In seinem ersten Interview seit dem Ohrfeigen-Skandal bei der Oscar-verleihung öffnet Hollywoodstar Will Smith sein Herz, als er über seinen neuen Film „Emancipation“ spricht. Fragen zur Ohrfeige sind zwar tabu, aber man kann auch zwischen den Zeilen lesen.
Mr. Smith, sie spielen – angelehnt an wahre Ereignisse – einen Sklaven namens Peter, der von Weißen brutal misshandelt wurde. War es nicht riskant, einen Charakter wie Peter darzustellen, von dem nicht viel mehr bekannt ist als das Foto seines zerschundenen Leibes?
Auf jeden Fall. Aber sobald ich wusste, dass Antoine (Fuqua, Anm. d. Red.) bei „Emancipation“ Regie führen würde, wollte ich diesen Film unbedingt machen. Ich habe es bisher vermieden, in einem Film über die Sklaverei mitzuspielen. Ich wollte nie einen schwarzen Menschen auf diese Weise darstellen – schon gar nicht als Opfer. Aber meine Tochter fragte: „Daddy, brauchen wir eigentlich noch einen Film über die Sklaverei?“ Da sagte ich zu ihr: „Mein Schatz, das ist kein Sklaven-Film, sondern ein Film über Freiheit!“ Außerdem wollte ich unbedingt wissen, wer dieser Mensch war. Mir wurde bei der Vorbereitung zu „Emancipation“ immer klarer, dass Peter etwas Universelles in seinem Charakter vorzuweisen hatte. Nämlich einen tiefen Glauben und bedingungslose Liebe. Und darüber sollte sich doch jeder Mensch auch mal ein paar Gedanken machen.
Wo finden Sie persönlich die Kraft, das Leben zu meistern – oder zumindest gut zu überstehen?
Der Kern des Films und auch von Peters Charakter ist die Kombination von Gott und Liebe. Ich glaube inzwischen immer mehr, dass das ein und dasselbe ist. Peter hat seinen tiefen Glauben in die Liebe zu seiner Familie einfließen lassen. Das gab ihm diese ungeheure Kraft, diesen mächtigen Überlebenswillen. Peter fiel nach seiner brutalen Misshandlung lange ins Koma. Als er daraus erwachte, sagte er, er habe Gott gesehen. Das hat sein Leben von da an bestimmt. Es gibt einen großen Unterscheid zwischen dem Glauben an Gott und einer tatsächlichen Offenbarung. Antoine und ich waren uns einig, dass wir diesen „heiligen Beweggründen“ auf die Spur kommen wollten. Und die Erfahrungen, die ich selbst auf dieser Reise gemacht habe, geben auch mir Kraft in meinem Leben.
Im Film sagt Peter: „Sie werden mich nie brechen!“ Was hat dieser Satz bei Ihnen persönlich bewirkt?
Peter ist ein spiritueller Krieger. Genau das hat ein starkes Echo in meiner Psyche gefunden. Peters Körper war zwar versklavt, aber seine Seele war völlig frei. Und die Möglichkeit, das zu erkennen, dass deine Seele und das, was du denkst und fühlst, unberührt bleiben können, und du auch unter den grausamsten äußeren Bedingungen frei sein kannst, das hat mich tief berührt.
Woher hatte Peter diese emotionale Unverwundbarkeit?
Durch seinen Glauben an Gott. Im Laufe seines Lebens hat er jeden Zweifel an Gott ausräumen können. Er hat die Energie, die er aus dieser göttlichen Verbindung gezogen hat, genutzt, um den Horror der Sklaverei zu überleben. Er war bereit, alles, was er in der materiellen Welt erleiden und erdulden musste, als Gottes Wille anzunehmen. Das ist mir während der Dreharbeiten total unter die Haut gegangen. Dieser unerschütterliche Glaube war so etwas wie mein Leitstern. Die Erkenntnis, dass Glaube, Glück, Stärke, Durchhaltevermögen und alles, was man sonst noch in dieser Welt erreichen kann, nur durch die Kraft des Willens geschieht.
Nimmt man so eine Erfahrung auch ins wirkliche Leben mit?
Absolut! Es gibt Filme, da geht es in erster Linie darum, Spaß zu haben und den Zuschauern diesen Spaß und diese Freude dann auch auf der Leinwand zu vermitteln. Und dann gibt es Filme wie „Emancipation“, da spürt man eine große Verantwortung. Und diese Verantwortung hat, glaube ich, jeder am Set gespürt: Um diese Menschen nach bestem Wissen und Gewissen zu zeigen und diese Geschichte so ehrlich und authentisch wie möglich zu erzählen.
Gab es während der Dreharbeiten einen Moment, wo Sie gefühlt haben, „jetzt bin ich Peter“?
Ja, es gibt in der Mitte des Films einen kurzen Moment, wo Peter innehält, zur Sonne hochschaut und seine Hände ausbreitet. Und er preist Gott, inmitten der Hölle, in der er sich befindet. Das hat mich Peters unerschütterlichen Glauben buchstäblich erleben lassen. Nach dem Motto: „Wir müssen unser Herz auch in der Hölle öffnen!“
Eine sehr zwiespältige Idee!
