Bioland ist der größte ökologische Anbauverband in Deutschland. Unter den Verbrauchern ist die Marke wohlbekannt und geschätzt.
Als Bioland 2018 eine Kooperation mit dem Billigdiscounter Lidl eingegangen war, war dies von so manchem eingefleischten Bioprodukte-Käufer mit großer Skepsis aufgenommen worden. Die Zusammenarbeit mit dem, aktuell mit 8.700 angeschlossenen Betrieben, größten ökologischen Anbauverband Deutschlands war zunächst als Experiment angelegt. Damit wollte man erkunden, ob dem Endverbraucher hochwertige und dadurch etwas teurere Bio-Lebensmittel aus Deutschland auch auf dem Discounter-Vertriebskanal schmackhaft gemacht werden könnten. Es hat sich schnell zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Schon drei Jahre später, als sich die Zahl der Bioland-Produkte in den Lidl-Läden verdoppelt hatte, konnten sich daher die beiden Partner zu einer langfristigen Kooperation entschließen. Das passte zu Lidls Zielvorgabe, bis 2025 „zehn Prozent des Festsortiments als Bio- oder Bioland-Lebensmittel“ anzubieten, „um eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern“.
Auch Bioland zeigte sich hochzufrieden mit der Zusammenarbeit, nicht zuletzt deshalb, weil durch diesen hochinteressanten Absatzkanal der Anreiz für Bauern zum Umsteigen von konventioneller hin zu ökologischer Hofführung weiter erhöht werden konnte. „Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Lidl ist ein zentraler Baustein für Bioland“, so dessen Präsident Jan Plagge, „um die Nachfrage nach Bioland-Produkten weiter auszubauen und neue Kundengruppen zu erreichen.“ Ungemein hilfreich dürfte der große Vertrauensvorschuss gewesen sein, den Bioland bei den hiesigen Verbrauchern genießt. Denn laut einer Umfrage von „Focus Money“ ist Bioland in der Kategorie „Bio und Naturkost als Lebensmittel“ die mit Abstand bekannteste Marke. „Es ist großartig“, so Jan Plagge, „dass unser Engagement für Mensch, Tier und Natur sowie die Qualität unserer Bioland-Erzeugnisse bei den Verbrauchern erkannt und honoriert werden.“ Selbst der als ungemein kritisch bekannte Naturschutzbund Deutschland (Nabu) lobt Bioland wegen dessen „Öko-Landbau mit strengeren Kriterien als die EU-Standards“ und stuft den Umweltvorteil ein als „Empfehlenswert! Noch besser als normale Bio-Produkte“.
In den 70er-Jahren gegründet
Im historischen Rückblick war es für Bioland und dessen Vorläuferorganisation ein weiter und fraglos nicht ganz unbeschwerter Weg gewesen. Beginnend in den 1950er-Jahren, als einige aufgeschlossene Bauern aus Süddeutschland den Kontakt zu Schweizer Pionieren einer umweltfreundlichen Landwirtschaft, der Bauernheimatbewegung rund um den Agrarpolitiker Dr. Hans Müller, aufgenommen hatten. Sie begannen sich mit den Grundlagen eines organisch-biologischen Landbaus bekannt zu machen, in einer Zeit, als allgemein die Umstellung von der traditionellen hin zu einer intensiven chemisch-technischen Wirtschaftsweise ihren Anfang genommen hatte. Die daraus resultierende Abhängigkeit von der für die Herstellung von Pestiziden und Kunstdünger verantwortlichen Industrie wollten 1971 ein Dutzend deutsche Landwirte nicht mehr länger mitmachen und gründeten in Honau bei Reutlingen den Verband „bio gemüse e. V.“ mit eigenen Richtlinien und wachsendem Zuspruch im Kollegenkreis.
