Elektroautos sind umweltfreundlicher und im Unterhalt günstiger als Verbrenner. Während viele Privatleute umsteigen, kommen Polizei, Rettungsdienste und Behörden aber nur langsam in die Gänge.
Ein stürmischer Julitag auf Borkum. Unerbittlich peitscht die Nordsee gegen die Hafenmole, dicke Wolken treiben Regenschauer über die Insel. Weil es in den Strandkörben zu ungemütlich ist, sind viele Touristen aufs Fahrrad umgestiegen. Kreuz und quer radeln sie durch die Innenstadt, vorbei an Bollerwagen, Kinderbuggys und Fußgängern, die mit Regenschirmen übers Kopfsteinpflaster hasten. Markus Zarncke schüttelt den Kopf. „Die Leute lassen die Verkehrsregeln auf dem Festland zurück“, sagt der Polizist.
Zarncke ist einer von neun Beamten, die auf der Insel Dienst tun. Doch nicht nur sein Standort ist etwas Besonderes, sondern auch sein Streifenwagen: ein Opel Ampera. Anders als der Großteil der deutschen Polizei nutzt Zarncke ein Elektroauto. „Für die Insel ist das ideal“, sagt der 39-jährige Oberkommissar. „Weil der Ampera klein und spritzig ist, kann ich mit ihm auch an großen Fahrradgruppen schnell vorbeiziehen.“ Ob enge Gassen, holprige Schleichwege oder die gut frequentierte Strandpromenade: für den kompakten Stromer kein Problem.
Zu Dienstbeginn streift Zarncke zunächst seine Schutzweste über, schaltet das Funkgerät an und schnallt seinen Gürtel um. Dann geht er auf den Hof der Wache, um den Ampera auszustöpseln. Wenn das Auto nicht im Einsatz ist, lädt der kleine Flitzer an der polizeieigenen Ladestation. „Für eine Schicht reicht’s locker“, sagt Zarncke, der mit dem E-Streifenwagen meist zwischen 50 und 100 Kilometer am Tag fährt. Nutzen seine Kollegen das Auto direkt danach, verdoppelt sich die Strecke. „Aber auch das ist kein Problem“, versichert der Beamte. Die Reichweite des Ampera – die tatsächliche, nicht die oft geschönte in den Verkaufsprospekten der Autoverkäufer – liege bei mindestens 350 Kilometern.
Perfekt geeignet für die Insel Borkum
Früher ist Zarncke einen VW Passat gefahren, den Klassiker unter den deutschen Polizeiautos. Auch heute noch steht den Beamten auf der Insel ein fossiler Pritschenwagen zur Seite – neben einem E-Bike, einem E-Motorrad und dem besagten Ampera. Für Zarncke sind die Vorteile der Stromer offensichtlich: „Es gibt keinen Ölwechsel mehr. Und ich muss nur noch einmal pro Jahr zur Wartung aufs Festland.“ Und die Nachteile? „Der Ampera fährt maximal 140 Stundenkilometer.“ Doch zu einer Verfolgungsjagd komme es auf der Insel ohnehin selten: „Wohin sollen die Täter denn flüchten?“
Aus ökologischer Sicht ist die Sache ebenfalls klar: Von der Produktion bis zur Verschrottung stoßen E-Autos zwischen 73 und 89 Prozent weniger CO2 aus als ihre Verbrenner-Pendants, wie eine aktuelle Studie der Universität der Bundeswehr belegt. Zwar fällt bei der Produktion der Stromer wegen des Akkus deutlich mehr CO2 an als bei Benzinern. Im Laufe ihres Lebens holen E-Autos diesen Nachteil aber locker wieder auf. Laut der Studie entstehen beispielsweise bei der Produktion eines elektrischen Tesla 3 im Vergleich zu einem benzinbetriebenen VW Passat rund 50 Prozent mehr Emissionen; doch betrage dieser Klima-Vorsprung des Benziners umgerechnet nur etwa 18.000 Fahrtkilometer. Anders gesagt: Nach dieser Laufleistung fährt das E-Auto klimaneutral, während beim Verbrenner fortwährend Abgase aus dem Auspuff strömen.
