Berlin hat gewählt. Das Ergebnis lässt Raum für Spekulationen zu den Folgen für die Bundespolitik und den Zustand der Ampel. Dabei scheint eine Botschaft ziemlich klar.
Eine Wahl in einem Bundesland zum Auftakt eines Jahres, in dem noch weitere Wahlen in größeren Ländern anstehen, wird immer gleich als eine Art Stimmungstest beäugt. Das gilt naturgemäß auch für die Wahl in der Bundeshauptstadt. Die stand zwar unter so vielen besonderen Vorzeichen, dass sich faktisch nur sehr bedingt etwas daraus übertragen lässt. Aber Politik hat eben auch viel mit Stimmungslagen und Symbolik zu tun.
Nach dem überraschend deutlichen Erfolg der Berliner CDU sehen die Bundespartei und ihr Vorsitzender Friedrich Merz sich nun im Aufwind. Der Erfolg der Berliner CDU war auch in der Höhe eine Überraschung. Ob sich daraus aber Rückschlüsse ziehen lassen, wie weit die gesamte CDU mit ihrer Erneuerung nach der verlorenen Bundestagswahl gekommen ist, ist eher zweifelhaft. Hat Merz mit gezielten Formulierungen wie der vom „Sozialtourismus“ oder den „kleinen Paschas“ in Berlin verfangen? Der Wahlkampf des Berliner Spitzenkandidaten Wegner war auf eine ziemlich harte Linie gebürstet in den Fragen innere Sicherheit und Flüchtlinge – Themen, die gerade in der Bundeshauptstadt seit langem für Konfrontation sorgen. Falls der Erfolg daran lag: Was sagt das über künftige inhaltliche Ausrichtungen der gesamten Partei? Und hat die Causa Maaßen kurz vor der Wahl eine Rolle gespielt? Zudem hat die CDU offenkundig weiterhin ein ungelöstes Ost-West-Problem, das schon einmal eine Vorsitzende zum Rückzug bewogen hat.
Merz sieht sich im Aufwind
Das sind nur einige Aspekte, aber durchaus bezeichnend dafür, dass bei der CDU nach wie vor erheblicher Klärungsbedarf in vielen Fragen besteht. Der Wahlsieg mag das kurzfristig überspielen. Friedrich Merz füllt seine Rolle als herausfordernder Oppositionsführer im Bundestag aus, aber die inhaltliche Entleerung der Partei, die schließlich in die Opposition geführt hat, ist noch nicht aufgeholt. Die Arbeit an einem neuen Programm läuft, dem Vernehmen nach auch recht intensiv. Der inhaltliche Klärungsbedarf bleibt, und das hat auch mit strategischen Fragen zu tun.
Auf die FDP als ehemals klassischen Bündnispartner zu setzen, ist nach der jüngsten Entwicklung der Liberalen wenig aussichtsreich. Die Frage der Abgrenzung am rechten Rand wiederum hängt auch mit der Perspektive eines möglichen grünen Bündnispartners zusammen, also auch mit einem bestimmten Wählerklientel. Vor diesem Hintergrund wird die Wahl in Hessen im Oktober interessant. Das dort aktuell regierende schwarz-grüne Bündnis funktioniert auch deshalb ziemlich geräuschlos, weil bei beiden Partnern Pragmatiker am Werk sind.
Für die Bundes-SPD war der Wahlausgang in Berlin „schmerzhaft“, so Generalsekretär Kevin Kühnert. Auch hier bleibt die Frage, ob das Wählervotum als insgesamter Stimmungstest zu werten ist oder als Unzufriedenheit speziell der Berliner mit ihrer Stadt, deren Image sich von „arm aber sexy“ zu dem einer Stadt, in der nichts recht funktionieren will, gewandelt hat. Ein Votum über den SPD-Bundeskanzler ist daraus nicht unbedingt abzulesen.
FDP sucht nach ihrem Profil
Leichter wird es allerdings für die Ampel nicht. Das liegt aber vor allem an der Performance der FDP. Seit der Bundestagswahl sind die Liberalen auf dem absteigenden Ast. Dass es eine Partei aus Regierungsbeteiligung im Bund nicht schafft, in Ländern über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, ist schon beachtlich. Die erwartbare Reaktion wird sein, dass sich der Ton verschärft, weil sich die Liberalen profilieren müssen vor den Herbst-Landtagswahlen, parallel zu Hessen auch in Bayern. Das wiederum dürfte für die Atmosphäre nicht gerade förderlich sein und die Nerven der Koalitionäre strapazieren. Zugleich dürfte allen Beteiligten klar sein, dass ein Bruch der Koalition oder auch nur ein Übermaß an interner Streitigkeit konsequent abgestraft würde. Schon zu Normalzeiten goutieren Wählerinnen und Wähler nicht, wenn sich Regierende mehr mit sich selbst als mit ihren Aufgaben beschäftigten. In unsicheren Zeiten wie diesen erst recht nicht.
Bei den Grünen zeigt sich ebenfalls, dass das Berliner Ergebnis nur sehr bedingt als Exempel taugt. Dass mit Annalena Baerbock und Robert Habeck zwei Grüne die Liste beliebter Politiker anführen, hat sich ebenso wenig signifikant im Berliner Wahlergebnis ausgedrückt wie die Tatsache, dass sich die Grünen angesichts des Krieges und seinen Folgen gleich reihenweise von einst hehren Grundsätzen verabschiedet haben.
Die vielleicht wichtigste Lehre aus der Berliner Wahl: Die Menschen wollen offenbar, dass es in diesem Land funktioniert. Erst recht in unsicheren Zeiten, in denen ihnen einiges abverlangt wird.