1979 entschloss man sich zur Umbenennung in „Bioland“ als Verbandsname und als Markenzeichen. Erste Landesverbände wurden etabliert, 1991 kam dann auch noch Südtirol hinzu. Das erste Bioland-Markenzeichen aus dem Jahr 1981 wurde 2010 durch das heute bekannte Logo aus grünem Quadrat mit weißem Schriftzug abgelöst. 2002 hatte Bioland zusammen mit elf weiteren Partnern den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ins Leben gerufen und 2019 als erster deutscher Ökoanbauverband eine umfassende Biodiversitäts-Richtlinie verabschiedet, die 2021 in Kraft getreten war. Auch auf höchster politischer Ebene weiß sich Bioland inzwischen Gehör zu verschaffen, wobei die alljährlich zur Berliner „Grünen Woche“ gegen die Agrarindustrie gerichtete Demo „Wir haben es satt“ große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Seit den Anfangstagen verfolgen die in Bioland organisierten Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer zusammen mit ihren aktuell rund 1.400 Partner-Betrieben aus Lebensmittelherstellung und -handel sowie der Gastronomie ein ganzheitliches Konzept vom Acker bis zum Teller. Wobei die Kreislaufwirtschaft zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, frei von synthetischen Pestiziden, die für alle Mitglieder verpflichtende Wirtschaftsweise ist. Lange bevor es eine EU-weite Regelung gab, hatte Bioland schon eigene strenge Richtlinien und Kontrollverfahren etabliert – und damit gewissermaßen schon frühzeitig die Weichen für die EU-Öko-Verordnung gestellt. „Bioland hat vieles frühzeitig und als Pionier in die Hand genommen“, so Jan Plagge. „Das ist noch immer so, denn wir wollen die treibende Kraft in der Landwirtschaft bleiben. Mit unserer Arbeit wollen wir die Bio-Branche und die Menschen darüber hinaus zum Umdenken und Handeln motivieren. Es geht um nichts weniger als die Zukunft unseres Planeten.“ Im Unterschied zu anderen Bio-Anbauverbänden wie Naturland oder Demeter legt Bioland höchsten Wert auf Regionalität. Nur Erzeugerbetriebe aus Deutschland und Südtirol dürfen sich mit dem Bioland-Siegel schmücken.
Über die EU-Öko-Verordnung hinaus
Sieben Grundprinzipien hat Bioland seinen Mitgliedern vorgegeben: 1. Im Kreislauf wirtschaften. 2. Bodenfruchtbarkeit fördern (Humusgehalt erhöhen, Anbau von Zwischenfrüchten). 3. Tiere artgerecht halten (höchstmögliche Futterqualität, deutlich mehr Platz auf Weiden oder im Stall). 4. Wertvolle Lebensmittel erzeugen (ohne Belastung durch Pestizide oder gentechnisch veränderte Organismen, dafür hochwertige Inhaltsstoffe). 5. Biologische Vielfalt fördern (Erhalt von möglichst vielen Pflanzen und Tierarten, beispielsweise durch Anlage von Hecken, Blühstreifen oder Nisthilfen für Vögel). 6. Natürliche Lebensgrundlagen bewahren (Förderung von artenreichem Bodenleben, keine Verwendung erdölbasierten Düngers, Einsatz erneuerbarer Energien, Vermeidung von Treibhausgasen). 7. Menschen eine lebenswerte Zukunft sichern (durch Produktion hochwertiger Lebensmittel den Erzeugern regional ein gutes und sicheres Einkommen ermöglichen).
In vielen Punkten gehen die Bioland-Richtlinien weit über die entsprechenden Regelungen der EU-Öko-Verordnung hinaus, wobei hier nur einige Abweichungen aufgezählt werden können. Eine Mischform von konventioneller und ökologischer Bewirtschaftung ist bei Bioland-Betrieben ausgeschlossen, die Gesamtumstellung auf Bio ist vorgeschrieben. Für Tiertransporte ist eine maximale Fahrtstrecke von 200 Kilometern einzuhalten, die Transportdauer darf vier Stunden nicht überschreiten. Das Bio-Futter für die Tiere muss zu mindestens 50 Prozent vom eigenen Betrieb stammen oder zumindest von einem nahen Partnerbetrieb aus der Region. Die Zahl der Lebensmittelzusatzstoffe ist auf 24 gedeckelt. Die erlaubte Gesamtzahl von Geflügel und Schweinen pro Hektar Fläche wurde deutlich unterhalb der EU-Vorgaben angesiedelt. Das Kupieren der Schwänze von Rindern und Schweinen ist verboten. Bei den Tierarzneimitteln werden möglichst schonende Alternativen zu den gängigen Medikamenten verabreicht. Die Bioland-Mitglieder-Betriebe werden mindestens einmal jährlich von staatlich anerkannten, unabhängigen Stellen überprüft. Zusätzlich finden bis zu vier Futtermittelkontrollen pro Jahr statt.