Seit eineinhalb Jahren läuft das Musical zur Fernsehserie „Ku’Damm 56" sehr erfolgreich in Berlin. Jetzt haben Peter Plate und Ulf Leo Sommer ein neues Projekt am Start: Mit „Romeo & Julia – Liebe ist alles" bringen sie eine der größten Liebesgeschichten der Welt auf die Berliner Musical-Bühne. Premiere ist am 19. März.
Peter Plate, Ulf Leo Sommer, herzlichen Glückwunsch zum Erfolg von „Ku’Damm 56". Wie habt ihr die letzte Zeit erlebt?
Peter Plate: Es ist unglaublich toll, wie viele Menschen wir für das Genre Musical erreichen konnten. Durch die Pandemie waren wir leider lange ziemlich eingeschränkt. Jetzt zieht alles gerade erst wieder richtig an, und da endet der „Ku’Damm" leider. Das ist zwar einerseits unglaublich schade, aber es macht uns auch sehr glücklich. Unsere Vision ist, dass ein Musical nicht unbedingt vier Jahre laufen muss, sondern auch immer wieder zurückkehren kann.
Was macht für euch die Faszination Musical aus?
Ulf Leo Sommer: Ich mochte als Kind schon gerne Musicals. 1998 sind Peter und ich dann das erste Mal nach New York geflogen und haben uns das Rock-Musical „Rent" angeschaut – das war für mich eine Initialzündung, da habe ich mich in das Genre verliebt. Ich habe seitdem so viele Musicals gesehen. Aber so wie Abba meine erste Pop-Liebe war, so wird „Rent" auch immer meine erste Musical-Liebe bleiben.
Peter Plate: Mich haben als Kind zwei Dinge beeinflusst. In der fünften oder sechsten Klasse kam ein Theater aus Berlin in unsere Schule nach Goslar und hat das Stück „Was heißt hier Liebe?" gespielt, und ich erinnere mich noch genau, dass zwischendurch gesungen wurde – das fand ich damals völlig irre. Und sonntagnachmittags wurden immer Schwarz-Weiß-Musicalfilme im Fernsehen gezeigt.
In einem Interview zu „Ku’Damm" habt ihr mal gesagt, dass ihr so angefixt seid, dass das nächste Projekt wieder ein Musical werden soll. War das ein stringenter Plan, den ihr da verfolgt habt?
Peter Plate: Tatsächlich haben wir jetzt vor, immer wieder Musicals zu machen, und im Kopf planen wir schon wieder das nächste. Für uns ist es momentan die schönste Form uns auszudrücken. Ich muss zwar nicht mehr auf der Bühne stehen, aber Lieder zu schreiben und sie dann einfach abzugeben, das befriedigt mich auch nicht.
Ulf Leo Sommer: Ich sage immer: Wir haben drei Karrieren. Die eine war Rosenstolz, die zweite war, dass wir für andere Künstler schreiben, und die dritte wird jetzt die Bühne sein. Aber nicht selbst aktiv, sondern hinter der Bühne.
Wann hattet ihr das erste Mal Berührung mit dem Stoff von „Romeo & Julia"?
Peter Plate: Ich glaube, wir hatten da tatsächlich den „klassischen Weg", also das erste Mal in der Schule und dann durch den Baz-Luhrmann-Film (1996, mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes, Anm. d. Red.). Und dann konkret 2014, als unsere Freundin Maxine Kazis ein Engagement bekommen hat als Julia am Theater in Kiel und uns ganz aufgeregt angerufen und gefragt hat, ob wir nicht ein paar Lieder schreiben können.
„Das Tolle ist, dass der Stoff nie trocken wird"
Wie ging es dann weiter?
Ulf Leo Sommer: Die Erfahrung war wichtig, weil uns die Arbeit mit Schauspielern so viel Spaß gemacht hat und wir direkt dachten: Das wollen wir wieder haben. Es hat zwar etwas gedauert, aber wir wussten, dass wir irgendwann eine eigene Produktion machen wollen.
