Panorama-Dach, Anhängerkupplung, Assistenzsysteme: Der ZS EV von MG verspricht Qualität statt Billigware. Tatsächlich fühlt sich die Fahrt im chinesischen Elektro-SUV gut an – bis der Bordcomputer loslegt.
Die Nachbarin beäugt den roten Elektro-SUV, der zwecks Testfahrt vor der Tür steht. „Ist das ein Ford Kuga?“ Andere halten ihn für einen Mazda oder einen Hyundai, irren sich aber trotzdem. In Wahrheit handelt es sich um einen MG ZS EV, ein Elektroauto aus China, das den heimischen Modellen Beine – oder besser Reifen – machen möchte.
MG („Morris Garages“) war lange als britischer Sportwagen-Hersteller bekannt. Die Flitzer des 1923 gegründeten Unternehmens erreichten schnell Kult-status, tauchten sogar in James-Bond-Filmen auf. Doch Anfang der 2000er-Jahre war es vorbei mit der Tradition: MG ging pleite, ein chinesischer Konzern, der später selbst übernommen wurde, sicherte sich die Markenrechte. Inzwischen gehört MG zur SAIC-Gruppe, die offensiv auf den europäischen Markt zielt: „Wir bieten extrem viel Auto fürs Geld, wollen aber nicht der billige Jakob sein“, beteuerte MG-Deutschlandchef Philipp Hempel schon 2021 in einem Interview mit dem „Spiegel“. Nur Prahlerei? Oder bietet der Stromer aus China wirklich eine Alternative zu VW und Co.?
Volle Punktzahl beim NCAP-Crashtest
Der erste Eindruck nach dem Einsteigen ist schon mal gut. Bequeme Sitze, griffiges Lenkrad, angenehme Federung. Das Klischee vom chinesischen Billig-plastik erfüllt der ZS EV jedenfalls nicht. Auch die Wahl der Ausstattung gestaltet sich erfreulich einfach: Mit „Comfort“ (ab 31.312 Euro) und „Luxury“ (ab 37.312 Euro) stehen nur zwei Varianten zur Verfügung. Angst um Leib und Leben muss ebenfalls niemand haben. Während dies bei chinesischen Autos früher oft eine Schwachstelle war, glänzt der ZS EV aktuell mit voller Punktzahl beim Euro NCAP-Crashtest.
Bereits die Standard-Ausstattung kann sich sehen lassen: Eine Rückfahr-Kamera, eine Verkehrszeichen-Erkennung, ein Navi und diverse Assistenzsysteme sind serienmäßig an Bord. Das Testfahrzeug in der „Luxury“-Variante verfügt zusätzlich über einen Totwinkel-Assistenten, ein Schiebedach und eine 360-Grad-Kamera. Die verbauten Akkus sollen eine Reichweite von bis zu 440 Kilometern ermöglichen.
Was das Fahrerlebnis angeht, bleibt der positive Eindruck zunächst erhalten. Der ZS EV liegt ruhig auf der Straße, selbst Schlaglöcher übersteht man ohne Gesäßschmerzen. Doch schon in der ersten Baustelle wird der chinesische SUV nervös: Der Spurhalte-Assistent erkennt die gelbe Markierung nicht. Im Cockpit piepst und blinkt es, und selbst nach der Baustelle gibt das Auto keine Ruhe. Immer wieder steuert der Computer gegen. Bisweilen fühlt es sich an, als kämpfe man gegen Windböen.
Zur Beruhigung ein bisschen Dudelmusik! Der Klang ist ordentlich, sowohl analoge als auch digitale Sender spielt das Radio tadellos ab. Der Zehn-Zoll-Bildschirm präsentiert sich dreigeteilt: links das Navi, in der Mitte die Musik, rechts die Prozent-Anzeige zum Akku-stand. Das „Dreigestirn“ wirkt übersichtlich, wobei sich die einzelnen Felder mit einem Antippen vergrößern lassen. Für Traditionalisten gibt es unter dem Touchscreen zusätzlich analoge Tasten, mit denen sich die Klimaanlage einstellen lässt. Sehr praktisch!
Die Heizung macht, was sie will
Ärgerlich wird es erst, wenn man die Heizung anstellt. Dann zeigt sich, dass diese komplett erratisch arbeitet. In einem Moment strömt heiße Saharaluft aus den Düsen, im nächsten bläst ein Wind wie im Kühlhaus – und das, obwohl die Temperatur konstant auf 21 Grad eingestellt ist. Zum Glück gibt es eine Sitzheizung. Doch auch diese leidet am gleichen Problem: Steuern lässt sie sich nicht; es gibt nur „An“ oder „Aus“. Folglich macht sie den Insassen wahrlich Feuer unterm Hintern – so heiß, dass es wehtut.
