Union Berlin feiert den nächsten Derbysieg und hofft auf den Klassenerhalt des Stadtrivalen. Auch wenn die Eisernen spielerisch noch Luft nach oben haben, pirschen sie sich dichter an Bayern München heran.
Nach dem fünften Derbysieg in Folge kam die Frage nach der Nummer eins in der Hauptstadt gar nicht mehr auf. Zu offensichtlich ist Union Berlin der Hertha inzwischen enteilt, in der Tabelle trennen beide Teams zum jetzigen Zeitpunkt 15 Plätze und 22 Punkte. Dass die Blau-Weißen aber nach aktuellem Stand sogar absteigen würden und nach dem Rauswurf von Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic vor unruhigen Zeiten stehen, gefällt selbst den Unionern nicht. Denn die stimmungsvollen Stadt-Duelle in der Alten Försterei und wie am vergangenen Wochenende im Olympiastadion mit 75.000 Zuschauern würden auch die Rot-Weißen schmerzlich vermissen. „Es würde mir fehlen. Es sind emotionale Spiele, da geht es ums Prestige. Die ganze Stadt spricht davon, vor und nach dem Spiel“, sagte auch Union-Trainer Urs Fischer und richtete auf der Pressekonferenz das Wort direkt an Hertha-Coach Sandro Schwarz: „Ihr müsst schauen, dass wir das auch in der kommenden Spielzeit wieder genießen dürfen.“ Bei der Frage, ob Union in den kommenden Spielen gegen Herthas Mit-Abstiegskonkurrenten Schützenhilfe leisten wolle, musste der Schweizer kurz auflachen. „Wir versuchen so viele Punkte wie möglich zu holen“, antwortete er dann: „Aber logisch: Wenn wir der Hertha damit helfen, umso besser.“
Im kommenden Heimspiel am Samstag (4. Februar, 15.30 Uhr) gegen den FSV Mainz 05 geht es aber zunächst gegen einen Club aus dem Tabellenmittelfeld, der nach dem jüngsten 5:2-Heimsieg gegen den VfL Bochum mit reichlich Selbstvertrauen nach Berlin reist. Vor allem Dreierpacker Karim Onisiwo will auch in der Alten Försterei seinen Lauf fortsetzen. FSV-Sportdirektor Martin Schmidt fand seinen Angreifer „überragend“, nicht nur wegen seiner drei Tore: „Er ist vorangegangen und hat alle anderen mitgerissen. Er war nicht zu bändigen.“
„So viele Punkte wie möglich“
In dieser Form könnte der österreichische Nationalspieler auch Union Probleme bereiten, denn der Auftritt beim mühsamen 2:0-Sieg gegen Hertha war alles andere als glanzvoll. Fischer sprach von einem „hart umkämpften Derby“, bei dem man „am Schluss der glücklichere Gewinner“ gewesen sei. Wie so oft in den Spielen zuvor auch bedurfte es einer knallharten Analyse in der Halbzeitpause, um die Spieler nach einer schwachen ersten Hälfte wachzurütteln. „Ich fand es ein bisschen verkrampft von unserer Mannschaft“, sagte Fischer über den Auftritt in den ersten 45 Minuten. Der jüngste Erfolg habe die Beine etwas gelähmt, meinte er: „Es hatte damit zu tun, dass du die letzten vier Derbys gewonnen hast und mit zwei Siegen nach der WM-Pause gestartet bist.“
Doch Selbstzufriedenheit werde in der Bundesliga schnell bestraft, warnte Fischer. „Es war zu wenig, da brauchte es eine andere Aggressivität. Zur Pause haben wir angesprochen, dass wir zulegen müssen.“ Immerhin das tat seine Mannschaft. Am Ende stand ein 2:0 durch ein Standardtor von Danilho Doekhi (44.) und ein Kontertor von Paul Seguin (67.), mit dem Union Tabellenplatz zwei hinter dem FC Bayern München erfolgreich verteidigte. Da der Rekordmeister beim 1:1 gegen Eintracht Frankfurt erneut zwei Punkte liegen ließ, ist der Vorsprung auf Union auf einen Punkt geschmolzen. „Der zweite Platz ist wirklich erstaunlich für diesen Club“, sagte der zurzeit überragende Doekhi: „Wir wissen aber auch, dass wir nicht viel Vorsprung auf die anderen Vereine haben.“
Ob Union nun eine Spitzenmannschaft sei, mit dieser Frage tun sich die Protagonisten immer noch schwer. „Effizient waren wir“, sagte Fischer nach dem Hertha-Spiel dazu: „Wenn ich aber die ganzen 90 Minuten anschaue, würde ich jetzt nicht von Spitzenmannschaft sprechen.“ Mittelfeld-Abräumer Rani Khedira meinte: „Ich weiß nicht, ob wir schon eine Spitzenmannschaft sind, aber das Momentum liegt gerade auf unserer Seite.“
Keine Frage: Für die Rolle des tatsächlichen Bayern-Jägers kommen wohl eher andere Teams wie RB Leipzig oder Borussia Dortmund infrage, doch im Rennen um einen begehrten Champions-League-Platz bringt sich Union mit jedem Sieg besser in Position. Eine erneute Qualifikation für den internationalen Wettbewerb wäre angesichts von sieben Punkten Vorsprung auf Rang sieben keine große Überraschung mehr. Doch offiziell davon sprechen wollen die Unioner (noch) nicht. „Wir müssen weiter demütig bleiben“, sagte Khedira, „und Union-Berlin-like spielen“. Und auch verbal defensiv auftreten, was bedeutet: Das Mantra vom Klassenerhalt als primäres Ziel zu wiederholen, auch wenn es angesichts des Tabellenstands noch so realitätsfremd daherkommt.
