Handballer Darius Jonczyk (38) hat in der Stadtgartenhalle schon viele aufregende Spiele erlebt. Jüngst hat das Urgestein bei der HG Saarlouis um ein weiteres Jahr verlängert. Die Nachfolger stehen schon parat – aber sie kommen sicher nicht aus der eigenen Familie.
Schon lange ist er „der Dicke" bei Handball-Drittligist HG Saarlouis. Mit 38 Jahren ist Torwart Darius Jonczyk inzwischen auch „der Alte" im Team. Das Urgestein, das im Alter von fünf Jahren bei den Minis der DJK Roden mit dem Handballspielen angefangen hatte, wird auch in der kommenden Saison das Tor der Saarlouiser hüten. Der gebürtige Pole wohnt seit jeher in Saarlouis-Steinrausch, zusammen mit seiner Frau Stefanie (38) und den gemeinsamen Kindern Gabriel (11) und den Zwillingen Jonas und David (8). Seine drei Jungs spielen auch schon Handball im Verein – Gabriel wird in der D-Jugend sogar von seinem Papa trainiert. Ob sich unter den drei Junior-Jonczyks auch der Nachfolger des Seniors befindet? „Nein. Ich verbiete ihnen, ins Tor zu gehen", stellt Darius Jonczyk klar und klingt dabei weniger streng, als es sich liest: „Die haben tatsächlich Talent im Handballspielen. Das hatte ich nicht, deshalb kam ich ins Tor. Bei ihnen wäre es eine Vergeudung und schade um ihr Handballtalent." Trotzdem hat die gerade erst gestartete Laufbahn der Sprösslinge Einfluss auf die sich gegen Ende neigende des Vaters: Die Tatsache, dass das D-Jugendtraining vor dem der Aktiven stattfindet, war für Papa „Darek" ein Argument, in der ersten Mannschaft noch ein Jahr dranzuhängen. „Da ich also sowieso in der Halle bin, kann ich ja auch grad noch zum Training bleiben", sagt er dazu und ergänzt hastig: „Und natürlich, weil es mir nach wie vor Spaß macht. Für mich gibt es keinen Grund, mit dem Handballspielen aufzuhören."
Zu den vielen Gründen, die für das Weitermachen angeführt werden können, zählen die Erinnerungen an die größten Erfolge: Als sich die HG nach mehreren Aufstiegen und Klassenverbleiben bis in die eingleisige 2. Bundesliga hochspielte oder sich im DHB-Pokal mit Bundesligisten messen durfte. „Das sind so Spiele, bei denen die Stadtgartenhalle rappelvoll und es so laut war, dass man auf der Platte sein eigenes Wort nicht gehört hat", erinnert er sich. „Da ging eine Gänsehaut gleich in die nächste über. Das ist schon das Geilste, was man in einer Halle erleben kann." Immer wieder schafften es die Saarlouiser gerade gegen vermeintlich stärkere Gegner, ihr Leistungsvermögen voll auszuschöpfen und das Ergebnis zu den eigenen Gunsten zu drehen – nicht selten gab Jonczyk nach seiner Einwechslung mit seinen Paraden entscheidende Impulse. Die Spannung bis zur letzten Sekunde sorgte für Aufregung und Herzrasen auf den Rängen. „Oft hat das Drehbuch für uns gepasst", erinnert sich der 38-Jährige, „auch, wenn nach dem Spiel oft Leute zu mir kamen und sagten: ‚Ihr bringt mich noch um.‘ Andererseits gingen sie danach alle mit einem kleinen Orgasmus nach Hause." Erlebnisse wie diese will Jonczyk nicht missen. Im Gegenteil: Sie motivieren ihn weitere zu sammeln.
„Wir wollten nie eine Söldnertruppe sein"
Umso schmerzhafter war für ihn 2018 der Abstieg nach neun Jahren in der 2. Bundesliga. Das erste Mal überhaupt, dass Jonczyk absteigen musste. „Aber das war fast schon eine logische Konsequenz eines langen Prozesses. Im Saarland stößt man einfach an Grenzen", findet er und erklärt: „Die Stadtgartenhalle ist meine Heimat, ich mag die Halle wirklich und sie ist für Zweitliga-Handball absolut okay. Aber auswärts haben wir beispielsweise in der Stuttgarter Porsche-Arena gespielt. Da kommt man sich schon klein vor." Ohnehin hat die HG die Zweitklassigkeit mehr als einmal nur mit Glück gehalten. Mal wegen finanzieller Schwierigkeiten anderer Clubs, mal aufgrund unvorhergesehener Glücksgriffe: „Da verpflichten wir 2012 einen Trainer, der Goran Suton heißt und seinen 16-jährigen Sohn mitbringt. Gut und schön", blickt Jonczyk zurück: „Es hätte niemand ahnen können, dass der Junge durch die Decke schießt und uns dann 2014 mit 241 Saisontoren die Klasse hält." Gezielt einkaufen kann sich der Verein Spieler von solchem Format wegen des begrenzten Budgets nicht. Doch einen wie Darius Jonczyk selbst auszubilden und über so viele Jahre im Verein zu halten, kann er. Und das ist gerade heutzutage unbezahlbar.
Auch deshalb setzt der Verein weiter vornehmlich auf die Talente aus der eigenen Jugend, was Jonczyk gefällt: „Anders ist Leistungshandball für uns nicht stemmbar. Außerdem wollten wir in Saarlouis nie eine Söldnertruppe sein, in der keiner etwas mit dem anderen zu tun hat", stellt er klar. Die besondere Verbundenheit zu „seiner" HG, die von seinem Heimatverein DJK Roden und dem SC Lisdorf gebildet wird, rührt auch daher: „Die schönste Zeit als Handballer hatte ich in der Jugend. Über viele Jahre mit seinen Kumpels zusammenzuspielen, mit denen man später noch durchs ganze Leben geht, ist schon was ganz Besonderes. Ein Großteil dieser Jungs gehört auch heute noch zu meinen besten Freunden", erzählt Jonczyk.
Vielleicht beteiligt er sich auch deshalb aktiv an der Nachwuchsförderung: Zum einen als D-Jugendtrainer, aber auch durch Reduzieren des eigenen Trainingsumfangs: „Wir haben uns nach langer Suche vor vier Monaten ein Haus gekauft, in dem ich derzeit nach der Schicht arbeite. Dazu kommt, dass ich meine Freizeit mit meiner Familie verbringen möchte", stellt er klar und verrät: „Deshalb trainiere ich nur noch zwei, drei Mal statt vier Mal die Woche mit der Mannschaft." Das reicht dem erfahrenen Urgestein, um das Drittliga-Leistungsniveau als Backup für Stammtorwart Daniel Schlingmann zu halten. Außerdem bietet es dem Torwart-Nachwuchs die Gelegenheit, öfter mit der Drittliga-Mannschaft trainieren zu dürfen. „Das war mir wichtig und wurde so abgesprochen. Die sollen so oft reinschnuppern, wie es geht", findet Jonczyk. Dass die Jungs sich jederzeit an ihn wenden können, wissen sie.