Der 54-jährige Erfolgstrainer wird seinen Vertrag als Trainer des Handball-Oberligisten SV 64 Zweibrücken nicht verlängern. Nach mehr als 24 Jahren braucht er eine neue Herausforderung.
Der Erfolg des Handball-Oberligisten SV 64 Zweibrücken ist seit vielen Jahren eng mit einem Namen verbunden: Stefan Bullacher. Der gebürtige Saarländer und frühere Spieler ist seit vielen Jahren als Vollzeittrainer angestellt und trainierte in dieser für Amateurclubs außergewöhnlichen Konstellation neben der ersten Herrenmannschaft auch viele Jugendmannschaften. Nach über 24 erfolgreichen Jahren als Erfolgstrainer – 2017 hatte es ihn für eineinhalb Spielzeiten zum TV Hochdorf verschlagen – ist nun allerdings klar: Nach der laufenden Saison ist damit Schluss.
„Die häufigste Frage, die mir in letzter Zeit gestellt wurde, lautet: ‚Was ist denn vorgefallen?‘“, sagt Bullacher und beantwortet die Frage gleich selbst mit Nachdruck: „Nichts. Überhaupt nichts. Im Gegenteil: Die Vereinsverantwortlichen und ich haben nach wie vor ein sehr gutes, transparentes und vertrauensvolles Verhältnis zueinander.“ Deshalb hatte der 54-jährige A-Lizenzinhaber den Vorstand bereits Anfang November 2022 darüber informiert, nicht über die Vertragslaufzeit bis 30. Juni 2023 hinaus als Trainer der ersten Mannschaft zur Verfügung zu stehen. Damals stand der SV 64 noch ohne Verlustpunkt auf dem ersten Tabellenplatz. Erst später beutelte großes Verletzungspech die Zweibrücker so arg, dass sie hinter Topfavorit TV Homburg mit Ex-Profi Yves Kunkel, zurückfielen. „Die sportliche Situation hatte mit meiner Entscheidung nichts zu tun“, beteuert Bullacher. Doch: Was dann? „Ich bin einer, der gerne Projekte mit Visionen angeht. Wir haben es hier in der Vergangenheit immer geschafft, über die uns gegebenen Grenzen hinauszugehen und mehr zu erreichen, als man uns aufgrund der limitierten Möglichkeiten zugetraut hat“, schaut er zurück. Auch nach seiner Rückkehr aus Hochdorf zur Saison 2018/2019 gab es eine solche Vision, die da lautete: Rückkehr in die 3. Liga.
Gerne Projekte mit Visionen
Dieses Mal nicht mit eingekauften Spielern, sondern mit den eigenen, im Verein ausgebildeten Talenten. Bullacher nahm die Herausforderung an, und schon im zweiten Jahr nach seiner Rückkehr war seine Mission erfüllt. Der insgesamt dritte Aufstieg gelang mit großer Dominanz und mit nur einem Neuzugang, einem Torwart. Von dieser Aufstiegsmannschaft haben mit Kian Schwarzer (TBV Lemgo/1. Liga) und Gil Kunkel (GWD Minden/1. Liga) sowie Marc-Robin Eisel und Tim Schaller (beide Eulen Ludwigshafen/2. Liga) allein vier Leistungsträger den Verein in höhere Ligen verlassen.
Für den Verein ging es in die andere Richtung: Als Leidtragender der pandemiebedingten, abenteuerlichen Ligareform mit zahlreichen Staffeln und Absteigern erwischte es auch den SV 64. „In jedem normalen Jahr hätten wir sportlich die Klasse gehalten“, ist Bullacher sicher. Seither verabschiedeten sich weitere Spieler in Richtung höherklassiger Vereine und hinterlassen Lücken, die der Verein kaum oder gar nicht schließen kann: „Der Markt ist mittlerweile total verrückt. Unser heutiger Oberliga-Kader ist doppelt so teuer wie die Mannschaft unserer besten Drittliga-Saison (sechster Platz Staffel West 2016, Anm. d. Red.)“, stellt Bullacher fest und betont: „Und das bei einem Verein, der sehr seriös mit Geld umgeht und nie mehr ausgibt, als er hat.“ Insbesondere die Corona-Pandemie und ihre Folgen hätten großen Einfluss auf den finanziellen Spielraum und auch das Schrumpfen des inzwischen kleinen Spielermarktes gehabt.
