2024 ist ein neues Bundeswaldgesetz geplant. Denn der heimische Forst soll klimaresilienter werden. Mit dem Holzerlös alleine lässt sich die Transformation nicht finanzieren. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik (WBW) liefert Stoff für Diskussion.
Der deutsche Wald leidet. Hitze und Trockenheit, Starkregen und Hochwasser schaden ihm erheblich. So sind seit 2018 nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums rund 400.000 Hektar Waldschäden entstanden. Die Ampelkoalition will den Wald besser gegen den Klimawandel wappnen. Im Koalitionsvertrag einigte sie sich deshalb darauf, artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten zu schaffen. Das heißt: weg von reinen Nadelholzwäldern, hin zu ungleichartigen Mischwaldbeständen.
Eine wichtige Rolle spielt die Waldbewirtschaftung. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kündigte an, dass das Waldgesetz erneuert werden soll. Es enthält Regelungen, die teils mehr als 40 Jahre alt sind. Für die Waldbewirtschaftung soll ein bundesweiter Standard geschaffen werden. Deshalb will die Bundesregierung bis Sommer 2024 eine neue Waldstrategie vorlegen – die soll in einer Neufassung des Bundeswaldgesetzes münden.
Die Expertinnen und Experten des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik (WBW) des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind sich einig, dass ein Umbau des deutschen Waldes kommen muss. Das Gremium veröffentlicht Stellungnahmen und erstellt Gutachten zur nationalen und internationalen Waldpolitik. Auch unter den Wissenschaftlern besteht der Konsens, dass für den Umbau deutlich mehr Geld investiert werden soll und die Forstbetriebe dies nicht allein aus den Holzerlösen finanzieren können. Kontrovers diskutiert wird allerdings über die Mittel und politischen Maßnahmen, die es für eine Transformation braucht. Zuletzt legte der Beirat eine Stellungnahme mit einem Stufenkonzept vor.
„Unsere Wälder verändern sich"
Das neu gefasste Bundeswaldgesetz soll auf eine „gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis" ausgerichtet sein. Aus Sicht des Beirats sollten folgende Mindeststandards für eine Waldbewirtschaftung gelten: Der Wald soll erhalten, Kahlschläge sollen vermieden werden, um die ökologische Produktion zu sichern. Er soll für die Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Boden- und Wasserschutz müssen gelten, damit der Wald sich selbst verjüngen kann. All diese Standards sollen in Bundes- und Landeswaldgesetzen festgeschrieben werden, wie Prof. Dr. Bernhard Möhring, Leiter der Abteilung für Forstökonomie an der Georg-August-Universität Göttingen, erklärt. Ein Instrumentenmix aus Zuschüssen, Strukturverbesserungs-, Weiterbildungsmaßnahmen sowie privaten Projekten, beispielsweise für Zertifizierungen, soll die Transformation unterstützen.
„Das Bundeswaldgesetz muss angepasst werden. Wichtig ist aber, dass nicht allein Klimaanpassung und Klimaschutz im Fokus stehen. Auch die sozioökonomischen Veränderungen, die Besitzverhältnisse, die durch Waldflächeneigentum geprägt sind, müssen mitberücksichtigt werden", sagt Möhring. Demnach müssten die Lasten zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft fair verteilt werden. Laut einer Erhebung des Deutschen Forstwirtschaftsrats verursachten Extremwetterereignisse in den Jahren 2018 bis 2021 Schäden in Höhe von 15 Milliarden Euro.
