Dr. Andrea Flemmer ist Diplom-Biologin und Ernährungswissenschaftlerin. Die Autorin zahlreicher Bücher, unter anderem „Bio Lebensmittel: Nachhaltig einkaufen, gesund leben“, erklärt, warum Bio-Lebensmittel die beste Alternative sind.
Frau Dr. Flemmer, sind Bio-Lebensmittel wirklich gesünder?
Wenn man diese Frage stellt, kann es zwangsläufig nur eine Antwort geben: ja. Denkt man logisch, ist es ganz klar: keine Pestizide, kein Kunstdünger und damit Nitrat im Grundwasser und anschließend im Trinkwasser, sowie kaum Zusatzstoffe in Bio-Lebensmitteln und keine Gentechnik.
Gibt es dafür auch wissenschaftliche Belege?
Bereits 2007 konnte man im Newsletter Nummer 159 der „Bio-Fach“ folgende Überschrift lesen: „Jetzt offiziell: Bio ist wirklich besser“.
Was steckt dahinter?
Die „Times“-Onlineausgabe berichtete von einer vier Jahre lang dauernden Studie, die zwölf Millionen Britische Pfund gekostet hatte und die von der Europäischen Union unterstützt wurde. Dabei handelte es sich um das bisher größte Forschungsprojekt zu den Vorteilen von ökologischem Landbau und Bio-Lebensmitteln. Die „Sunday Times“ war der Ansicht, dass genau diese Studie die jahrelangen Debatten beenden und die Ansicht der Regierung ändern könnte, dass Bio-Lebensmittel nicht nur Teil eines ganz speziellen Lebensstils zu sehen sind, sondern dass diese Lebensmittel tatsächlich gesünder sind als die konventionell erzeugten.
Was fanden die Wissenschaftler genau heraus?
Tatsächlich zeigte die Studie „Quality Low Input Food“ (QLIF), dass Bio-Obst und -Gemüse über 40 Prozent mehr Antioxidantien aufweist als konventionelles Obst und Gemüse. Der Koordinator der Studie, Prof. Carlo Leifert von der britischen Universität Newcastle betonte, dass die Unterschiede so deutlich seien, dass auch Leute, die nicht die empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse täglich essen, bei biologischer Ernährung genügend wichtige Inhaltsstoffe zu sich nehmen.
Noch krasser als in Obst und Gemüse fanden die Wissenschaftler den Gehalt von Antioxidantien in der Milch. Stammte sie von biologisch gehaltenen Kühen so enthielt sie 90 Prozent – also fast doppelt so viel – mehr Antioxidantien und gesunde Fettsäuren. Damit deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Genuss von Bio-Lebensmitteln dem Verzehr einer Zusatzportion Obst und Gemüse pro Tag entspricht – so die Ansicht von Prof. Carlo Leifert. Das heißt: Nicht mehr fünf am Tag, sondern vier Portionen am Tag reichen in diesem Falle aus. Die „Sunday Times“ spricht außerdem davon, dass nach den Ergebnissen der Studie der Genuss von Bio-Lebensmitteln sogar das Leben verlängert.
Unterscheiden sich Bio-Lebensmittel von konventionell angebauten bezüglich der Nährstoffe?
Hier gibt es inzwischen hervorragende wissenschaftliche Tests, die ergaben, dass Bio-Obst und -Gemüse tatsächlich vitamin- und mineralstoffreicher sind. Davon gibt es natürlich Ausnahmen, zum Beispiel hat altes oder gar verschrumpeltes Obst und Gemüse viele Vitamine verloren und sollte dann auch im Laden liegen bleiben, Bio hin oder her. Generell fand man in Bio-Lebensmitteln aber einen erhöhten Gehalt an Vitamin C. Über den höheren Vitamin-C-Wert hinaus, fand man heraus, dass Bio-Milch deutlich mehr Vitamin E enthält. Mehr Beta-Carotin (Vorstufe von Vitamin A) entdeckte man ebenfalls. Auch Mineralstoffe fand man vermehrt in Bio-Lebensmitteln.
Welche Vorteile hat eine Ernährung mit Bio-Lebensmitteln?
Man hat gesündere Lebensmittel und weniger Zusatzstoffe. Es wird auch versucht, Lebensmittel aus Deutschland, Österreich et cetera zu bekommen. Mit kürzeren Transportwegen tut man automatisch etwas für die Umwelt.
Gibt es auch Nachteile?
Ja, der Preis ist höher. Aber wenn man den geringeren Wassergehalt in den Lebensmitteln mit einbezieht, ist das oft gar nicht so schlimm.
Greifen Sie persönlich ausschließlich zu Bio-Lebensmitteln?
Ja, von Kindesbeinen an. Schon meine Mutter hat sehr darauf geachtet, woher unsere Lebensmittel kamen. Meine Mutter hat sich sogar extra eine Gärtnerin gesucht, die Lebensmittel ungespritzt anbaute. Das war vor vielen Jahren, als es noch keine Naturkostläden oder Bio im Discounter gab. Die Eier holte sie damals von einer Bäuerin, bei der man die Tiere draußen herumlaufen sah.
Welche Lebensmittel sollte man grundsätzlich aus ökologischem Anbau kaufen?
Keine Kompromisse bei Fleisch und Wurst. Fleisch – kein Lebensmittel ist so oft im Gespräch: Rinderwahnsinn (BSE), Dioxine, Nitrofen, Antibiotika, Hormone, Geflügelpest, die Maul- und Klauenseuche, Gammelfleisch sorgten dafür, dass die Thematik ständig aktuell bleibt. Das Beste, was man hier tun kann, ist Fleisch und Wurst aus Bio-Anbau zu kaufen.
Kann der Käufer davon ausgehen, dass Bio-Lebensmittel immer schadstoffärmer sind?
Im Prinzip ja. Dennoch fand „Ökotest“ auch in manchen Bio-Lebensmitteln Mineralölreste. Also 100 Prozent ist dies nicht, aber so gut wie. Als ich vor Jahren mein erstes Bio-Buch schrieb, habe ich mit vielen Herstellern gesprochen, weil ich mir so manche Testergebnisse nicht erklären konnte. Generell versuchten alle, ein ungünstiges Testergebnis zukünftig zu vermeiden. Ein Problem ist selbstverständlich, dass Pestizide so lange haltbar sind. Auch das Insektizid DDT, das in den 70er-Jahren verboten wurde, kann man immer noch nachweisen. Das kann man nur verbessern, indem man Bio kauft. Dann kommen eben dort keine Pestizide mehr hinzu.
Ist Bio immer gleich Bio?
Nun, EU-Bio ist nicht ganz so streng und manche Anbauverbände haben spezielle Vorschriften. So richten sich Demeter- Bauern nach dem Stand der Sterne. Man muss wissen, ob einem das wichtig ist.
Die Inflation hat vor allem auch der Bio-Branche geschadet. Was halten Sie davon, dass der Verbraucher an der Lebensmittelqualität spart?
Diejenigen, die Billigstlebensmittel kaufen, wissen nicht, was sie sich damit antun. Und klar, manche müssen bei diesen Preisen schon schwer schlucken. Deshalb habe ich das Kapitel geschrieben, was man zur Not konventionell kaufen kann.
Können Sie Beispiele nennen?
Das sind hauptsächlich Lebensmittel, die dicke Schalen haben: zum Beispiel Nüsse oder Kaffee. Sehr viele gibt es leider nicht.