Der ökologische Landbau hierzulande soll deutlich wachsen. Mit einer Zukunftsstrategie will die Bundesregierung nicht nur die Ökoflächen bis 2030 verdreifachen, sondern auch einen höheren Bio-Anteil in Kantinen umsetzen und die Landwirte belohnen, die Umwelt, Klima und Artenvielfalt aktiv schützen.
Zum Frühstück essen wir Eier von Hühnern aus ökologischer Haltung, mittags Bio-Lachs aus ökologischer Aquakultur und abends Romana-Salat aus Demeter-Anbau. Für die Deutschen gelten Bio-Lebensmittel längst als Standard in der alltäglichen Ernährung. Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, soll der Ökolandbau hierzulande zukünftig deutlich gestärkt werden. Laut dem bundeseigenen Thünen-Institut betrug Ende 2021 der Anteil der bewirtschafteten Öko-Flächen an der gesamten Nutzfläche der Landwirtschaft elf Prozent, der Anteil der Ökobetriebe an allen Betrieben lag bei 14 Prozent.
Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, den ökologischen Landbau bis 2030 auf 30-Prozent-Flächenanteil zu steigern. Das Ganze nennt sich – etwas technokratisch – Zukunftsstrategie ökologischer Landbau, kurz ZöL. Diese soll zu einer Strategie der ganzen Bundesregierung ausgebaut werden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) steuere diesen Strategieprozess, denn das sei seine Aufgabe, verlautbarte eine Sprecherin. Eingebunden sind dabei Expertinnen und Experten aus der Branche, sprich Erzeuger, Berater, Verarbeiter, Akteure der Außer-Haus-Verpflegung, Händler, Wissenschaftler und Verwaltungsbeschäftigte. Nachdem über den Entwurf der Strategie in den kommenden Monaten beraten werden wird, soll er in den Ressorts abgestimmt und mit den begleitenden Ausschüssen besprochen werden. Erst dann soll das Entwurfspapier dem Kabinett im Frühsommer vorgelegt werden.
Mit Blick auf Klimaschutz, Artenvielfalt, Boden- und Gewässerschutz sei es dringlicher denn je, sogenannte „Nachhaltigkeitsleistungen in die Fläche zu bekommen“, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Soll heißen: Damit Landwirtschaft in der Breite nachhaltiger werden kann, muss sich der Schutz von natürlichen Ressourcen wie Wasser, Artenvielfalt oder Klima für die Höfe auch lohnen. Nicht zuletzt die aktuellen Krisen wie auch die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine hätten das gezeigt. Außerdem weiß man um die Robustheit von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, die stärker im Kreislauf wirtschaften und unabhängiger von energieintensiven Betriebsmitteln wie Kunstdünger sind. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung den Ökolandbau zum Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft erklärt, die besonders ressourcenschonend und umweltverträglich ist. „Das 30-Prozent-Ziel ist ambitioniert, aber machbar. Die Koalition hat sich das Ziel ja sehr bewusst gesteckt, weil damit ein Pull-Faktor für die gesamte Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit verbunden ist. Damit mehr Höfe umstellen können, arbeiten wir deshalb auch daran, die Nachfrage zu stärken. Ein wesentlicher Faktor ist dafür die Gemeinschaftsverpflegung“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf FORUM-Anfrage.
Es braucht eine Politik jenseits der Nische
Zu den Plänen der Regierung sagte der Präsident des Bioland-Verbandes, Jan Plagge: „Die bisherige Zukunftsstrategie ökologischer Landbau war schon in der Vergangenheit ein wichtiges Instrument, um das politische Ziel von mehr Ökolandbau in Deutschland zu erreichen. Die wesentlichen Handlungsfelder wurden 2019 beschrieben, allerdings davon vieles nur halbherzig oder gar nicht in die Umsetzung gebracht, wie zum Beispiel ein sichtbarer und wirksamer Ausbau in der Außer-Haus-Verpflegung. Nun gibt es ein ambitionierteres Ziel, und auch der Rahmen hat sich stark verändert. Um aus der Nische zu kommen, braucht es eine Politik jenseits der Nische – das heißt, dass sie ressortübergreifend gedacht und umgesetzt werden muss und alle Ministerien bei den Maßnahmen mitziehen. Inhaltlich muss Bio in der Gemeinschaftsverpflegung einen Schwerpunkt bilden. Bislang stellte die Bundesregierung zu wenige Mittel und Personalressourcen bereit, wodurch wichtige Entwicklungen verzögert wurden. Bioland und seine rund 10.000 Mitglieder und Partner stehen bereit, die Transformation in der Land- und Lebensmittelwirtschaft aktiv mitzugestalten.“ Auch nach außen setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen. „Die deutsche Politik wird in Brüssel und den Mitgliedsstaaten genau beobachtet und sowohl das 30-Prozent-Ziel als auch eine überarbeitete Strategie wird ein wichtiges Signal auf EU-Ebene zur Erreichung des Green Deals sein“, so Plagge.
