Nach der besten Saison ihrer Vereinsgeschichte verpassten die Footballer der Saarland Hurricanes 2022 den Einzug in die Play-offs der German Football League (GFL). Mit einer neuen Struktur im Trainerstab soll das 2023 nicht wieder passieren.
Normalerweise sind in deutschen American Football-Teams ein Cheftrainer und je einen Koordinator für die Offensive und die Defensive für das Sportliche zuständig. „Wir werden das dieses Jahr anders machen“, sagt Christoph Szepat von den Saarland Hurricanes. Der Vizepräsident und Sportliche Leiter des Football-Bundesligisten erklärt: „Stattdessen werden wir mit einer Doppelspitze auf der Cheftrainer-Position an den Start gehen.“ Ihr erstes Saisonspiel in der Südstaffel der German Football League (GFL) bestreiten die „Canes“ am 20. Mai bei den Allgäu Comets.
Die Cheftrainer-Doppelspitze bilden der frühere Canes-Spieler Hendrik Voss (40), der schon seit vielen Jahren als Defensiv-Koordinator tätig ist, und der neue Offensiv-Koordinator Jakob Lawrence (29). Lawrence trug wie sein Bruder Keegan im Jahr 2019 das Trikot der Saarländer. Nach seiner Rückkehr in die Heimat war er als Wide Receiver-Trainer an der Sherwood Highschool in Maryland tätig, bevor er 2021 in die serbische Liga zu den Banat Bulls wechselte.
Mit ihnen gelang ihm der Aufstieg in die 2. Liga, wo die Bulls auf Anhieb Vizemeister wurden. „Beide teilen sich den Job organisatorisch auf“, sagt Christoph Szepat, der sich schon lange nach einer solchen Lösung sehnte: „Ich war halt bisher noch nicht in der Position, so etwas umsetzen zu können“, merkt er schmunzelnd an. Bei den jüngsten Vorstandswahlen wurde Szepat, bis dato Teammanager des Bundesligateams, zum Nachfolger von Dr. Paul Motzki gewählt, der ihn als seinen Wunschkandidaten ins Spiel brachte. Bis auf die Position des Präsidenten (Boris Röder) wurden alle Vorstandsposten neu besetzt: Mit Vizepräsidentin Annika Krämer (Marketing & Presse), Gabriel Woll (Finanzen/Geschäftsführer), Achim Schmolke (Technik) und Sven Neumann (Sportlicher Leiter der Jugendabteilungen). Neue Teammanagerin ist die frühere Cheerleaderin Chiara Giornale. Dass man durch den Wegfall des Cheftrainer-Postens auch Kosten spart, sei zwar ein angenehmer Nebeneffekt, aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen. „Der sportliche Aspekt war unser Hauptbeweggrund. Es einfach immer so weiterzumachen ist nur ein Festhalten an alten Strukturen“, findet Szepat und ergänzt: „Wenn man sich intensiver mit dem Thema beschäftigt, stellt man fest, dass der Cheftrainer eben nicht derjenige ist, der am Spielfeldrand Entscheidungen in Bezug auf den Spielverlauf trifft, sondern eher die Rolle eines Verwalters innehat.“ Außerdem seien Trainer, die diese Positionen bekleiden, in der Regel älteren Semesters. „Ich will aber lieber mit jungen Leuten frischen Wind reinbringen und mit zwei Trainern arbeiten, die auf Augenhöhe kommunizieren können“, stellt Szepat klar, „Es geht nicht darum, dass einer allein nach seinen Vorstellungen entscheidet, sondern dass zwei kompetente Trainer die bestmögliche Lösung erarbeiten – auch während des Spiels.“
