„Klavierkabarett in Reimkultur“ nennt der Berliner Künstler Bodo Wartke seine mitreißenden Songs voller Wortwitz. Auf dem Album „In guter Begleitung“ ist er zusammen mit der dreiköpfigen „SchönenGutenA-Band“ zu hören.
Herr Wartke, im Frühjahr 2020 gingen Sie mit einer Ode auf Christian Drosten an die Öffentlichkeit. Wie ist es für Sie in der Pandemie gelaufen?
Das Lied fand nicht jeder gut. Viele Kommentare in den sozialen Medien lese ich aber gar nicht erst, weil ich die Diskussionskultur dort nicht schätze. Bei einer persönlichen Begegnung würden die Leute so nicht miteinander reden.
Aus der Pandemie bin ich bis jetzt recht unbeschadet gegangen – sowohl seelisch als auch künstlerisch. Natürlich hatte ich auch Publikumseinbußen zu verzeichnen. Aber im Endeffekt, so schlimm die Pandemie auch war – für mich ist daraus auch viel Gutes entstanden.
Was denn zum Beispiel?
Als wir live nicht auftreten konnten, haben wir Streaming-Konzerte oder Strandkorb-Veranstaltungen gegeben. Das waren interessante Situationen, in die man sonst nie geraten wäre. So etwas finde ich als Künstler spannend: aus Beschränkungen etwas Positives zu erschaffen.
Haben Sie den Kontakt mit dem Publikum nicht vermisst?
Ich habe viele Privatkonzerte aus dem Homeoffice gegeben, vom heimischen Klavier aus. Da bin ich auf Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten aufgetreten; eingeblendet auf Leinwand. So kann ich mein Publikum sogar besser sehen als im Saal. Und ich habe viel über Inneneinrichtung, Haustiere und Zimmerpflanzen gelernt. Das waren warmherzige Kontakte, die mich sehr durch diese Zeit getragen haben.
Zum Beispiel habe ich eine Deutschlehrerin kennengelernt, die mein Lied „Das Land, in dem ich leben will“ im Unterricht einsetzt. Für die Flüchtlingskinder in ihrer Klasse waren all die negativen Zustände, die ich da besinge, Realität. Solche Erlebnisse haben mich sehr bewegt.
Aus Beschränkungen das Beste zu machen – ist das Ihr Lebensmotto?
Als Künstler reizt es mich, die Freiheit in der Beschränkung zu finden. Ich erlege mir Grenzen auf, innerhalb derer ich tänzeln kann. Das lässt sich auch auf das Große und Ganze übertragen: bei Einschränkungen, unter denen wir standen und stehen, trotzdem lustvoll Freiheiten zu finden und Möglichkeiten auszuloten.
Natürlich will ich nicht abstreiten, dass unsere Gesellschaft vor riesigen Herausforderungen steht. Die Kulturbranche ist nach wie vor bedroht. Ich versuche, mich nicht niederdrücken zu lassen und mit meiner Kunst dazu beizutragen, mehr Leichtigkeit ins Leben zu bringen. Ich habe übrigens noch mehr künstlerische Leitmotive.
Da sind wir gespannt!
Das eine lautet: einfach machen. Also loslegen, und gucken, was passiert. Zweitens: es sich und den anderen einfach machen. Meine Kunst ist sehr nahbar und verständlich; bei aller Reimfinesse und Wortverspieltheit. Ein weiteres Credo lautet: Was, wenn doch? So heißt auch ein ganzes Programm von mir.
Wie meinen Sie das?
Das ist die Replik auf die Frage: Was, wenn es nicht klappt? Vor dieser Frage stehe ich bei jedem neuen Song: Ich habe etwas zu sagen, und möchte das in Reimform tun. Was, wenn ich das nicht hinkriege? Aber bisher hat mich die deutsche Sprache noch nie im Stich gelassen. Am interessantesten finde ich Reime, die nicht im Reimlexikon stehen; nach denen man schürfen muss, um sie zu finden.
Setzen Sie sich auch mit der Gender-Sprache auseinander?
Die kommt zum Beispiel in meinem Lied „Regen“ vor, das ich schon mehrfach umgeschrieben habe. Das Lied entstand vor über 20 Jahren, als man vom Klimawandel als einem Problem in ferner Zukunft schon mal irgendwie gehört hatte. Und jetzt sind wir mittendrin. Da habe ich das Lied angepasst und wende mich auch direkt an die „EntscheidungsträgerInnen“. Das ist an dieser Stelle sehr ausgestellt und reimt sich auch schön. Es gibt noch ein Lied, „Das falsche Pferd“. Da könnte ich eigentlich auch gendern. Aber das würde die Strophe zerstören.