Ja, das ist tatsächlich etwas, an dem man zweifeln, ja verzweifeln kann. Aber Peter hat diese unbeschreiblichen Schmerzen, die ihm andere zufügten, als ein Aufsteigen auf der Leiter zu seiner Erlösung empfunden. Er hat dieses Martyrium voll und ganz angenommen. So sehr hat er auf Gott vertraut, dass er ohne Murren sein Kreuz trug. Das erinnert mich schon auch an Jesus Christus. Und ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin in einem baptistischen Elternhaus aufgewachsen und ging auf eine katholische Schule. Und bin auch heute noch bibelfest.
Sie drehten den Film in und um New Orleans. Und in echten Sümpfen. Nicht gerade angenehm, oder?
Das war wahnsinnig anstrengend. Ich bin manchmal bis zum Hals im Sumpf versunken. Und wenn jemand dann noch „Cut! Cut! Cut! Holt Will aus dem Wasser!“ ruft, weil ein riesiger Alligator auf mich zu schwimmt, wird einem schon ganz anders zumute. Antoine hat mir erzählt, dass sich bei einer Szene sogar eine giftige Wassermokassin-Otter um meine Füße geschlängelt hatte (lacht). Er wollte den Take aber nicht abbrechen, um mich nicht zu beunruhigen.
Richten Sie Ihre Prioritäten – nach Filmen wie „King Richard“ und „Emancipation“ – in Zukunft neu aus? Weg vom Kintopp und hin zu mehr charakterorientierten Rollen, die Ihnen vielleicht auch helfen, sich persönlich weiterzuentwickeln?
Ja. Zu einhundert Prozent! Ich habe mein Leben jetzt voll und ganz den Dingen gewidmet, die unser Zusammenleben bereichern sollen. Mit Liebe als Betriebssystem. Übrigens bin ich der festen Überzeugung, dass jede Art von Kunst bedeutsam ist und unserem Leben mehr Sinn geben kann. Es ist aber natürlich auch immer die Frage, was für einen selbst wichtig ist. Ich jedenfalls will in Zukunft nur noch Filme machen, in denen entweder die Charaktere oder die Geschichte selbst dem zwischenmenschlichen Dialog etwas Gutes hinzufügen. Filme, die uns dabei helfen können, liebevoller miteinander umzugehen. Damit es hoffentlich immer weniger Zwietracht und immer mehr Einvernehmen in der Welt gibt.
Glauben Sie wirklich, dass Filme die Macht haben, solche Botschaften in die Herzen der Zuschauer zu tragen?
Aber ja! Schauen Sie doch, was für eine Macht ein einziges Foto haben kann. Das „Whipped Peter“-Foto hat damals die Welt aufgerüttelt. War es doch der schockierende Beweis dafür, wie grausam Sklaven von ihren weißen Besitzern misshandelt werden konnten, ohne dass die irgendeine Strafe hätten fürchten müssen. Dieses Foto war der Ausgangspunkt für „Emancipation“. Und gut 150 Jahre später wurde jetzt ein Film über diesen Menschen gemacht, der uns allen fast völlig unbekannt war. Was kann so ein Film wie dieser leisten? Ich bin mir sicher, dass wir damit das Herz vieler Menschen nicht nur erreichen, sondern auch durchdringen können. Das ist die große Macht, Geschichten in einem Film erzählen zu können. Und die Möglichkeit, mit diesen Geschichten etwas im Bewusstsein der Menschen zu verändern. Das ist doch etwas Wunderbares. Und genau das, was ich für den Rest meines Lebens machen will.
Sie haben ja schon früher in Filmen mitgespielt, in denen es um Familie, Mut und Menschlichkeit geht.
Es geht mir um die allumfassende Macht der Liebe. Wir alle reden von Liebe. Aber wir glauben nicht wirklich daran, dass Liebe viel mächtiger sein kann als Armeen und Bomben. Wir glauben an Angriff und Verteidigung. Und wir glauben an Sünde und Bestrafung. Mir ist aber inzwischen klar geworden, dass es höchste Zeit für einen Wandel ist: Aus der ängstlichen und gewalttätigen Konfusion, mit der wir meistens miteinander umgehen, soll ein harmonisches Miteinander werden, und eine leidenschaftlichen Liebe füreinander.
Ben Foster – er spielt den rassistischen Sklavenjäger, eine Rolle, die ihm nach eigener Aussage nicht leicht gefallen ist – war eine Feststellung besonders wichtig: „Wenn man Hass lernen kann, dann kann man ihn auch wieder verlernen.“
Das ist absolut richtig. Daran glaube ich auch ganz fest. „Emancipation“ ist auch heute noch sehr aktuell und relevant. Leider gibt es auf den Straßen und in den Köpfen der Menschen immer noch viel zu viel Hass. Dagegen sollten wir alle etwas tun.