Der Geschäftsführer des Forschungsinstituts für biologischen Landbau Deutschland, Dr. Robert Hermanowski, sagte: „Die 2017 vorgestellte Zukunftsstrategie ökologischer Landbau hat zum Ziel, die politischen Rahmenbedingungen für den Ökolandbau auf nationaler Ebene im Hinblick auf das Öko-Flächenziel zu verbessern. Hierzu wurden in fünf Handlungsfeldern verschiedene Maßnahmen entwickelt, die nationale Schlüsselbereiche für die Stärkung des Ökolandbaus abdecken. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat das Flächenziel auf 30 Prozent erhöht und angekündigt, dafür die ZöL zu einer Strategie des Bundes weiterzuentwickeln. Diese Vorgehensweise, in einem partizipativen Prozess systematisch Hemmnisse abzubauen und Lösungsansätze für die Ausweitung des Ökolandbaus zu erarbeiten, gilt als vorbildhaft auch für andere Länder, die sich die Ausweitung des Ökolandbaus als Ziel gesetzt haben.“
Um den Umbau in Richtung Ökolandbau auf der Fläche voranzutreiben, möchte man peu à peu vorgehen. Ein entscheidendes Instrument, dorthin zu steuern, sei die Europäische Agrarförderung, teilte das BMEL mit. „Wo wir in der aktuellen Förderperiode noch konnten, haben wir Öko in der EU-Agrarpolitik (GAP) gestärkt. Auch das 30-Prozent-Ziel haben wir im GAP-Strategieplan verankert. Und über einen GAK-Sonderrahmenplan wird mit 175 Millionen Euro die Umstellung und die Beibehaltung von Ökolandbau unterstützt“, sagte eine Sprecherin. Die GAK, die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, ist ein nationales Förderinstrument, durch das unter anderem die Land- und Forstwirtschaft, die Entwicklung ländlicher Räume und ein verbesserter Küsten- und Hochwasserschutz finanziell gestützt werden sollen. Auf lange Sicht strebt das Bundeslandwirtschaftsministerium einen echten Paradigmenwechsel in der GAP an. Das erklärte Ziel ist demnach für die neue GAP-Förderperiode ab 2027 die bisherigen Direktzahlungen durch ein System zu ersetzen, in dem gesellschaftliche Leistungen für Umwelt, Klima und Biodiversität honoriert werden. Zusätzlich stellt die Regierung für 2023 über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau 36 Millionen und über die Eiweißpflanzenstrategie 8,6 Millionen Euro bereit.
Umstieg auf Bio muss erleichtert werden
Daneben muss Landwirtinnen und Landwirten der Umstieg auf den Bio-Anbau erleichtert werden. Viele der Akteure sind dem Ministerium zufolge bereit, auf Öko-Landbau umzustellen, wenn sie sich sicher sein können, dass es einen verlässlichen Markt für Bio-Produkte gibt. Dem aktuellen Konjunkturbarometer Agrar im Auftrag des Bauernverbandes zufolge bekundeten 20 Prozent der Landwirte ein Öko-Umstellungsinteresse. Unter diesen Bauern, für die eine Umstellung infrage kommt, können sich 18,7 Prozent einen Umstieg eventuell vorstellen. 1,3 Prozent planen demnach eine Umstellung fest ein. In Süddeutschland zeigten sich 27,5 Prozent der Betriebe offen für diesen Schritt. Für einen Umstieg auf Bio seien den Befragten letztlich Absatzsicherheit, höhere Preise und eine bessere Förderung besonders wichtig.
Das Landwirtschaftsministerium will sich dafür einsetzen, dass sich Angebot und Nachfrage im Einklang entwickeln können. Aufseiten der Nachfrage sei ein wichtiger Hebel, den Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung zu steigern, hieß es. Nach Angaben einer BMEL-Sprecherin essen täglich sechs Millionen Menschen in Kantinen, Mensen oder Restaurants. „Wir gehen mit gutem Beispiel voran und setzen auf einen Bio-Anteil von 30 Prozent in den Bundeskantinen“, betonte die Sprecherin. Der Bund fördert überdies die Beratung von Kantinen, die den Bio-Anteil erhöhen wollen.
Ein wichtiges Anliegen ist der Regierung auch, dass die Zukunftsstrategie von Verbraucherinnen und Verbrauchern mitgetragen wird. Mit etlichen Maßnahmen sollen Bürger angesprochen und mitgenommen werden – sei es durch den Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung, Informationen, Veranstaltungen und Medien.
Dennoch bleibt für die Bundesregierung im Krisenmodus einiges zu tun, wenn sie, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das 30-Prozent-Ziel erreichen will. Für das Land wäre das auf jeden Fall ein klares Signal für eine grünere Landwirtschaft.