Amazon Prime Video ist mit der Serie „German Crime Story: Gefesselt“ ins neue Jahr gestartet. In sechs Folgen wird nach wahren Begebenheiten ein schauriger Kriminalfall erzählt.
Der Säurefassmörder ist schwer zu fassen. 30 Jahre nach der Polizei hat nun auch ein Filmteam diese Erfahrung gemacht. Für Amazons Streamingdienst Prime Video haben der Regisseur Florian Schwarz und der Produzent Dietmar Güntsche einen Kriminalfall verfilmt, der sich in den 80er- und 90er-Jahren abgespielt hat. Das Team hat aus der Geschichte eines Serienmörders, der im Raum Hamburg auf grausame Weise Frauen ermordet hat, die sechsteilige Serie „German Crime Story: Gefesselt“ gemacht.
Es ist die „erste deutsche True-Crime-Serie bei Prime Video“, sagt der Streamingdienst. Christoph Scheider, der Deutschland-Chef von Prime Video, spricht zwar von einem „neuen Format“, das woanders bereits gut läuft. Bei der Vorstellung der Serie, mit der der Dienst Mitte Januar gestartet ist, rutscht Schneider aber auch das Wort „Thriller“ raus. Womit er auch nicht ganz falsch liegt, denn „True Crime“ im klassischen Sinne ist „Gefesselt“ nicht.
Es liegt ein wahrer Fall zugrunde, ja, sagt der Regisseur Florian Schwarz, aber man habe einen subjektiven Blick darauf geworfen, eine eigene Interpretation verfilmt, „eine Fantasie zu dem Fall“. „Wir wollten nicht mit pseudodokumentarischer Haltung rangehen“, sagt Schwarz. Das ermögliche es auch den Angehörigen, Distanz zu wahren. Wobei eine Dokumentation auch gar nicht möglich gewesen wäre, weil dazu wichtige Informationen fehlen.
Kein True Crime im klassischen Sinn
Bekannt ist: Der sogenannte Säurefassmörder, Lutz Reinstrom, der in der Serie Raik Doormann heißt, versetzte den Raum Hamburg Anfang der 80er- und 90er-Jahre in Angst und Schrecken. So wird es auch in der Serie thematisiert: Er entführt, quält und tötet Frauen brutal in seinem eigenen Atombunker. Er wird 1992 in Hamburg als „Säurefassmörder“ bekannt, weil er die zerstückelten Überreste seiner Opfer in Säurefässern vergraben hatte. Doormann bleibt lange unentdeckt. Erst die Opferbetreuerin und spätere Mordkommissarin Nela Langenbeck stößt auf Hinweise zu seinen Taten. „Doch zu dieser Zeit sind Frauen innerhalb der Polizeibehörde eher als Sekretärinnen statt als Ermittlerinnen angesehen – sie erntete für ihre Ansätze also anfangs Kopfschütteln. Trotz aller Widerstände kommt sie schließlich Doormann und seinen grausamen Taten auf die Spur“, fasst es Produzent Dietmar Güntsche zusammen.
Das Problem für die Filmemacher: Der Mann, den sie Raik Doormann nennen, hat nie gestanden. Wie hat er das alles getan? „Darüber gibt es nichts“, sagt Florian Schwarz. „Wir haben also versucht zu erzählen, wie es gewesen sein könnte“, erklärt er, ist sich aber sicher: „Es muss eine ganz subtile Manipulation gewesen sein.“
Das vermutet auch Oliver Masucci, der Doormann spielt. „Zu 99 Prozent war der wohl vollkommen normal“, sagt er. Doormann, der nette Psychopath von nebenan. „Da baut jemand einen Atombunker in Hamburg im Reihenhaus mit Frau und Kind“, das sei vielleicht schräg, aber der Mann sei nicht als bösartig aufgefallen. „Das ist das Abgründige an solchen Figuren: Dass du das Böse nicht erkennen kannst“, sagt Masucci. Seine Opfer waren „alles Leute, die er kannte“, erklärt der Schauspieler und sagt: „Ich glaube nicht, dass er sie an den Haaren in den Bunker gezerrt hat, der hat sie reingeredet.“
Aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt
Die Recherchen liefen noch, während am Drehbuch gearbeitet wurde, erzählt Florian Schwarz. Es sei für sie fast so wie für die Polizistin gewesen, die sie spielt, sagt Angelina Häntsch. „Ich will Klarheit, ich will diesen Fall lösen“, erklärte sie die Vorbereitungsphase. Ihr Kollege Wolf Danny Homann hat sich dafür mit dem Polizisten getroffen, den er in der Serie spielt. Am Ende eines zehnstündigen Gesprächs sei klar gewesen: „So schrecklich dieser Fall ist, so kompliziert ist er auch.“
Das versucht Florian Schwarz zu zeigen, indem er die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen versucht, etwa aus dem des Täters, der Opfer und der Polizistin. Klar sei aber immer gewesen, versichert Produzent Dietmar Güntsche: „Wir wollen auf keinen Fall den Täter und seine Taten verharmlosen.“ Deshalb sei auch „einiges in aller Kälte und Härte“ dargestellt worden. Der Fall ist am Ende gelöst – wer der Säurefassmörder war, bleibt aber unfassbar.