Peter Plate: Es gab damals mehrere Partner, mit denen wir Vertragsverhandlungen aufgenommen haben, weil die die Version in Kiel schon so toll fanden und das Stück eigentlich durch Deutschland schicken wollten. Für uns war das wie eine Ausbildung, zu lernen, wie das alles funktioniert und wie kompliziert es auch ist. Im Nachhinein betrachtet waren wir damals noch gar nicht so weit. Gut Ding braucht eben manchmal ein bisschen Weile.
Ulf Leo Sommer: Durch die letzten zwei Jahre, durch KuDamm, haben wir so viel gelernt, was möglich ist auf der Bühne, was dramatisch umsetzbar ist und wo der Unterschied ist zur reinen Popmusik, die man nur fürs Studio aufnimmt. Und wenn wir ehrlich sind, brauchte das noch mal ein komplettes Makeover. Das Tolle an „Romeo & Julia" ist, dass der Stoff nie trocken wird. Shakespeare ist so farbenfroh und einladend, dass man sich immer wieder gern hinsetzt und dafür Lieder schreibt.
Peter Plate: Und wir hatten jetzt den Vorteil, im Gegensatz zu 2014 in Kiel, dass wir uns unsere Darsteller selbst so auswählen konnten, dass wir ihnen die Lieder quasi auf den Leib schreiben können. Und das hat so einen Spaß gemacht. Nico, der Mercutio spielt, kennen wir durch „KuDamm" in und auswendig, seine Stimme, seine Range. Und auch Yasmin, die Julia spielt, haben wir früh ins Team geholt.
Wie lief dann die Lied-Entwicklung, nachdem ihr Eure Darsteller hattet?
Ulf Leo Sommer: Wir haben letztes Jahr im Mai angefangen und uns tatsächlich chronologisch am Stück entlang gearbeitet. Wir wussten, dass das Lied „Dann fall ich" dabei ist – das ist das einzige Stück, das aus der 2014er Produktion geblieben ist. Und „Liebe ist alles" von Rosenstolz sollte die zweite Hälfte eröffnen. Das war gesetzt. Und dann haben wir einfach bei der Ouvertüre angefangen. Das war eine der schönsten Platten-Produktionen seit langem. Wir haben uns den Luxus erlaubt, die Platte mit einer eigenen Band und einem großen Orchester aufzunehmen.
Peter Plate: Als wir dann die Idee hatten, einen Todesengel in Form des Countertenors einzubauen, war das magisch. Das war die Zutat, die noch gefehlt hat. Letztlich ist Musik schreiben wie Kochen: Man braucht die richtigen Zutaten und man muss sich im Vorfeld Gedanken machen, was man braucht, damit ein schönes Gericht bei rauskommt. Sonst verliert man sich im Wust und es wird ein Eintopf draus.
„Das Gefühl ist wie ein Feuerwerk"
Ulf Leo Sommer: Und man braucht Abwechslung, verschiedene Genres. Wenn man eine Ballade hat, muss danach auf jeden Fall eine andere Stimmung her. Die Stücke müssen einerseits zueinander passen und sich aber auch voneinander abgrenzen. Die Amme braucht zum Beispiel überlebensgroße Judy-Garland-Lieder. Und Julia muss eine Purheit haben, eher wie ein Singer-Songwriter, der klingt, als ob er seine Songs selbst komponiert. Das waren so Sachen, die wir im Kopf hatten. Bevor wir anfangen zu arbeiten, streiten wir sehr lange miteinander um die richtigen Zutaten. Aber dann passt es auch.
Ihr habt ja schon einige Titel veröffentlicht. Wie ist die Resonanz?
Peter Plate: Ganz, ganz toll. Fast besser, als wir gedacht hätten. Ich glaube, durch „Ku’Damm" haben die Leute ein bisschen mehr Vertrauen gefasst. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns, denn es herrschen immer noch viele Vorurteile gegenüber dem Musical als solches in Deutschland. Und daran arbeiten wir.
Eure modernen Lieder treffen in dem Musical auf die Original-Texte von Shakespeare. Was erwartet den Zuschauer?