Bereits im Juli hatte der WBW im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft ein 208-seitiges Gutachten vorgestellt. „Es will die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den globalen Wandel befördern und Vorschläge machen, wie das durch eine vernünftige politische Steuerung geschehen kann", sagt der WBW-Vorsitzende, Prof. Dr. Jürgen Bauhus. Nicht allein der Klimawandel und der globale Wandel stellen die Waldpolitik in Bund und Ländern vor Herausforderungen. „Unsere Wälder verändern sich zudem rasant durch das Einschleppen von neuen Arten und Krankheiten", sagt der Hochschulprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Zugleich beobachtet der Forstwissenschaftler, dass viele Waldeigentümer, vor allem im kleinen und mittleren Privatwald, zu wenig zeitliche, informative und finanzielle Ressourcen haben, um mit den Problemen umzugehen. Auch in den Forstbetrieben des Staats- und Kommunalwaldes wurden Stellen abgebaut. Nun brauche es dringend mehr Personal auf der Fläche. Ähnlich sei die Lage in Privatwäldern. Privatbesitzer stützten sich in der Bewirtschaftung kleinerer Wälder vor allem auf ihre Erfahrung. Das ginge häufig zulasten einer angepassten Baumartenzusammensetzung, erklärt Bauhus. „Wir müssen wegkommen sowohl von reinen Kiefernbeständen als auch von Buchenreinbeständen, denn letztere sind genauso potenziell anfällig für neue Krankheiten." Daher sollten neben standortheimischen auch eingeführte, trockenstresstolerante Baumarten stehen. Wenn diese nahe Verwandte einheimischer Baumarten sind, erhalten sie zudem die Artengemeinschaft. Denkbar wäre beispielsweise, dass die Zerreiche, eine robustere Baumart als die hiesige Eiche, an Extrem-Standorten angesiedelt wird.
Eine zentrale Empfehlung des Gutachtens ist, dass die öffentliche Hand die Ökosystemleistungen der Waldeigentümer vergütet. Gemeint ist damit beispielsweise die CO2-Speicherung der Bäume, die Wasserfilterleistung des Waldes und seine Erholungsfunktion. Doch nicht einzelne Ökosystemleistungen sollten honoriert werden, sondern „die Anpassungsfähigkeit der Wälder an den Klimawandel als Leistung" betrachtet werden. „Das ist der Clou des Gutachtens. Wir können die Anpassung der Wälder nur stemmen, wenn auch die Waldwirtschaft angepasst wird", bringt es Jürgen Bauhus auf den Punkt.
Waldwirtschaft muss angepasst werden
In der Regel erwirtschaften Forstbetriebe ihre Erlöse zu über 90 Prozent aus dem Holzverkauf. Bisher war es allerdings so, dass aus den Holzerlösen „die Bereitstellung der Ökosystemleistungen immer mitfinanziert worden ist", erklärt Bauhus. Dadurch, dass den Waldbesitzenden die Bereitstellung der Ökosystemleistungen honoriert wird, sollten sie in die Lage versetzt werden, die Wälder aktiv an den globalen Wandel anzupassen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält die Novellierung des Bundeswaldgesetzes für einen richtigen Schritt. Auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates bewertet er positiv. „Im neu gefassten Bundeswaldgesetz sollte beschrieben werden, was die sogenannte gute fachliche Praxis ausmacht und welche Standards jeder Waldeigentümer einhalten muss", sagt der Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wald, Jörg Nitsch. Aus seiner Sicht sollten Kriterien für die Honorierung von Ökosystemleistungen erarbeitet werden. Erst wenn Leistungen für Klimaresilienz und Naturschutz erbracht werden, sollten Fördermittel an die Leistungserbringer fließen.
Um in Zukunft die deutschen Wälder besser als bisher an den Klimawandel anzupassen, sollte die Fichte auf die Standorte beschränkt werden, die auch auf lange Sicht deren Bedürfnisse nach Wasserversorgung und Temperaturniveau sicherstellen. Die Forstwirtschaft sollte auf einheimische Laubbaumarten setzen. „Viele Organismen, also zum Beispiel Moose und Käfer, sind schon längst an diese Baumarten angepasst", so Nitsch. Der BUND lehnt daher ab, die Fichte pauschal durch die nordamerikanische Douglasie zu ersetzen. Denn viele einheimische Tiere könnten nicht am und im Nadelbaum leben und im Zuge dessen würden Schädlinge mit eingeführt.
Wenn es nach der Umweltschutzorganisation geht, sollten die Buchenwälder hierzulande anders bewirtschaftet werden. „Man sollte nur noch einzelne Buchen entnehmen, um so das Loch im Kronendach möglichst klein zu halten", erläutert Nitsch. So könne mehr Feuchtigkeit im Boden gespeichert werden und weniger Sonneneinstrahlung eindringen. Im Lübecker Stadtwald wird laut Nitsch diese Bewirtschaftungsform seit Jahrzehnten erprobt. Der Vorteil dabei: bessere Überlebenschancen für die Buche – und damit für den Wald als Ganzes.