Wie wäre es mit: falscher Hengst und falsche Stute?
Das Wort Pferd schließt doch beide Geschlechter mit ein (lacht). Ich finde es reizvoll, alte Lieder auf den Prüfstand zu stellen. In „Meine neue Freundin“ zum Beispiel geht es um den Schönheitswahn. Da habe ich eine neue Strophe über Influencerinnen hinzugefügt, die es bei der Entstehung des Liedes noch nicht gab. Meine Lieder wandeln sich. Es ist ein gewandelter Bodo, der sich nun dem Publikum präsentiert.
Was macht Ihre Wandlung aus?
Ich bin politischer, ernster, diskursiver geworden. Vater bin ich auch geworden. Deshalb habe ich jetzt andere Themen als früher. Die Idee zum Song über Eltern, „Der neue Job“, hatte ich aber schon lange, bevor ich Vater wurde. Ich habe also die Realität herbeigeschrieben.
„Gaffer“ ist auch so ein Fall. Hier geht es um die Sensationsgier von Augenzeugen bei Verkehrsunfällen. Die Urfassung schrieb ich 1997. Seit es Smartphones gibt, ist die Lage noch schlimmer geworden. Manche Lieder werden von der Realität eingeholt und überholt. Man muss aufpassen, worüber man schreibt. Es gibt viele Lieder, die ich aus Sicherheitsgründen gar nicht erst angefangen habe …
Bei der CD „In guter Begleitung“ fällt die Wandlung des Bodo vor allem dadurch auf, dass er nicht mehr nur allein am Klavier sitzt.
Mit einer Band aufzutreten bietet besonders reizvolle Möglichkeiten, Lieder in einem neuen Gewand wieder zu entdecken. Die Musiker kenne ich schon lange. Früher waren sie meist nur Spezialgäste. Aber wir wollen schon lange mit einem kompletten Band-Programm auf Tour gehen und haben im Laufe der Zeit immer mehr gemeinsames Repertoire entwickelt. Die neue CD besteht aus Liedern, die besonders gut mit Band funktionieren, und aus solchen, die ich extra für uns als Band komponiert habe. Das ist richtig großartig, zumal die Musiker auch mal so eben einen dreistimmigen Gesang aus dem Hut zaubern und improvisieren können.
Ein Höhepunkt der neuen CD ist der Song, in dem Sie das Grundgesetz rappen.
Den habe ich für die Band geschrieben; und er funktioniert mit Band auch am besten. Anlass war 2019 das 70-jährige Bestehen des Grundgesetzes. Meine Idee war, etwas in Musikform zu verarbeiten, das normalerweise nicht musikalisch verarbeitet wird. Ich wollte den Text dadurch nahbarer machen. Ich gebe das Grundgesetz in Reimform wieder – sogar ziemlich wortgetreu.
Wie reagiert Ihr Publikum auf die Wandlung zu mehr Ernsthaftigkeit?
Es gibt Menschen, die anderer Meinung sind und das auch äußern. Aber entscheidend ist doch, auf welche Weise das geschieht. Zum Glück ist die Diskussionskultur innerhalb meines Fan-Kreises recht freundlich und dialogbereit. Wenn wir erkennen, da hat jemand eine Frage auf dem Herzen, dann treten wir auch unsrerseits in einen Dialog.
„Wir“ – wer verbirgt sich dahinter?
Zunächst mein Regisseur Sven Schütze, ein langjähriger Freund; wir kennen uns schon seit 25 Jahren. Damals haben wir unsere eigene Produktionsfirma Reimkultur gegründet, weil sich keine Plattenfirma für uns interessierte. Wir haben uns alles erarbeitet und selbst gemacht. Wir verstehen uns als Kollektiv und sind füreinander da. Das ist antikapitalistische Guerilla! Geld ist für uns nicht etwas, das es abzuschöpfen gilt, sondern ein Mittel, um Dinge möglich zu machen. Dadurch sind wir auch relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen. Durch unsere Unternehmensform waren wir für Hilfen berechtigt, die ich als Soloselbständiger nicht bekommen hätte.