Stefan Bullacher stellt weitere Veränderungen durch die Pandemie und ihre Folgen fest: „Wir haben in der 3. Liga viermal pro Woche trainiert, um unsere Grenzen zu erweitern und dadurch besser zu sein als andere“, berichtet Bullacher und ergänzt: „Nach der akuten Phase der Pandemie mit ihren Einschränkungen strebt jeder nach mehr Freizeit und wir mussten das Training auf dreimal pro Woche reduzieren. Wegen der vielen Verletzten stehen mir derzeit sogar nur etwa zwei Drittel der Mannschaft zur Verfügung.“ Statt die Entwicklung der Mannschaft zu gestalten, kann Bullacher derzeit nur den Mangel verwalten – eine Situation, die nicht zu ihm passt: „Ich kann das einfach nicht, und das macht mir auch keine Freude“, gibt er zu: „Ich habe ein tolles Verhältnis zu unserem tollen Vorstand und auch zu den Spielern. Aber ich muss einfach eine Aufgabe haben, bei der ich merke, dass es immer weiter vorangeht.“ Die x-te Wiederholung der Geschichte, mit einem enormen Kraftakt, die Grenzen eines limitierten Clubs nach oben zu verschieben, ist für ihn auserzählt: „Deshalb kam ich zu dem Entschluss, dass für mich die Zeit für ein neues Projekt gekommen ist.“
Was er nach so vielen Jahren hinterlässt, ist ein Vermächtnis: „Wenn man uns vor elf Jahren gesagt hätte, dass wir zu einem festen Bestandteil der Oberliga werden würden, hätten wir es nicht geglaubt“, blickt er zurück: „Jetzt schauen wir zurück und stellen fest: Sechs Jahre davon haben wir in der 3. Liga gespielt. Außerdem haben wir Jugend-Nationalspieler ausgebildet und unsere Jugendmannschaften sind zu deutschen Meisterschaften gefahren. Das ist schon stark, und darauf bin ich auch stolz.“ Das gilt auch für die sieben „seiner“ Jungs, die zwischenzeitlich den Sprung in die 1. oder 2. Bundesliga geschafft haben. Neben den bereits Genannten sind dies die Bundesligaprofis Jerome Müller (TVB Stuttgart), Björn Zintel (ASV Hamm-Westfalen) und Robin Egelhoff (bis 2018 Eulen Ludwigshafen).
Viele Talente schafften es
„Was die Zukunft angeht, bin ich noch komplett offen für alles“, sagt Stefan Bullacher, dem zahlreiche Anfragen, auch höherklassiger Vereine, vorliegen. Allerdings gibt es eine Einschränkung: „Seit 15 Jahren haben meine Frau und ich keinen Sommerurlaub gemacht. Das wird sich dieses Jahr definitiv ändern. Im August werden wir drei Wochen in Norwegen sein“, stellt der 54-Jährige klar. Das schließt ein Engagement in einer Profiliga faktisch aus. Vorerst. Als ambitionierter Trainer mache er sich über einen möglichen Sprung ins Profigeschäft aber „auf jeden Fall meine Gedanken. Ich bin Sportler und will das Bestmögliche erreichen.“
Bevor es so weit ist, könnte er sich vor allem die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorstellen: „Es gibt Projekte in Schulen, die ich interessant finde. Ich bin in der glücklichen Lage, viele Möglichkeiten zu haben und keine Zeitnot“, sagt er und verrät, dass er sich auch mit dem Verein, bei dem er in den vergangenen Jahrzehnten heimisch geworden ist, „in positiven Gesprächen“ befinde – unterschrieben sei allerdings noch nichts: „Was der Verein im Jugendbereich vorhat, finde ich gut, und ich könnte mir gut vorstellen, mich im Projekt Jugendhandball einzubringen.“