Im Jahr 2021 war allerdings die tradierte Konstellation mit Cheftrainer Christos Lambropoulos die annähernd bestmögliche Lösung. Mit ihm legten die Wirbelwinde ihre stärkste Spielzeit der Vereinsgeschichte hin und zogen ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft ein. Inzwischen ist er als Offensiv-Koordinator zu den Cologne Centurions in die European Football League (ELF) gewechselt. „Christos selbst hatte schon mal angemerkt, dass der Cheftrainer-Job für einen allein zu groß ist. Deshalb hatte er sich mit Hendrik schon zuvor die Aufgaben geteilt. Christos war nur auf dem Papier der Chef“, erklärt Szepat und verweist darauf, dass im Mutterland des American Football ganz anders gearbeitet wird: „In den USA gibt es seit jeher sogar Dreigestirne an der Spitze“, weiß Szepat, betont aber auch: „Wenn wir merken sollten, dass wir einem Irrtum aufgesessen sind, dann werden wir das korrigieren. Im Moment sind wir aber von unserem Weg überzeugt.“
„Wir sind von unserem Weg überzeugt“
Das gilt auch für den Kader der Spielzeit 2023: „Wir sehen uns sehr gut aufgestellt. Wir konnten unsere Leistungsträger halten und haben uns mit vielen Spielern aus der Großregion verstärkt. Auch die von uns verpflichteten US-Amerikaner stimmen mich sehr positiv“, sagt Christoph Szepat. Erstmals seit einigen Jahren werden alle Schlüsselpositionen von US-Amerikanern besetzt. Allen voran die des Quarterbacks in Person des 23 Jahre jungen Kyle King, der zuvor für die University of Mary Hardin-Baylor in Belton/Texas spielte. Mit Linebacker Mikkah Hackett wechselt ein weiterer Spieler von Kings Universität ins Saarland. Jonathan Roebuck stand schon 2022 in Diensten der Hurricanes und hinterließ einen bleibenden Eindruck. Um ins Saarland zurückzukehren, hatte der Defensivspezialist sogar attraktive Angebote aus der ELF ausgeschlagen. „Er hat gesehen, was wir hier leisten und können. Außerdem hatte er sich mit Freunden unterhalten, die in der ELF unter Vertrag stehen, was wohl auch dazu beigetragen hat, dass die Entscheidung zu unseren Gunsten ausgefallen ist“, merkt Szepat nicht ohne Stolz an und nennt als Saisonziel den Einzug in die Play-offs um die Deutsche Meisterschaft.
Was die offensichtliche Konkurrenzsituation zur ELF angeht, so gibt der neue Sportliche Leiter der Hurricanes zu: „Es ärgert mich persönlich, wenn Spieler, die seit der Jugend bei uns spielen, unsere Ausbildung genossen haben und, sobald sie in den Herrenbereich kommen, in die ELF wechseln.“ Der frühere Spieler weiß aber auch: „So etwas ist nun einmal Teil des Geschäfts geworden. Ich sehe es gar nicht mehr so tragisch. Ich ärgere mich kurz, und dann geht es weiter.“ Langfristig werden es die German Football League und die European Football League seiner Meinung nach schaffen, erfolgreich parallel zu existieren. Ein Grund für diese Einschätzung ist ein Wechsel an der Spitze des American Football Verbands Deutschland (AFVD). Der neue Vorstand sei im Gegensatz zum früheren offen für Gespräche mit den ELF-Verantwortlichen: „Es wird jetzt versucht, den Sport gemeinsam voranzubringen, was aus meiner Sicht viel besser ist. Wenn man das gleiche Ziel hat, sollte man nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander“, findet Szepat.
Derzeit sei die ELF noch lange nicht das „Nonplusultra in Europa. Wir werden immer damit leben müssen, dass Spieler dorthin gehen. Andererseits wollen aber Spieler und Trainer auch wieder dort raus“, meint er und erklärt: „Sie hat, unter anderem mit Sendeplätzen im Free-TV bei Pro7, eine größere mediale Sichtbarkeit. Aber den größeren Background hat in Deutschland immer noch der klassische Vereinsfootball. Und der ist viel stärker und viel größer.“