„Die Fahrzeuge werden immer besser, sie laden schneller und ihre Reichweite erhöht sich“, bestätigt Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft an der Leuphana Universität. Den Umstieg von fossilen Dienstfahrzeugen auf Stromer hält sie für „absolut sinnvoll“, auch aus Kostengründen: „Wenn Kommunen ihren eigenen Ökostrom nutzen, sind die Fahrzeuge nicht nur billiger in der Unterhaltung als Verbrenner, sondern auch ein Teil der Energiewende. Ich bin sicher, dass Behörden diese Rechnung machen werden.“
Noch aber scheint diese Logik in den meisten Behörden nicht zu verfangen. Das mag daran liegen, dass ihnen von höchster Stelle wenig Vorbildliches vorgelebt wird. Laut einer Umfrage der Deutschen Umwelthilfe nutzen nur Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ein reines Elektroauto als Dienstfahrzeug. Besonders schlecht schneidet Bauministerin Klara Geywitz (SPD) ab, deren BMW einen realen CO2-Ausstoß von 330 Gramm pro Kilometer aufweist – viermal so viel wie die Elektro-Audis von Özdemir und Lemke.
Die Zahl der E-Autos im Fuhrpark der Polizei variiert von Bundesland zu Bundesland. Am besten schneidet Niedersachsen ab, wo 456 von 4.783 Polizeiautos rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid, also mit Benzintank plus Zusatzbatterie, genutzt werden. Das ergibt einen Anteil von immerhin fast zehn Prozent. In den meisten anderen Bundesländern gibt es nur einzelne E-Streifenwagen. Baden-Württemberg, Berlin und Niedersachsen testen zudem Wasserstoff-Fahrzeuge. Die Polizei in Thüringen und Brandenburg nutzt derzeit überhaupt keine Stromer, im Saarland und in NRW kommen zumindest Plug-in-Hybride zum Einsatz.
Problem ständiger Einsatzfähigkeit
Nicht viel besser sieht es beim Rettungsdienst aus. Von einigen Modellversuchen abgesehen, rasselt in den meisten Ambulanzen noch immer ein Dieselmotor. „Elektrische Varianten haben sich auf breiter Front noch nicht durchgesetzt“, räumt Mercedes-Sprecher Andreas Leo unumwunden ein. Der Stuttgarter Autokonzern hat in Zusammenarbeit mit der Magdeburger Firma „Ambulanzmobile“ einzelne Fahrzeuge umgebaut. „Noch ist aber die Reichweite eine große Herausforderung“, sagt Leo. Die vielen lebenserhaltenden Systeme benötigen zusätzlich Strom – und der muss zuverlässig verfügbar sein.
Spricht man mit Akteuren, die elektrische Dienstfahrzeuge bereits nutzen, fällt die Bilanz gemischt aus. In Hamburg hat die Feuerwehr vier Wochen lang einen E-Rettungswagen getestet. Den Sanitätern imponierten die Ausstattung und der leise Motor – am Ende blieb es trotzdem bei einem Pilotprojekt. Noch gebe es nicht genug Ladestationen auf den Wachen, heißt es von der Feuerwehr. Vorreiter Niedersachsen hat einen Leitfaden („Lautlos & Einsatzbereit“) geschrieben, an dem sich andere Bundesländer orientieren können, die ihre Flotte umstellen wollen. Bisher nutzt die Polizei in Niedersachsen ihre E-Autos vor allem für die Kripo. In „urbanen Gebieten mit guter Ladeinfrastruktur“ kommen sie aber auch im Streifendienst zum Einsatz, wie das niedersächsische Innenministerium auf Nachfrage mitteilt.
