Nach 40 Jahren fand am 19. Januar 1978 eine Epoche des Automobilbaus ihren Abschluss, als der letzte heimische Käfer des Volkswagen-Konzerns im Emdener Werk vom Band lief. Mehr als 16 Millionen Exemplare waren bis dahin in der Bundesrepublik produziert worden.
Es war ein langer Weg, den der Käfer von seinen Anfängen in der NS-Zeit zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders bis hin zum technisch und in Sachen Komfort nicht mehr zeitgemäßen Auslaufmodell zurückgelegt hat. Er war zuverlässig, unverwüstlich und einfach zu reparieren. Und er war so lange in der Erfolgsspur gelaufen, bis der internationale Markt im Vergleich zum „Buckel-Porsche“ – einer seiner Spitznamen – modernere Kompakte hervorgebracht hatte. Diese hatten längst den luftgekühlten Heckmotor und Heckantrieb zugunsten von dynamischerem Frontantrieb und Wasserkühlung hinter sich gelassen. Der Volkswagenkonzern, der seinen langjährigen Bestseller in einer hausinternen Notiz wenig schmeichelhaft als „weder schnell noch besonders sparsam, vom Komfort ganz zu schweigen“ charakterisiert hatte, hatte dieser Entwicklung sehr spät erst Rechnung getragen. In seinem Wolfsburger Stammwerk hatte er den letzten Käfer am 1. Juni 1974 vom Band laufen lassen und sämtliche Innovationsarbeiten am „Beetle“, wie er schon im Juli 1938 von der „New York Times“ getauft worden war, eingestellt. In Emden lief er weiter, während in Wolfsburg mit dem Golf endlich das Nachfolgemodell in den Startlöchern stand.
In seinem 1964 etablierten Werk in Emden, in der bis dahin strukturschwachen Region Ostfriesland, wurde das kultige Krabbeltier also noch vier weitere Jahre lang gebaut. Dessen Hafen hatte sich neben der Gründung eigener VW-Standorte in Übersee als zentraler Ausgangspunkt für die Eroberung des lukrativen nordamerikanischen Marktes erwiesen. Am 19. Januar 1978 wurde dann aber das endgültige Ende des Käfers in heimischer VW-Produktion besiegelt. Ein beeindruckendes Aufgebot nationaler und internationaler Journalisten hatte sich aus diesem Anlass in der ostfriesischen Stadt eingefunden. Auch die ARD-Tagesschau hatte ihren Korrespondenten vor Ort geschickt, um das Ende einer 40-jährigen Epoche des Automobilbaus zu kommentieren: „Großer Bahnhof für ein kleines Auto. Der letzte Käfer mit der Fahrgestellnummer 1182034030 in der Farbe Dakota-Beige verlässt die Montage-Straße vier des VW-Werks in Emden.“
Volkswagen baute 21,5 Millionen Käfer
Dieses letzte Käfer-Exemplar, mit dem dem 1965 eingeführten Klassiker-Modell 1300 ein spätes Denkmal gesetzt wurde und das von den zuständigen Werksarbeitern blumengeschmückt präsentiert wurde, kam jedoch nie in den Verkauf. Im Anschluss an die gegen 11 Uhr in der Halle 1A beginnende Zeremonie wurde es direkt ins Wolfsburger VW-Automuseum überführt. Da VW ungewöhnlicherweise von Anfang an exakt die Zahl der in seinen heimischen Werken fertiggestellten Käfer über die Jahrzehnte hinweg festgehalten hatte, konnte der letzte Käfer mit der Nummer 16.255.500 exakt beziffert werden.
Allerdings bedeutete das Käfer-Aus bei VW selbst noch keineswegs das endgültige Ende des Kultmobils. Zum einen wurden Käfer-Cabriolets noch bis zum 10. Januar 1980 beim Automobil- und Karosseriebau-Unternehmen Wilhelm Karmann in Osnabrück hergestellt, wo 330.281 Fahrzeuge produziert wurden. Zum anderen wurde der europäische Markt weiterhin mit Käfer-Modellen versorgt, die im mexikanischen VW-Werk in Puebla hergestellt und über Emden importiert wurden. Erst 1985 stellte VW den Europa-Vertrieb des Käfers komplett ein. Das letzte Schiff mit einer Ladung Käfer traf am 12. August 1985 in Emden ein. Im mexikanischen VW-Werk wurde das Auto ab 1992 mit geregeltem Katalysator und Lambda-Sonde aufgerüstet, aber wegen guter Nachfrage vor allem aus Brasilien und Mexiko bis zum 30. Juli 2003 weiter produziert. Der letzte in Puebla vom Band geaufene Käfer trug die Nummer 21.529.464.
Ein weltweiter Verkaufsrekord, der erst am 25. Juni 2002 durch den Golf übertroffen werden sollte. Der Golf ist zwar bis heute das meistverkaufte VW-Modell geblieben, doch rangiert er inzwischen im Ranking der meistverkauften Autos der Geschichte nur noch auf dem Bronzeplatz – ein ganzes Stück hinter dem Toyota Corolla und den Ford F-Series-Trucks. Für den Käfer reicht es zwar nur noch für den sechsten Platz, aber er gilt hierzulande unter den AutoFans als absoluter Oldtimer-Favorit.
