Grüne Energie aus Wind- und Solarkraft – dies scheint nicht das einzige zu sein, was das Saarland zu bieten hat. Energie könnte auch aus dem Erdinneren kommen. Geothermie aber wird im Land kaum ernsthaft erwogen.
In den Tiefen des Saarlandes schlummert ein riesiger und vermutlich wertvoller Schatz: Geothermie. Diese Energie könnte den Anteil der klimaneutral erzeugten Fernwärme bis 2030 um 50 Prozent steigern. Zudem ist das Potenzial tiefer Geothermie nach menschlichem Ermessen unerschöpflich, CO2-frei sowie rund um die Uhr verfügbar. Und es macht vor allem unabhängig von Energielieferungen aus dem Ausland.
Trotz dieser Vorteile spielt tiefe Geothermie seit vielen Jahren in den Überlegungen der saarländischen Politik so gut wie keine Rolle. Warum das so ist, darauf versuchten die beiden ausgewiesenen Geothermie-Experten Prof. Dr. Mathias Bauer und Ingenieur Thomas Neu Antworten zu geben. Sie waren Mitte Januar zu Gast bei der Union-Stiftung und Asko-Europa-Stiftung in Saarbrücken.
Resultat der Energiepolitik
Für Mathias Bauer, Geschäftsführer der CBM GmbH und Professor an der Technischen Universität Aachen, liegt das Problem in der verfehlten Energiepolitik der letzten Jahre. „Die Bundesregierungen haben nur auf den Markt gesetzt und damit die Ausgestaltung der Energiepolitik den großen Konzernen überlassen. Solange das billige Gas aus Russland floss, hat das auch niemanden sonderlich gestört. Alle haben davon profitiert, die Energieunternehmen, die damit Geld verdient haben, die Industrie und die Privathaushalte, die preisgünstig versorgt wurden.“ Die zunehmende Abhängigkeit vom russischen Gas von 30 Prozent unter Helmut Schmidt wuchs auf 55 Prozent in der Ära Angela Merkel. Politische Fehleinschätzungen, die Deutschland und damit die Verbraucher und Steuerzahler – Hilfen, Preisbremsen hin oder her – nun mit extrem teuren Gasimporten aus anderen Ländern bezahlen müssen, koste es, was es wolle.
Selbst das so hochgelobte neue Gasmotorenkraftwerk des Betreibers Energie SaarLorLux zur Strom- und Wärmeversorgung in Saarbrücken würde wohl unter den gegebenen Umständen so nicht mehr gebaut werden, auch wenn immer wieder auf die teilweise mögliche Umrüstung auf Wasserstoff verwiesen wird. Doch bis der fließt, dürften noch Jahre vergehen.Zahlen müssen dies am Ende des Tages die Verbraucher und Steuerzahler durch exorbitant hohe Fernwärmepreise. Eine Stellungnahme dazu vom Betreiber gab es auf Anfrage übrigens nicht.
Anstatt auf Gas zu setzen, hätte das Saarland durchaus das Potenzial, entlang der Fernwärmeschiene Saar eine Reihe von Geothermie-Anlagen zu bauen, die Wärme einspeisen, so Thomas Neu von der Ingenieurgesellschaft proG.E.O.. Die einst in ganz Deutschland gepriesene Fernwärmeschiene Saar könnte so neuen Aufwind bekommen. Die im November vorigen Jahres umgesetzte Idee, Wärme aus der Abfallverwertungsanlage Velsen einzuspeisen, sei im Übrigen auch schon 40 Jahre alt.
Doch warum ist das so im Saarland? Warum spielt Geothermie keine ernst zu nehmende Rolle in den Überlegungen der Energiewirtschaft und der Politik, die eigentlich die Rahmenbedingungen dafür setzen könnte? Nicht einmal im drei Milliarden schweren Transformationsfonds des Saarlandes findet tiefe Geothermie Erwähnung. Lediglich von grünem Wasserstoff und dem verstärkten Ausbau der Regenerativen ist dort die Rede, um die hiesige Stahlindustrie klimaneutral zu machen. Dabei ist keineswegs ausgemacht, ob der Umbau überhaupt gelingt, denn bis die Infrastruktur dafür sicher zur Verfügung steht, wird noch viel Wasser die Saar hinunterfließen. Und der grüne, sprich aus regenerativen Energien erzeugte Wasserstoff dürfte dann sicherlich zum großen Teil aus Afrika stammen. Ob Flüssiggas aus arabischen Ländern oder grüner Wasserstoff aus Nordafrika, Deutschland bliebe bei diesen Energielösungen abhängig.
