Daniel Craig kehrt in „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ zum zweiten Mal als dandyhafter Meisterdetektiv zurück. Und hat auch in dieser Krimi-Operette viel Spaß daran, dem Mörder auf die Spur zu kommen.
Halt endlich die Klappe! Du, mit deinem Kentucky-Fried-Nebelhorn-schleppenden-Südstaaten-Akzent!“, brüllt Chris Evans den süffisant lächelnden Daniel Craig an. Denn dieser hat als Detektiv Benoit Blanc den Schreihals schließlich doch des Mordes überführt. Jeder, der sich „Knives Out – Mord ist Familiensache“ (2019) im Original ansah, weiß, dass Evans damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat: Daniel Craig hatte – von seiner James-Bond-Bürde endlich befreit – nämlich eine diebische Freude daran, in dieser modernen Agatha-Christie-Hommage eine exzentrische Personalunion aus Hercule Poirot, Sherlock Holmes und Truman Capote zum Besten zu geben.
Fatales Luxus-Wochenende
Kein Wunder also, dass er seine Benoit Blanc-Performance in „Glass Onion“ jetzt auf die Spitze treibt. Im betont lässigen Urlaubs-Outfit – vorzugsweise roséfarbene Baumwollhemden und blaugestreifte Seersucker-Shorts – passt er perfekt in die illustre Clique von Freunden, die der Tech-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) auf seine griechische Privatinsel Glass Onion zu einem etwas anderen Erlebniswochenende eingeladen hat. Mit von der Partie auch die Mode-Ikone Birdie (Kate Hudson), der Influencer Duke (Dave Bautista) und die US-Gouverneurin Claire (Kathryn Hahn). Zu Miles Brons großer Überraschung taucht allerdings auch noch seine ehemalige Geschäftspartnerin Andi Brand (Janelle Monáe) auf, die er vor Jahren aus der gemeinsamen Firma gedrängt hatte. Im Schlepptau: Benoit Blanc.
Um das Luxus-Weekend aufregend zu gestalten, hat sich der Gastgeber ein perfides Spielchen ausgedacht. Es wird, so kündigt Miles vollmundig an, ein Mord geschehen. Und zwar wird er höchstselbst ermordet werden. Einer der Anwesenden wird der Mörder sein. Und Benoit Blanc soll den Mörder dann entlarven. Nachdem sich die Verwunderung über diese mysteriöse Ansage gelegt hat, stellt Miles amüsiert fest, dass es sich dabei natürlich um einen fiktiven Mord handeln würde. Und tatsächlich sieht es zunächst auch danach aus. Doch aus dem Spiel wird tödlicher Ernst. Nach dem Überraschungserfolg von „Knives Out – Mord ist Familiensache“, der bei einem 40-Millionen-Dollar-Budget über 300 Millionen Dollar einspielte, war schnell klar, dass man von Regisseur Rian Johnson („Looper“, 2012) ein Sequel haben wollte. Im Bieter-Wettstreit für insgesamt zwei Filme machte Netflix atemberaubende 469 Millionen Dollar locker. Ein Betrag, der Johnson ziemlich nervös machte: „Ich habe 15 Jahre lang auf dieses Franchise hingearbeitet, und nun sollte ich binnen drei Jahren einen weiteren Murder-Mystery-Film abliefern? Und zwar einen, der den Vorgänger noch übertreffen würde? Denn das war mein erklärtes Ziel. Ich wollte mich für das Sequel noch einmal neu erfinden. Ohne dabei die Story-Struktur zu sabotieren oder meinen Protagonisten zu kompromittieren. Also ganz in der Tradition der großen Agatha Christie, die mit jedem neuen Buch ihre Fans überraschen wollte, ohne sie damit vor den Kopf zu stoßen“, sagt Rian Johnson.
Kabinettstück mit Action und Tempo
Dieser Spagat ist Johnson voll und ganz gelungen. Mit vielen vertrackten Wendungen und verblüffenden Twists entfaltet sich die rätselhafte Story und führt das Publikum immer wieder in die Irre, obwohl sich, wie Benoit Blanc treffend anmerkt, „immer alles vor ihren Augen abspielt“. Der filmische Trick dabei ist, dass man nicht nur die Hauptagierenden im Vordergrund sieht, sondern auch beobachten kann, was sich im Hintergrund abspielt. Im Gegensatz zum Vorgänger – der bei aller Ironie auch die Tradition des Krimi-Kammerspiels konsequent bediente – gibt es in „Glass Onion“ viel mehr Tempo, handfeste Action, visuelle Kabinettstückchen, Split-Screen-Sequenzen, skurrile Gags und verblüffende Rückblenden. All das ist eingebunden in die bizarren Verhörmethoden von Benoit Blanc. Was dann vor dem glassplitternden Showdown noch alles passiert, soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Sicher ist, dass Rian Johnson mit seinem Team sämtliche Spinnweben, die so oft auf traditionell verfilmten Whodunit-Krimis liegen, ein für alle Mal gekonnt weggefegt hat.
War Daniel Craig im ersten „Knives Out“-Movie fast eine Randfigur, steht er diesmal deutlich sichtbarer im Zentrum des Geschehens. Und auch diesmal gelingt es ihm, augenzwinkernd an einer billigen Detektiv-Parodie vorbeizuschrammen. Man sollte Craig auch die Ehre erweisen, ihn im Originalton sprechen zu lassen. Immerhin hat er vor Drehstart ganze vier Monate lang mit einem Dialekt-Coach für den Nebelhorn-Slang trainiert. Nachdem unser Mann aus Liverpool für die Bond-Movies 15 Jahre lang Kopf und Kragen hingehalten hat, scheint er nun sehr happy zu sein, ein neues und ganz anderes Franchise gefunden zu haben. Aus der Seifen-Oper „Knives Out“ ist jetzt eine Seifen-Operette geworden. Oder, wie Kathryn Hahn meint: „Das Drehbuch ist so fugendicht, dass man die Musik darin hören kann.“ Apropos Musik: Kenner wissen natürlich, dass „Glass Onion“ ein Song aus der Feder von John Lennon ist. Der hat ihn 1968 geschrieben, um die Leute auf den Arm zu nehmen, die in die Beatles-Songs allen möglich Quatsch hineininterpretiert haben. Davor sollten wir uns auch bei „Glass Onion – A Knives Out Mystery“ hüten. Ein Beispiel: Der Tech-Milliardär Miles Bron soll für Elon Musk stehen. Dann hören wir doch noch einmal genau hin, was uns John Lennon zu sagen hat, während sein Song im Abspann läuft: „I told you about the walrus and me, man/You know were as close as can be, man/Well heres another clue for you all/The walrus was Paul.“