Rund 50.000 Exemplare, die älter als 30 Jahre sind, sind derzeit noch immer auf Deutschlands Straßen unterwegs. Im Jahr 1998 hatte VW mit dem „New Beetle“ so etwas wie ein Käfer-Revival versucht und das erste Retro-Auto im mexikanischen Puebla produzieren lassen. Vor allem mit Blick auf den US-amerikanischen Markt, wo tatsächlich mehr als die Hälfte aller gebauten Exemplare abgesetzt werden konnte, während sich der „New Beetle“ mit dem äußeren Charme des Käfers und der Technik des damaligen Golf IV im Mutterland des VW-Konzerns nie richtig durchsetzen konnte. Noch weniger sollte das nur noch „Beetle“ getaufte Nachfolgemodell die VW-Verkaufshoffnungen erfüllen, weswegen die Produktion im mexikanischen Puebla im Sommer 2019 eingestellt wurde.
Die Anfänge des Käfers reichen bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurück, als Adolf Hitler den Entschluss gefasst hatte, breiten Bevölkerungsschichten nach dem „Volksempfänger“ auch ein preisgünstiges Auto, das nicht mehr als 1.000 Reichsmark kosten sollte, zur Verfügung zu stellen. Den offiziellen Auftrag zur Konzipierung eines sogenannten Volkswagens – der Begriff war schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehrfach von unterschiedlichen Herstellern gebraucht worden – erhielt Ferdinand Porsche am 22. Juni 1934 vom Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie. Die ersten Prototypen in den Karosserie-Varianten Limousine mit geschlossenem Dach, Limousine mit Faltschiebedach und Cabriolet entwickelte Porsche zwischen 1936 und 1938, wobei seine alleinige Urheberschaft inzwischen mehrfach infrage gestellt wurde. Möglicherweise hatte er sich Anleihen bei anderen Konstrukteuren wie Béla Barényi, Paul Jaray, Hans Ledwinka oder auch Josef Ganz beschafft.
VW selbst sprach intern nie vom „Käfer“
Zur Produktion des Volkswagens wurde eigens ein Werk bei Fallersleben errichtet, bei dessen Grundsteinlegung am 26. Mai 1938 der Name des Autos in „KdF-Wagen“ („Kraft durch Freude“, Anm. d. Red.) geändert wurde. Die Auslieferung der ersten Automobile, in deren Besitz Interessenten nicht durch Barkauf, sondern durch Erwerb von KdF-Wagen-Sparkarten kommen sollten, war für das Jahr 1939 vorgesehen. Durch den Kriegsausbruch sollte es dazu aber nicht mehr kommen, weil in dem Werk ausschließlich Fahrzeuge für die Wehrmacht und diverse Rüstungsgüter hergestellt werden durften.
Nach Ende des Krieges stand das teilweise beschädigte Werk eigentlich auf der Demontageliste der Alliierten. Doch da sich kein ausländischer Interessent fand – selbst Henry Ford soll dankend abgewinkt haben –, konnte der zuständige britische Major Ivan Hirst schließlich seine Vorgesetzten davon überzeugen, die Produktion des Käfers in eigene Hände zu nehmen. Die ersten Fahrzeuge wurden ausschließlich an die britische Armee und an wichtige deutsche Behörden ausgeliefert. Bis Silvester 1945 wurden 55 Autos unter der Bezeichnung Volkswagen fertiggestellt, im März 1946 waren es schon 1.000 Exemplare, bis Ende 1946 hatten mehr als 10.000 Autos das Werk in der seit 1945 auf den Namen Wolfsburg getauften Stadt verlassen können. Erst danach wurde der Verkauf an deutsche Privatpersonen und auch der Export ins Ausland erlaubt. Im Oktober 1949 übertrugen die Briten die Treuhandschaft für die Volkswagen GmbH an die Regierung der gerade erst gegründeten Bundesrepublik, wobei das Bundesland Niedersachsen mit der Verwaltung beauftragt wurde.
Nach Markteinführung des VW-Transporters im Jahr 1950, der hausintern fortan als Typ 2 deklariert wurde, erhielt der Volkswagen die Bezeichnung Typ 1. Der Kosename Käfer, der in den USA schon in den 1950er-Jahren gebräuchlich war, weil sich der „Beetle“ dort als Gegenmodell zu den riesigen Straßenkreuzern schon bald großer Nachfrage erfreute, wurde übrigens im Hause VW bis zum Jahr 1968 nie benutzt. Man sprach nur vom Typ 1, der unter der Ägide des Generaldirektors Heinrich Nordhoff ständig verbessert wurde, ohne dass gleichzeitig an marktfähigen Modell-Alternativen gearbeitet worden wäre. Es sollte kaum ein Jahr vergehen, das dem Käfer keine tiefgreifende Pflegemaßnahme beschert hätte. Vor allem das Aussehen der Heckscheibe erlebte einen grundlegenden Wandel von der Brezel-Optik über ovale Scheiben bis hin zu größeren rechteckigen Scheiben.
Technischer Höhepunkt war das Modell 1302
Auch die Motorleistung wurde von anfänglich 23,5 PS immer weiter gesteigert, die Bordspannung wurde ab 1968 auf zwölf Volt erhöht. 1961 war erstmals mit dem VW 1500 ein vom Käfer abgeleitetes größeres Modell in der VW-Palette aufgetaucht und lief fortan unter der Bezeichnung Typ 3. Technische Höhepunkte in der Käfer-Geschichte sind das im August 1970 eingeführte Modell 1302 mit 44 PS, das größer geschnitten war und dann das Modell 1303, der letzte Super-Käfer vor dem Golf. Aber auch mit diesen beiden Modellen konnte VW den Anfang der 1970er-Jahre einsetzenden Nachfrageeinbruch nicht mehr stoppen. 1955 hatte der Käfer die Millionen-Marke geknackt, 1967 die Zehn-Millionen-Hürde übersprungen und schließlich am 17. Februar 1972 den Uralt-Produktionsrekord des Ford-T-Models „Tin Lizzy“ gebrochen – mit 15.007.034 fertiggestellten Buckel-Porsches.