Entmutigen lassen wollen Mathias Bauer und Thomas Neu sich trotzdem nicht so schnell. Denn sie sind von den guten Voraussetzungen des Saarlandes zur Nutzung tiefer Geothermie überzeugt. Ihrer Meinung nach verfügt das Saarland über nutzbare Geothermie-Potenziale in 3.000 bis 5.000 Meter Tiefe. Hinzu kommen lange Bergbauerfahrung – man weiß also, was sich in geothermischen Tiefen abspielt –, geeignete Standorte, ein Bergamt mit Fachleuten, denn Geothermie unterliegt dem Bergrecht, Know-how aus Forschung und Entwicklung, interessierte potenzielle Investoren aus der Industrie, ein 2011 von der damaligen Umweltministerin Simone Peter begonnener, aber nicht fortgeführter Masterplan, ein kommunales Wärmekataster seitens des Saarbrücker Forschungsinstituts IZES, anzapfbare Fördermöglichkeiten unter anderem von der EU. „Die vorhandenen geologischen Daten aus Bergbauzeiten müssten allerdings zusammengetragen und der Masterplan weiterentwickelt werden“, fordert Thomas Neu. „Außerdem brauchen wir schnellstens ein Modellprojekt für tiefe Geothermie im Saarland.“
Hohe Start-Investitionen nötig
Dass Geothermie-Anlagen funktionieren, zeigen indes andere: Bayern – in München soll die Fernwärmeversorgung bis 2030 durch Geothermie sichergestellt werden –, Nordostdeutschland, das Elsass, das Pariser Becken. 40 Anlagen sind allein in Deutschland in Betrieb, weitere 40 im Bau und eine große Anzahl in Planung. Die Energiekrise zeigt Wirkung. Nur im Saarland schlummert der Schatz weiter vor sich hin.
Vielleicht liegt es auch am schlechten Image der Geothermie. Im rheinland-pfälzischen Landau wurde das Projekt wieder eingestampft aufgrund angeblicher technischer Mängel und Pfusch am Bau. In Staufen im Breisgau in der Oberrheinischen Tiefebene floppte die Geothermie, weil angebohrte Kalkschichten in Verbindung mit Wasser, sprich Gips, für Geländehebungen sorgten. Dabei handelte es sich allerdings um oberflächennahe, nicht um tiefe Geothermie, betont Mathias Bauer. Auch das Thema Grubenwasser sei im Saarland negativ besetzt, so Thomas Neu, wobei 30 Grad warmes Grubenwasser eigentlich ideal zur Wärmegewinnung wäre. Hinzu komme eine gewisse Portion Technikfeindlichkeit in Deutschland. Grundsätzlich sei jede Gewinnung und Nutzung von Energie risikobehaftet, so Neu weiter, aber die Risiken seien beherrschbar. „Geothermie-Anlagen sind heute Stand der Technik.“ Die älteste Anlage in Deutschland wurde 1984 in Waren an der Müritz in Betrieb genommen, die größte mit 850 Megawatt steht in den USA. Knackpunkt sind die anfangs hohen Investitionen. Eine Bohrung koste mit einem fünfstelligen Betrag richtig Geld – pro Tag – und müsse im Vorfeld sorgfältig vorbereitet werden, so Thomas Neu. Benötigt werden immer zwei Bohrlöcher: eines, um das heiße Wasser an die Oberfläche zu befördern, und eines zum Verbringen des abgekühlten Wassers zurück ins Erdreich. Geologische Untersuchungen und Probebohrungen gehören zum Geschäft dazu. Aber die niedrigen Betriebskosten machen Wärme aus tiefer Geothermie wettbewerbsfähig, so die Experten, zumal fossile Energie aufgrund des CO2-Zertifikatehandels sukzessive teurer wird und der Preis für den Bezug fossiler Brennstoffe durch die hohe Abhängigkeit vom Ausland ein unkalkulierbares Risiko bleibt.
Nach Angaben des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung ließen sich in ganz Deutschland rund 25 Prozent der Wärmeversorgung mit Geothermie realisieren. Bedenkt man, dass über 50 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland für den Wärmesektor benötigt wird, liegt ein wahrer Energieschatz unter unseren Füßen. Er müsste nur endlich gehoben werden.