Nachdem ihre Mutter nach einer Auslandsreise nicht zurückkehrt, will June sie von zu Hause aus finden: mit allen Möglichkeiten, die ihr online zur Verfügung stehen. „Missing", ein spannender Desktop-Thriller, läuft seit 23. Februar im Kino.
Ein Leben ohne Internet ist längst nicht mehr vorstellbar. Nur wenige Klicks genügen, schon sind Einkäufe gemacht, Reisen gebucht, Behördengänge erledigt. Soziale Medien und unzählige Apps haben auch die Filmwelt verändert und ein neues Filmgenre entstehen lassen: den Desktop-Film. Die gesamte Filmhandlung spielt sich auf einem Computerbildschirm oder dem Smartphone-Screen ab. Auch der Thriller „Missing" wird nahezu ausschließlich durch Chats, Bild-Telefonate, Google-Suchen und Apps erzählt.
Digitale Spurensuche lüftet ein Geheimnis
Für die 18-jährige June klingt es nach einer willkommenen Abwechslung, als ihre ansonsten eher strenge Mutter mit ihrem neuen Freund von Los Angeles nach Kolumbien reist. June freut sich über die Tage ohne mütterliche Aufsicht und schmeißt erst einmal eine große Party mit ihren Freuden. Aber am Tag darauf folgt der große Schreck: Als June ihre Mutter vom Flughafen abholen möchte, taucht diese nicht auf. Junes Anrufe landen auf der Mailbox ihrer Mutter. Was tun? Die Polizei ist keine Hilfe und redet sich heraus, sie hätte in Kolumbien kein Recht, nach Vermissten zu suchen. Da beschließt June, eigene Nachforschungen anzustellen – nur wie, so weit von Kolumbien entfernt? Als „Digital Native" greift June in ihrer wachsenden Panik zu allen Mitteln, die ihr soziale Medien und Internet-Techniken bieten. Facetime, Whatsapp, Facebook und Google Earth stehen dabei nur am Anfang einer Spurensuche, in deren Verlauf June auf immer mehr Fragen und Rätsel stößt. Ihr wird klar: Ihre Mutter hat offenbar ein Geheimnis, und die Reise nach Kolumbien ist kein Urlaub gewesen.
Regisseur und Drehbuchautor Aneesh Chaganty hat vor etwa fünf Jahren mit seinem Film „Searching" einen Überraschungshit gelandet: Ein Vater sucht ausschließlich am PC nach seiner verschwundenen Tochter, der Zuschauer verfolgt seine Suche auf dem Computerbildschirm. Auch weitere Desktop-Thriller wie der etwa gleichzeitig erschienene „Unknown User: Dark Web" waren erfolgreich, ebenso wie Desktop-Komödien („Liked" 2019) und Desktop-Dramen („Profile" 2021). Mit „Missing" greift Aneesh Chaganty sein Konstrukt aus „Searching" wieder auf und legt bei Geschwindigkeit und Spannung noch einen drauf. Denn die Technik hat große Fortschritte gemacht, es gibt neue Apps und zahlreiche neue Programme.
Mehr als ein Teenie-Film
Vor allem junge Leute werden bei „Missing" ihre Freude haben, ihrer Altersgenossin June bei ihrer stets an Tempo zunehmenden Suche nach ihrer Mutter zuzusehen. Es dauert gar nicht lange, bis June das Facebook-Passwort des Freundes ihrer Mutter geknackt hat und auf diese Weise bei ihrer Spurensuche einen großen Fortschritt macht. Dann der Check der Kreditkarte, ein Blick aufs kolumbianische Hotel via Google Street View. Spanische Texte übersetzt June ruckzuck und das Handy ihrer Mutter ist auch fix geortet. Besonders kreativ wird June, als sie die Jobbörse-App Taskrabbit herunterlädt: So kann sie via Facetime einen fremden Handwerker in Kolumbien anrufen und ihn überreden, wichtige Erkundigungen für sie zu machen. June wird immer mehr eine Miss Marple der Internetgeneration und merkt: Ihre Mutter ist in Gefahr, es bleibt wenig Zeit, sie zu retten. Mit jedem Klick auf der Computermaus erfährt June mehr über das Verschwinden ihrer Mutter.
Aber in „Missing" geht es um mehr als um das Aufklären eines Verbrechens. In ihrer Panik entwickelt sich die junge Frau während ihrer Stunden am PC auch charakterlich weiter. Zu Beginn des Films ist sie ein oberflächliches und verwöhntes Kind, dessen Tage sich nur noch auf Instagram und TikTok abzuspielen scheinen. Spätestens, als June die Dating-App ihrer Mutter ausspioniert, lernt sie, diese als Frau mit eigenen Sehnsüchten und Wünschen zu sehen. So ist „Missing" mehr als ein reiner Teenie-Film, der sich nur um Apps und Crime dreht. „Missing" ist auch die Geschichte einer 18-Jährigen, die sich in wenigen Stunden vom Teenager zur Erwachsenen entwickelt und lernt, dass es im Internet keine Privatsphäre gibt.