Zwar treibt es die PS-Branche bunter denn je. Doch egal, welche Farbe der Lack am Ende hat, wird er vor allem grüner. Das Bestreben um Nachhaltigkeit zeigt sich selbst in dieser Nanometer-feinen Schicht.
Mit schwarz-weiß muss man hier gar nicht erst anfangen, und auch nicht mit den üblichen psychedelischen Kringeln. Wer einmal die Farbenpracht der nächtlichen Lichtspiele am Las Vegas Boulevard erlebt hat, der hat für einen normalen Prototypen keinen Blick mehr. Das hat offenbar auch VW erkannt und sich für die getarnte Weltpremiere des ID7 etwas Besonderes einfallen lassen. Bevor der Prototyp im Frühjahr endgültig enthüllt wird und im Herbst als elektrische Alternative zum Passat startet, schimmerte er vor ein paar Wochen auf der CES in fast allen Farben des Regenbogens – und kann diese Farben zudem auch noch wechseln.
Hier hat VW über 40 verschiedene Lackschichten aufgetragen, die teilweise elektrisch zum Leuchten gebracht werden und die Limousine zum Chamäleon unter den Elektrikern machen. Der Auftritt der Wolfsburger passte perfekt in die Zeit. „Die Farbpalette auf unseren Straßen wird wieder bunter“, sagt Mark Gutjahr, der beim Zulieferer BASF Coatings in Münster das Design verantwortet. „Mit der zunehmenden Elektrifizierung des Autos buhlen immer mehr Modelle um Aufmerksamkeit und es kommen zudem zahlreiche neue Hersteller ins Spiel. Das schlägt bis auf den Farbfächer durch“, sagt der Designer und attestiert seinen Kollegen bei den Herstellern Mut zu auffälligen Tönen.
Lack, der sich selbst repariert
Aber egal ob Pastell oder traditionell, gedeckt oder schreiend bunt – eigentlich gibt es im Augenblick nur eine Trendfarbe, zumindest im übertragenen Sinn: Grün. „Denn im Bestreben um einen möglichst kleinen CO2-Fußabdruck und am Ende eine klimaneutrale Produktion, rückt auch der Lack zunehmend in den Fokus“, sagt Marco Benen aus dem Sustainability Management bei BASF Coatings.
Zwar kommt die Industrie da um Chemie kaum herum und nur wenige Bestandteile lassen sich durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen, selbst wenn es auch da entsprechende Bestrebungen gibt, erläutert Benen. Doch zum Beispiel mit der Verkürzung der Lieferketten, mit nachhaltiger Prozessenergie und mit dem CO2-Eintrag als Auswahlkriterium für einzelne Bestandteile des Lacks lasse sich der Fußabdruck der Farbgebung durchaus verringern.
Fast noch wichtiger als die Komponenten des Lacks sei aber dessen Verarbeitung, erläutert der Experte. Schließlich müssen die unterschiedlichen Schichten in der Lackieranlage der Autofabrik förmlich ins Blech eingebrannt werden. „Wenn da eine Schicht eingespart oder die Prozesstemperatur um ein paar Grad gesenkt wird, dann können übers Jahr signifikante Mengen CO2 eingespart werden“, sagt Benen.
Einen anderen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet die Industrie mit Lackschichten, die sich selbst reparieren können. Weil sich zumindest kleine Kratzer dabei unter der Wärme der Sonne von selbst wieder verschließen, muss nicht jedes lädierte Bauteil gleich neu lackiert werden, sagt BASF-Experte Matthijs Groenewolt, der an Klarlacken forscht. Das spart dem Kunden Geld und der Umwelt einen weiteren CO2-Eintrag.
Farbwechsel klappt per Strom
Aber die Forscher in Münster müssen nicht nur dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit gerecht werden. Sondern auch ein zweiter Trend treibt sie um, obwohl der auf den ersten Blick gar nichts mit der Farbe zu tun hat, sagt Michaela Liese, die das Color Center Europe verantwortet: „Fahrerassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren.“ Denn damit Autos irgendwann auch alleine den rechten Weg finden, setzen sie vor allem auf Lidar-, Radar- und Kameras. „Und die beiden Ersteren funktionieren bei manchen Farben besser und bei manchen schlechter“, erläutert die Expertin. Deshalb forscht sie an speziellen Lacken, die das Austreten der Wellen bei den Senderfahrzeugen möglichst wenig behindern, und an solchen, die sie bei den Empfängerfahrzeugen besonders gut reflektieren. „Und im Idealfall erfüllt ein Lack natürlich beide Eigenschaften, weil jedes Senderfahrzeug ja auch Empfänger sein kann und umgekehrt.“
VW war mit den Farbenspielen auf der CES nicht alleine, sondern BMW ist jetzt schon im zweiten Jahr mit einem Showcar gekommen, das die von elektronischen Büchern bekannte E-Ink-Technik nutzt. Konnten sie im vorigen Jahr allerdings nur zwischen Schwarz und Weiß umschalten, so gibt’s das Erlebnis diesmal auch in Farbe – und zwar in fast drei Dutzend unterschiedlichen Tönen und noch mehr Mustern. „Das Echo war so gewaltig, dass wir diesen Faden weiterspinnen wollten“, sagt Projektleiterin Stella Clarke: „So, wie man morgens seine Kleidung nach der aktuellen Stimmungslage auswählt, kann man dann auch die Farbe des Autos nach Lust und Laune wechseln und den Wagen so zum Ausdruck seiner Persönlichkeit machen.“
Auch dabei schwingt allerdings das Thema Nachhaltigkeit mit, sagt BMW-Entwicklungschef Frank Weber: Denn der Vorteil der E-Ink-Technologie ist, dass es den Farbwechsel energetisch nahezu zum Nulltarif gebe: „Wir brauchen nur zum Umschalten Strom, danach bleibt die neue Farbe von selbst.“ Egal ob Zitronengelb, Aubergine oder Erdbeerrot – auch Vision Dee ist deshalb im Grunde ein grünes Auto.