Die Landesausstellung Rheinland-Pfalz zeigt „Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie“. Die kulturhistorische Schau im Historischen Museum der Pfalz in Speyer ist bis 16. April geöffnet.
Die Habsburger in Wien, selbstredend. Aber in Speyer? Das Rätsel löse ich, bevor ich mich auf den Weg mache. Vor dem Portal des Historischen Museums der Pfalz in Speyer blicke ich in Richtung Dom. Die Antwort auf meine Frage liegt – im Wortsinn – genau dort. Die ersten Habsburger-Könige Rudolf I. und Albrecht I. sind im Dom zu Speyer beigesetzt. Die Stätte ist der einzige außerösterreichische Grablegeort mittelalterlicher Habsburger-Herrscher. Rudolf I. gilt als Stammvater einer Dynastie, die 370 Jahre lang – fast durchgehend – den Herrscher stellte.
Auf 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden 200 Leihgaben aus 67 Museen, Archiven, Klosterschätzen und Bibliotheken aus Österreich, Frankreich, Deutschland und der Schweiz gezeigt. Beeindruckende Fakten. Überzeugt die Mega-Schau?
Rivalitäten und Machtinteressen
Ironisch-witziger Einstieg mit Überraschungseffekt: Die Fernsehmoderatorin Bettina Schausten steht im Wahlstudio und blickt mich vom Monitor an. Sie verkündet die Ergebnisse der Königswahl 1273: „Ein Paukenschlag!“ Der 55-jährige Graf Rudolf von Habsburg habe Ottokar von Böhmen weit hinter sich gelassen. Die Stauferzeit sei vorbei. Der Wunsch nach einer stabilen Regierung sei groß. Auf dem linken Bildschirm läuft der Liveticker mit Weltnachrichten des 13. Jahrhunderts, auf dem rechten ploppen Wahl-Diagramme auf. „Ob der König aus der zweiten Reihe die Aufgaben bewältigen kann?“ fragt Bettina Schausten mit todernstem Gesicht während ich schallend lache – sehr unpassend in einem nahezu stockdunklen Ausstellungsraum. Der Einstieg, der vielleicht bei Puristen Stirnrunzeln verursacht, schafft es in Sekundenschnelle, Geschichte in die Gegenwart zu transponieren und zu versinnbildlichen, wie, sowohl zivilisatorische und kulturelle Entwicklungen, als auch Fehlentwicklungen, mit der Vergangenheit verknüpft sind. Der Schausten-Kommentar zur Königswahl wirft Fragen auf: Was spielte sich vor 1273 ab? Wie war es möglich, dass ein Graf zum König des Heiligen Römischen Reiches aufstieg? Wer wählt eigentlich den König?
Die Antworten lassen sich im Ausstellungskapitel „Der Kampf um die Krone“ finden. Das Adelsgeschlecht, das eine europäische Dynastie begründete, hat seinen Ursprung im schweizerischen Aargau, dort war die „Habsburg“ um 1020 errichtet worden. Der letzte Staufer-Kaiser, Friedrich II., befand sich im Dauerkonflikt um die Vorherrschaft mit dem Papst. Nach Friedrichs Tod 1250 folgte eine Phase, die als Interregnum bezeichnet wird. Territorialerweiterungen sowie Rivalitäten der Fürsten untereinander, die Machtinteressen eines in den Städten erstarkenden Bürgertums – eine unruhige Zeit. Schwache Könige wussten, fern von Deutschland, den Frieden nicht zu wahren. Die Kurfürsten waren als mächtige Landesherren die Königswähler – und der Papst. Ein geregeltes Wahlverfahren kannte man noch nicht, aber man einigte sich endlich: Rudolf I. trat ein schweres Erbe an.
Sein Rivale und Herausforderer König Ottokar II. von Böhmen gibt sich nicht geschlagen. Im Jahr 1278 kommt es auf dem Marchfeld bei Dürnkrut zur Schlacht. Der König von Ungarn ist Bündnispartner und zieht gemeinsam mit Rudolf in den Kampf. Ottokar stirbt. Kunigunde wird Witwe. Wird Rudolf I. den böhmischen Thronfolger Wenzel II. mit Rache verfolgen?