Ulf Leo Sommer: Wir hatten ursprünglich den Plan, die Übersetzung von Schlegel etwas mundgerechter zu machen. Aber dann haben wir alles noch mal durchgeschaut und uns nach sehr viel Arbeit dazu entschlossen, viele Original-Sachen wieder reinzunehmen, weil die Bilder einfach stärker sind. Das ist ein großartiger Clash von der Moderne und dieser wunderschönen Sprache von Schlegel, die einfach nicht zu toppen ist.
Peter Plate: Wir leben in einer Welt, in der wir einander viel zu wenig zutrauen und immer den Drang haben zu vereinfachen. Wir geben mit unserer Fassung dem Zuschauer eine gewisse Freiheit, eine Möglichkeit, etwas selbst hineinzuinterpretieren. Die Schönheit dieser Sprache von Schlegel wird viel mit den Menschen machen. Und das Gefühl versteht eh jeder – das ist wie ein Feuerwerk.
Es scheint, als ob „Romeo & Julia" auch nach 500 Jahren nie langweilig wird. Was macht für euch den Reiz dieses Stückes aus?
Ulf Leo Sommer: Es geht um so viele fundamentale Themen. Diese erste tragische Liebe, an die wir uns alle erinnern. Und um Familien, die im Streit liegen. Wobei Shakespeare ganz geschickt ist und nie sagt, worum eigentlich gestritten wird. Das ist ganz interessant, weil wir von den meisten Konflikten auf dieser Welt auch gar nicht genau wissen, wie sie entstanden sind. Das ist wirklich klug gemacht. Es gibt einfach diese Fabeln und Geschichten, die immer wahr bleiben, egal wann man sie in der Menschheitsgeschichte erzählt. Und der Text ist irre, irre komisch. Die Leute sind immer wieder erstaunt, wie lustig „Romeo & Julia" eigentlich ist.
„Mein großer Traum ist, dass es jetzt einfach fliegt"
Ihr habt Mercutios Rolle etwas neu interpretiert, indem ihr andeutet, dass er auch in Romeo verliebt ist. Wie kam es dazu?
Peter Plate: Seit 500 Jahren wird der Stoff von unterschiedlichen Gruppen immer wieder neu durchleuchtet. Was uns aber alle eint, ist dass wir uns damit ein Stück weit selbst verwirklichen wollen und die Zeit, in der wir leben, mit integrieren. Als wir selbst jung waren und unser Coming-out hatten, war es ganz schwer, andere Homosexuelle zu sehen, und wenn, dann waren es immer diese Klischee-Bilder. Jetzt haben wir die Chance, mit einem Regisseur, der heterosexuell ist, und dem Darsteller Nico, der offen schwul ist, eine Rolle zu kreieren, die anders ist. Wir stellen die Frage, wie es wohl für Mercutio gewesen sein muss, der ja das Wort „homosexuell" nicht kennt, der gar nicht weiß, was da mit ihm passiert.
Ulf Leo Sommer: Und wir haben ihn auch nicht einfach aus einer Laune heraus schwul gemacht, sondern das steht alles im Text. Mercutio ist immer ganz aufgeregt und ungeduldig, wenn Romeo kommt und klingt dann nach der Balkon-Szene auch ziemlich eifersüchtig. Das ist das Tolle an gut geschriebenen Texten: Es ist eine prima Projektionsfläche für Künstler, um was Neues draus zu machen. Das Lied „Kopf sei still", in dem sich Mercutio wundert, was mit ihm eigentlich los ist, ist eins meiner Lieblings-Stücke.
Ihr habt so viel erreicht im Leben. Habt ihr noch Träume und Wünsche für die Zukunft?
Peter Plate: Es ist anders, 55 zu sein oder 30. Ich habe früher nie verstanden, wenn die Leute gesagt haben: Wenn man gesund ist, kommt der Rest von alleine. Aber inzwischen kann ich es gut nachvollziehen. Meine Träume momentan sind Gesundheit und Frieden.
Ulf Leo Sommer: Ich freue mich jetzt tatsächlich erst mal auf die nächste Zeit, auf die Premiere und darauf, wie das Publikum reagiert. Natürlich ist auch immer eine Anspannung dabei, ob es funktioniert. Mein großer Traum ist, dass es jetzt einfach fliegt. Von viel mehr träume ich gerade eigentlich gar nicht.