oper wegen Ausstattung und Architektur auch umgehend heftige Kritik ab. Inzwischen blickt man in Dänemarks Hauptstadt mit großem Stolz auf das Bauwerk, das unbestritten zu den beeindruckendsten Operngebäuden weltweit gehört, und Mærsk Mc-Kinney Møller hat das Haus auch schon längst dem dänischen Staat geschenkt.
Mit dem Wasserbus zurück
Ich radle weiter zum Amager Bakke beziehungsweise dem CopenHill. Der CopenHill ist eine Skipiste auf dem Dach einer Recyclinganlage. Klingt verrückt? Ist es auch. In dem Gebäude wird aus Abfall Energie für die Heizungen von 160.000 Haushalten und Strom für 60.000 Häuser produziert. Das Kraftwerksgebäude, der Amager Bakke, also der Hügel von Amager, ist 85 Meter hoch, die ganzjährig befahrbare Mattenpiste 500 Meter lang. Wer es nicht so mit Skifahren hat – Amager Bakke kann man auch besteigen. Ein „Wanderpfad“ führt hinauf zur Aussichtsplattform. Und unten im „Tal“ wartet eine Après-Ski-Bar.
Knapp fünf Kilometer wäre ich unterwegs von Kopenhagens einziger „Skipiste“ bis zum Skuespilhuset, dem Royal Danish Playhouse. Nach dem langen Fahrradtag soll die Tour für mich ohne weitere Anstrengung enden. Ich nehme deswegen den Wasserbus nach Nyhavn. Das Fahrrad kann ich auch hier kostenlos mitnehmen. So bin ich schnell am Theater, dem letzten Punkt auf meiner Architekturtour. Es wurde 2008 mit dem prestigeträchtigen Europapreis des Royal Institute of British Architects ausgezeichnet. Nach einem kurzen Rundgang durchs Haus, lasse ich meinen Tag mit einem Abendessen im Restaurant „Ofelia“ im Foyer des Hauses ausklingen – mit traumhaftem Blick durch die Glasfront auf den Hafen und die Oper.