Zeit also für eine kleine Pause, um Nerven und Po wieder abzukühlen. An der Schnellladesäule lässt es der ZS EV gemütlich angehen. 40 Minuten soll es dauern, um den Akku von fünf auf 80 Prozent nachzuladen – diesen Wert schafft der chinesische SUV bei unserer Testfahrt nicht ganz, was am kalten Winterwetter liegen dürfte. Bevor der Strom aber überhaupt fließt, ist Geduld gefragt, denn der ZS EV will einfach nicht laden. Liegt es an der Ladestation? An der App? Am Kabel? Nein, es ist das Auto! Wie sich herausstellt, lädt es nur, nachdem es abgeschlossen wurde. Auch beim langsamen Laden mit Wechselstrom offenbart sich dieses Problem – eine echte Kinderkrankheit, die der Hersteller per Update dringend abstellen sollte.
Nicht so leicht verändern lassen sich die Maße des Autos. Es wirkt von außen recht massig, bietet aber mit 448 Litern einen relativ kleinen Kofferraum – jedenfalls für SUV-Verhältnisse. Verschenkter Stauraum findet sich vorne: Unter der Motorraube ist massig Platz, den MG leider nicht für einen „Frunk“ nutzt. Aber es gibt auch einen Lichtblick: Hinten lässt sich eine Anhängekupplung installieren – ein Feature, über das nur wenige E-Autos verfügen. Richtig Spaß macht das große Panoramadach, das in der „Luxury“-Variante inbegriffen ist. Es lässt sich zur Hälfte öffnen und sorgt beinahe für Cabrio-Feeling.
Lauscht das Auto die ganze Zeit mit?
Was die Reichweite angeht, kämpft der ZS EV mit einem Problem, das alle Hersteller gleichermaßen betrifft: Die angegebenen Zahlen stimmen mit der Realität nur selten überein, gerade im Winter. Bei unserer Testfahrt herrscht eine Außentemperatur von sechs Grad Celsius. Bei einer Mischung aus bergiger Landstraße und Autobahn kommt der SUV auf etwas mehr als 300 Kilometer Reichweite statt der angekündigten 440 Kilometer. Schön ist das nicht, aber mit der chinesischen Herkunft hat es nichts zu tun. Selbst Premium-Marken müssen mit solchen Einbußen leben.
Als die Fahrt weitergeht, hat das Auto den zuletzt aktiven Radiosender „vergessen“. Überhaupt scheinen ihm Pausen nicht gutzutun. Beim Losfahren startet die Rückfahrkamera nicht; zum Leben erwacht der Bordcomputer erst wieder, als sich der Akkustand dem Ende zuneigt. Dass schon bei 22 Prozent die erste Warnung angezeigt wird, könnte man als vorausschauend bezeichnen. Oder als nervig.
Ein gemischtes Bild gibt das Navi ab. Es kommt ohne viele Spielereien aus, wodurch es sich gut bedienen lässt. Mit wenigen Handgriffen lässt sich die Landkarte so umstellen, dass verfügbare Ladestationen entlang der Route angezeigt werden. Schade, dass es keine integrierte Ladeplanung gibt. Wählt man ein Ziel aus, das außerhalb der Batterie-Reichweite liegt, unterbreitet der ZS EV keine Vorschläge, wo man unterwegs laden kann. So müssen Fahrerinnen oder Fahrer doch wieder auf eine externe Handy-App zurückgreifen. Doch auch dabei handelt es sich um kein originär chinesisches Problem: Selbst deutlich teurere SUVs von Kia und Hyundai bieten solche Features (noch) nicht an.
Die Fahrt endet mit einem gewissen Gruselfaktor. Bei einer Unterhaltung zwischen Fahrer und Beifahrerin fällt das Wort „Klimaanlage“. Sofort antwortet das Auto: „Die Klimaanlage ist deaktiviert“ – ohne dass zuvor der Knopf zum Sprachbefehl betätigt worden wäre. Lauscht der ZS EV also die ganze Zeit mit? Diese Befürchtung steht nun zumindest im Raum. Auf andere Worte spricht das Auto nicht einfach so an. Doch mit „Klimaanlage“ funktioniert es immer wieder. Selbst wenn man bei geöffneter Tür vor dem Auto steht, antwortet der Bordcomputer in besagter Manier. Das hinterlässt kein gutes Gefühl.