Die Visualisierung einer großen Ritterschlacht des Mittelalters fasziniert: Ein Bilderfries – Miniaturen, auf Leuchttafeln großformatig aufgezogen – zeigt in Comic-ähnlichem Stil brutalste Geschehnisse: Die Pferdchen, die Ritter in der Rüstung, abgetrennte Gliedmaßen, Blutstropfen und Blutbäche – putzig anzuschauen, bunt gemalt. Kontrastierend stehen davor Vitrinen mit Hiebschwertern und Topfhelmen. Es handelt sich um High-Tech-Produkte ihrer Zeit. Ein Einhandschwert wog um die 1,3 Kilo. Das Hiebschwert aus der Landessammlung Niederösterreich soll bei der epochalen Schlacht auf dem Marchfeld zum Einsatz gekommen sein. Der Bodenfund lässt diese Vermutung zu, erzählt der Katalogtext. Der reich bebilderte Band ermöglicht, Interessenfelder zu vertiefen. Die Ausstellungs-App empfehle ich zur Vorbereitung, im Museum ist sie sogar unerlässlich, da die Beschriftungstäfelchen kaum zu entziffern sind. Die akustische „Habsburger-Tour“ ist ideal, um sich entlang der einzelnen Objekte im eigenen Tempo durch die Räume zu bewegen.
Gebietserweiterung durch Heiratspolitik
Ein Topfhelm, geschmiedet aus überlappenden Eisenplatten, wiegt vier Kilo, verfügt über 40 Atemlöcher und einen sehr schmalen Sehschlitz. Auf einem können Sie sogar den Abdruck eines dreizackigen Turnierkrönleins entdecken. Eine verharmlosende Bezeichnung für eine kleine effektive Waffe, erdacht, um den Gegner mit einer Lanze vom Pferd zu stoßen. Dieser Helm widerstand. Ein Kettenhemd betrachtend, denke ich: Darin steckte ein ganzer Kerl! Wem gehörte dieses aus Eisen und Messingringen geflochtene und vernietete Wunderwerk? Leopold III. hieß der Mann. Er regierte 1364 bis 1386.
Schlacht um Schlacht in Handschriften und Miniaturbildern. Aber halt! Sind nicht die Habsburger für ihr diplomatisches Geschick, soll heißen, ihre kluge Heiratspolitik bekannt? Rudolf I. heiratete in zweiter Ehe Isabella von Burgund. Für den römisch-deutschen König war sie eine bessere Partie als seine verstorbene erste Frau Gertrud von Hohenberg. Bündnisse und Erbansprüche, die Gebietserweiterungen mit sich brachten, leiteten die oft schon im Kindesalter getroffenen Eheverabredungen. Womit gleichzeitig der Begriff der Hausmacht, der ebenso auf die Habsburger zurückgeht, skizziert ist. Rudolf I. verheiratete nach seinem Sieg über Ottokar zwei seiner Kinder in das Haus Böhmen, um die böhmisch-österreichischen Beziehungen zu befrieden. Ottokars Witwe Kunigunde und ihren Sohn bedrängte er nicht, im Gegenteil. Seine Tochter Guta ehelichte Böhmens Thronfolger Wenzel II., sein Sohn Rudolf II. heiratete die böhmische Königstochter Agnes. Heirat stiftet Frieden. Beinahe möchte man sich in den Ausruf „Schade, dass so etwas heute nicht mehr möglich ist!“ verirren.
Die von zahlreichen Bildnissen bekannte Habsburger-Nase zierte Friedrich III. Er wird 1440 zum König gewählt, zwölf Jahre später vom Papst zum Kaiser gekrönt. Er heiratet Eleonore von Portugal. Sie ist die Mutter von Maximilian I., dem „letzten Ritter“, der auch als „Medienkaiser“ bekannt ist. Die Erfindung seiner Zeit, den Buchdruck, verstand er zu eigenem Ruhm zu nutzen. Die Habsburger-Nase hat ihm der Vater vererbt. Auch Künstler spannte Maximilian I. ein: Dürer, Cranach, Altendorfer. Das sensationellste Werk, das seinen Nachruhm sichern soll, ist das kaiserliche Prunkgrab in der Innsbrucker Hofkirche. In Speyer sind kleinformatige Kopien der Monumentalbronzen ausgestellt. Den anrührenden Schlussakzent der Ausstellung setzt die Laterne aus dem Sterbezimmer Maximilians I.: Das Lichthäuschen in Form eines sechseckigen Turmes soll gebrannt haben, als er am 12. Januar 1519 gestorben ist.