Gegner der Batteriefahrzeuge führen stets deren zu geringe Reichweite an – selbst in Niedersachsen, wo die Polizisten weniger an ihren altgedienten fossilen Gefährten hängen, sehen sie dies mitunter als Handicap. Zwar kommen aktuelle E-Modelle mit einer Akkufüllung schon bis zu 400 Kilometer weit, Tendenz steigend. Wird aber ein Streifenwagen von mehreren Schichten hintereinander genutzt, könnte es trotzdem eng werden. „Die permanente Einsatzfähigkeit […] hat höchste Priorität“, betont ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Polizeibehörden in anderen Bundesländern monieren fehlende Ladestationen bei ihren Dienststellen, lange Ladezeiten oder das zu geringe Kofferraumvolumen vieler E-Autos – die bei der Polizei so beliebten Kombis gibt es bisher kaum als Stromer-Variante.
„Fossile Dreckschleudern waren in der Vergangenheit oft günstiger als klimafreundliche Dienstfahrzeuge. Aktuell aber wandelt sich der Markt rasant“, sagt Energieexpertin Claudia Kemfert. Dazu passt, dass erklärtermaßen fast alle Bundesländer ihre Polizei künftig mit E-Autos, Ladestationen und Solarmodulen ausstatten möchten. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern, wo aktuell nur einer von 836 Streifenwagen elektrisch fährt, kommen dieses Jahr noch drei Stromer dazu. Immerhin ein Anfang.
Auch in den Kommunen tut sich etwas. Die rheinländische Stadt Solingen etwa hat bereits 2019 beschlossen, keine neuen Verbrenner mehr anzuschaffen. Bis 2030 soll so der komplette Fuhrpark auf Elektro- oder Wasserstoffantrieb umgestellt sein, vom Ordnungsamt bis zur Kehrmaschine. In ihrem Mobilitätskonzept rechnet die Stadt vor, dass dadurch im Fuhrpark bis zu 80 Prozent CO2 eingespart werden sollen.
Hoher Kaufpreis, günstiger Unterhalt
Und die Kosten? In der Anschaffung sind E-Autos noch immer deutlich teurer. So kostet ein elektrischer Opel Corsa laut Solinger Stadtverwaltung 13.120 Euro mehr als sein Verbrenner-Pendant. Die neu angeschaffte E-Kehrmaschine war sogar fast 150.000 Euro teurer. Aber: 75 Prozent der Mehrkosten konnten durch Fördermittel bezahlt werden. Und auf lange Sicht amortisieren sich diese anfänglichen Mehrkosten, da E-Autos im Betrieb sehr viel günstiger sind. In der Werkstatt fallen die Kosten geringer aus, weil beispielsweise kein Öl gewechselt werden muss. Zudem sind E-Autos zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit, und sie sparen auch beim „Tanken“. Beispiel Opel Corsa: Pro 100 Kilometer fallen für ein solches Dienstfahrzeug knapp zehn Euro Benzinkosten an, erklärt die Pressestelle der Stadt Solingen. Bei der Elektrovariante seien es hingegen nur 3,22 Euro – eine Einsparung um fast zwei Drittel.
Zurück auf Borkum. Nach seiner Runde durch die Stadt steuert Oberkommissar Markus Zarncke den Südstrand der Insel an, vorbei an Windrädern, Dünen und Wildgänsen. Als er seinen Opel Ampera am Wegesrand abstellt, stürmen zwei Spaziergänger auf ihn zu. „Sie gehen aber mit der Mode“, ruft einer der Männer. Ein anderer fragt, ob er mal unter die Haube schauen darf. Zarncke erfüllt ihm den Wunsch – und erzählt, dass er selbst auch noch einen Wunsch hat: Eine eigene Photovoltaikanlage mitsamt Stromspeicher auf der Wache, das wär’s. Dann würde sein Streifenwagen mit selbst produziertem Ökostrom fahren – und die Wache bräuchte keinen Dieselgenerator mehr, der bei Stromausfall für (Lade-)Strom sorgt.