„Jetzt stehen wir kurz vorm Erreichen unseres Saisonziels, wenn wir das erreicht haben, dann schauen wir weiter und setzen uns neue Ziele“, sagte Kapitän Christopher Trimmel über die ominöse 40-Punkte-Marke, die schon im übernächsten Ligaspiel bei RB Leipzig geknackt werden könnte. Ihr Spiel werden die Unioner so oder so nicht ändern, die Basics bleiben das Erfolgsrezept: Aggressivität, Kompaktheit, schnelles Umschaltspiel, Standardstärke. Vor allem Letzteres ist nach der langen WM-Pause ein großer Trumpf, vier ihrer sieben Tore in der englischen Woche erzielten die Köpenicker nach einem Standard. Zwölf Saisontore per Kopf bedeuten zudem Platz eins in der Bundesliga.
„In jedem Spiel eine unserer Waffen“
Allein vier davon hat Innenverteidiger Doekhi beigesteuert. „Danilho, unser Leuchtturm, mal wieder. Hat kurz vor der Halbzeit in der Luft gestanden“, sagte Khedira nach dem Derbysieg, den der Niederländer mit einem wuchtigen Kopfballtreffer eingeleitet hatte. „Das ist in jedem Spiel eine unserer Waffen. Die versuchen wir jedes Spiel zu nutzen. In den letzten beiden Spielen hat es uns geholfen“, sagte Doekhi über die Standardstärke. Die enorme Qualität bei ruhenden Bällen könne „ein Spiel verändern und für uns gewinnen“. Das sei in jedem Spiel „eine wichtige Sache“. Und das werde intensiv trainiert, wie Coach Fischer betonte: „Das üben wir immer wieder, das ist dann auch ein Mittel.“ Zumal Union in Rechtsfuß Trimmel einen begnadeten Vorbereiter in den eigenen Reihen hat. „Bei Standards sind wir aktuell sehr stark“, meinte der Österreicher selbst.
Einen erneuten Rückschlag kassierte derweil András Schäfer. Der ungarische Nationalspieler, der erst im Spiel zuvor gegen Werder Bremen von einer langen Verletzungspause zurückgekehrt war, verletzte sich gegen Hertha erneut und humpelte vom Platz. Die ersten Untersuchungen ergaben zwar „keine strukturelle Verletzung“, wie der Club mitteilte. Eine mehrwöchige Pause dürfte es dennoch für den Mittelfeldspieler geben.
In diesem Zusammenhang trifft es sich gut, dass Union kurz vor Transferschluss einen neuen Spieler fürs zentrale Mittelfeld verpflichtete: Aïssa Laïdouni. Der 26-jährige Franko-Tunesier kommt vom ungarischen Rekordmeister Ferencváros Budapest, wo er zum tunesischen Nationalspieler reifte. Wann er für einen Kader- oder gar für einen Startelfplatz bei Union infrage kommt, konnte Trainer Fischer noch nicht sagen. „Es geht darum, dass wir uns erst mal kennenlernen“, sagte der Schweizer. Laïdouni komme zwar aus einer Meisterspielrunde und sei „spielfähig“, aber „das ein oder andere Training, um unsere Spielprinzipien umzusetzen, braucht er schon“.